Faszination Kartoffel







Faszination Kartoffel

Noch nie hat mich ein Gemüse so fasziniert wie die Kartoffel, und das kam so:
Als kleines Mädchen, damals war Krieg, wurde ich zusammen mit meiner Mutter, auf einen Bauernhof in der Oberpfalz evakuiert .
Es war ein Einödhof, für mich ein toller Spielplatz.
Da es auf dem Bauernhof viel Arbeit gab, mussten auch wir Kinder manchmal mithelfen.
So kam es, dass ich im zeitigen Frühjahr, beim Kartoffelschneiden
helfen sollte. Die Kartoffeln wurden in zwei Hälften geschnitten, und jede dieser Hälften sollte Augen haben.
Augen... ich sah aber keine Augen.
Ich drehte die Kartoffeln in meinen kleinen Händen hin und her
und begann leise zu weinen. Meine Kartoffeln hatten einfach keine Augen. Die Andern sahen anscheinend Augen, denn sie schnitten fleißig ihre Kartoffeln in zwei Hälften.
Als ich nun laut losheulte kam die Bäuerin und zeigte mir, was man bei einer Kartoffel unter Augen versteht. Es sind kleinen dunklen Punkte, aus denen später die Keime wachsen.

Einige Tage später fuhren wir dann, mit einem großen Wagen, der von zwei Pferden gezogen wurde, auf einen Acker. Dort mussten die Kartoffelhälften in vorbereitete Furchen gelegt werden.
Ich war sehr aufgeregt, hoffte ich doch, auch dabei helfen zu dürfen. Doch leider war dem nicht so. Die Kartoffeln durften nur von den Erwachsenen in die Furchen gelegt werden.
Ich war sehr zornig, am liebsten wäre ich davongelaufen. Aber auch für mich gab es etwas zu tun. Ich bekam einen Eimer und musste Steine aufsammeln. Gerne habe ich das nicht gemacht, aber sich verweigern, das gab es damals nicht.

Jeden Tag lief ich nun zu diesem Acker um nachzusehen ob die Kartoffeln bald reif seien. Eines Tages sah ich, dass ganz kleine Pflanzen, oft noch leicht von Ackerkrume bedeckt, ihre Köpfchen aus dem Boden hoben. Überglücklich lief ich zurück, um mitzuteilen, dass die Kartoffeln reif seien. Der Bauer sah mich verständnislos an. Seine Frau nahm mich zur Seite und erklärte mir, dass die Kartoffeln erst in einigen Monaten reif würden.
Ich ließ nun den Kartoffelacker nicht mehr aus den Augen. Die Bäuerin hatte mir nämlich gesagt, dass wir zwar nur halbe Kartoffeln in die Furchen legten. Doch bei der Kartoffelernte hätte jede Pflanze viele neue Kartoffeln. Vorstellen konnte ich mir das nicht, aber meine Neugierde war geweckt.
Bevor die Kartoffeln geerntet wurden, gab es für mich noch manch anderes zu erleben.
So wurde irgendwann das Gras hinter dem Haus abgemäht, es soll zu Heu werden, erklärte man mir. Sie mähten das Gras ab, ließen es liegen, und irgendwann war es Heu. Das verstand ich wirklich nicht!
Ähnlich machten sie es auch mit dem Getreide, schnitten es ab, legten es auf kleine Häufchen, banden es zusammen und stellten es dann wieder auf.

Einige Zeit später, an einem schulfreien Morgen bekamen wir Kinder ein kleines Gefäß, und mussten Kartoffelkäfer sammeln. Käfer sammeln, warum das denn.
Wir gingen zu meinem Lieblingsacker, wo man mir die Kartoffelkäfer zeigte. Es waren kleine gelb-orange-braune Käfer. Die fressen das Kraut ab, wenn wir die nicht absammeln bekommen wir keine Kartoffeln, erklärten mir die Kinder des Bauern. Das war für mich natürlich ein Grund nach diesen Käfern zu suchen.
Meine kleinen Hände wurden von dieser Arbeit ganz gelb und klebrig. Vermutlich hatte ich in meinem Eifer einige der Käfer zerdrückt.

Nach, für mich, endlos langer Zeit, das schöne Kartoffelkraut war schon welk geworden, fuhren wir wieder mit dem großen Pferdewagen zum Kartoffelacker. Der Bauer grub die Kartoffeln aus, und wir mussten sie aufsammeln, und in Säcke füllen.

Tatsächlich, es stimmte was die Bäuerin mir erklärt hatte, an jeder Kartoffelpflanze hingen, viele kleine und größere Kartoffeln.
Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

agleh

(Soviel zu Kinderarbeit)

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Kommentare (7)

agleh da haben wir ja einige gemeinsame Erinnerungen. Auch ich habe Ähren gelesen, Heidelbeeren und Buchecker, im Pfälzer Wald gesucht. Feldsalat am Bach gestochen und Feuerholz und Hutzeln gesammelt.
Ja, das alles und noch mehr gehörte zu unserer Kindheit.

Gruß in den Morgen von
Helga
omasigi Liebe Helga,
Kartoffelkaefer lesen im Schrebergarten meiner Oma z.B.
Dann die Hamsterfahrten mit meiner Mutter und Tante. Dann Aehrenlesen, in die Heidelbeeren gehen im nahen Schwarzwald und und und

Ja und ..... Kinderarbeit? Nein es war immer ein Abenteuer und der Wettstreit wer hat mehr Beeren usw. gesammelt.

Danke fuer diesen Blog sagt

omasigi 7 sigrid
agleh ich bedanke mich herzlich für Eure netten Kommentare,
und wünsche einen schönen 1. Mai.

LG
Helga
uschipohl Diese Geschichte ist gut erzählt, die Faszination Kartoffel wurde wunderbar von dir herübergebracht.
Das Sammeln der Käfer kam auch in meiner Kindheit vor, aber nicht auf großem Acker, sondern nur im kleinen Garten.
Apropos Kartoffel-Käfer, so einen gestreiften Gesellen habe ich schon ewig nicht mehr gesehen

herzliche Grüße
uschi
Syrdal
zeigt auf, was vielen Kindern und sogar auch Jugendlichen heute weder bekannt noch überlegenswert ist, denn schließlich gibt es Kartoffeln stets und immer fein sortiert und oft auch handlich abgepackt im Supermarkt... wo denn sonst! - Wie sie aber dorthin kommen, welche Mühe es macht, den Ackerboden vorzubereiten, die Saat einzubringen, das Wachstum der Pflanzen über Monate hin zu pflegen und schließlich die Ernte einzuholen - all das können sich viele (Stadt-)Menschen und noch weit weniger die naturfernen Kinder kaum vorstellen.

Wir Kriegskinder sind in den "schweren Jahren" mit den Bauern hinaus gefahren auf die Felder, um auch die letzten Kartoffeln nach erfolgter Ernte aufzulesen, damit nichts verloren geht. Aber weit mehr noch: Wir haben Ähren gelesen, Bucheckern gesammelt und freilich Walderdbeeren, Heidelbeeren und Preiselbeeren, im Frühjahr Löwenzahnblättchen, wildwachsenden Feldsalat, im Sommer Holunder und später Kümmel und Wacholderbeeren, Hagebutten und nach dem ersten Frost Schlehen. Die Gaben der Natur waren damals überlebenswichtig.

Es waren zwar schwere, doch für uns Kinder zugleich auch sehr schöne und vor allem lebensprägende Zeiten, an die mich die Geschichte "Faszination Kartoffel" in feiner Weise erinnert hat. - Dafür dankt
Syrdal

lillii Liebe agleh,
Du hast anschaulich Deine Kindheitserlebnisse mit den Kartoffeln beschrieben.
Mir ist in Erinnerung geblieben, dass die Bauern in der Zeit der Kartoffelernte in den Pausen des Schulunterrichts auf den Pausenplätzen erschienen und Kinder aufforderten, zur Kartoffellese zu kommen.
Natürlich gab es ein kleines Entgelt und Verpflegung für nachmittags und abends.
Die Kinder wurden an einem bestimmten Treffpunkt mit Pferd und Wagen, später auch mal mit Traktor und Wagen aus dem Dorf abgeholt und abends zurückgebracht.
Bei manchen Bauern war die Verpflegung kärglich, bei eingen gab es am Nachmittag sogar frischen Streußeslkucken.
Da war es klar, welche Bauern immer genügend Kartoffelsucher hatten.
Die Zeit hat sich gewandelt und wir mit ihr. Doch die Erinnerung kommt schon mal zurück, so wie durch Deine Schilderung.

lieben Gruß lillii
Roxanna über die "Faszination Kartoffel" ist so lebendig erzählt, dass ich mich gut in dieses kleine Mädchen hineinversetzen konnte, die so erstaunt über ein Wunder der Natur war. Für ein Kind gibt es doch auf einem Bauernhof viel zu entdecken. So ein Aufenthalt auf dem Bauernhof würde sicher heutzutage auch manchem Kind gut tun. Haben doch viele Kinder keine Ahnung mehr, woher das kommt, was sie essen.
Habe deine Geschichte sehr gerne gelesen.

Roxanna

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