Kein Vogel kann sich halten


Kein Vogel kann sich halten auf den Drähten, die uns die Nachrichten übermitteln von nah und fern.

Die Drähte glühen beim Liefern eiliger und neugieriger Nachrichten, sie wollen ankommen beim Empfänger.


Kannst du dich noch erinnern, wie entlang den Eisenbahngleisen die Drähte zwischen den Masten von Porzellan-Puppen zu Porzellan-Puppen im Sommer durchhingen, schwingauf – schwingab, im Winter dann aber ganz stramm?

Und wenn du die Landstraße entlang gingst, hörtest du die Drähte sirren, so als könntest du die News mithören – es war der Wind, der das Gespann von Drähten als Harfe nahm. Man war nicht alleine, ging man die Straße dem Ziel entgegen, man träumte, setze Fuß für Fuß voreinander. Gleich, ob es hell war oder am dunklen Himmel die Sterne herunter blickten, du wirst unterhalten, du bleibst wach.
Wie war das doch, wenn da alleine sich der Neuntöter auf einem Draht festklammerte und aufmerksam nach Beute Ausschau hielt? Wie war das doch, wenn du dem dich einholenden Auto winktest, mitgenommen zu werden? Wie war das doch, wenn du bei steifer Brise und fiesem Regen, der fast waagerecht kam, den Drahtesel bewegtest, die Zeltbahn versuchtest, als Segel zu spannen – der Wind pfiff durch die Drähte, fast wie ein Sirenengeheul klang es.
Jetzt sind die meisten Drähte zusammen gewunden, liegen unter der Erde vergraben und belastet mit einem Vielfachen von Nachrichten je Draht.
Kein Vogel kann sich halten auf den Drähten, die uns die Nachrichten übermitteln von nah und fern.


NB: Als ich bei der Hitler-Jugend zur Nachrichten-HJ stieß – nur um dem Waffendrill zu entfliehen – da durfte ich das den Mast Hochklettern mit Steigeisen üben.


ortwin


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Kommentare (3)

Traute jetzt sehe ich auf deinem Feldtelefon sogar die "Plaste" der damaligen Zeit wieder. Mit dem dem Stoff war der Stift umhüllt, der gegen Phosphorverbrennungen helfen sollte.Das Radio war auch aus dem Kunststoff.
Mein Vater war Funker bei den Fliegern in Königsberg Kalthof. Er morste mit der Mutter wenn wir Kinder etwas nicht hören sollten.
Es ist doch ein Trost für uns, das wir die Erinnerung haben.
Und das Du noch all Deine Sachen hast, sei glücklich. Ich habe von mir nicht mal ein Kinderbild, schade.
Interessant deine Berichte,
mit freundlichen Grüßen,
Traute


ortwin Ein wenig war Vaters Basteln am Radio und im Elektrischen schuld zu der Neugierde, zur Nachrichten-H.J. zu gehen. Ein älterer Schulkamera, war er doch schon Scharführer, und die Kameraden/Schulfreunde begeisterten sich nach den fiesen Einsätzen beim Räumdienst usw. und natürlich bei den Erlebnissen mit den Versuchen im Physik-Unterricht einfach für diesen "höhergestellten" Job - naja und mein Vetter, 3 Jahre älter, war vor seiner Einberufung bei der Marine-H.J. und dann Flakhhelfer.
Dass ich mit diesen Erkenntnissen aus dem einen Jahr Dienst mich als Funkamateur probierte, als man es wieder sein durfte (ab 1949) und schließlich zur Bundeswehr ging, wollte als Funker (so, wie mein Vetter bei der Handelsmarine sein Geld verdiente) beim Bund dienen. Doch man brachte mich zu RADAR (kann man das essen?) und da lernte ich viel mehr als ein einfacher Funker. Und in der Stabsarbeit bekam ich alles mit, von Draht bis Hochfrequenz, ob "Langdraht" oder "Schüssel", ja sogar mit den "Metrolügen" hatte ich zu tun.
Wie gesagt, damals war das eine saublöde Zeit, in der wir groß werden wollten. Die Fermelde-Spielerei nahm erst einmal ein jähes Ende, als man uns nach Hause schickte, wir aber rüber nach Potsdam ziehen wollte, wollten uns freiwillig melden - da hat Mutter ihren Sohnemann kurzerhand in den Luftschutzkeller gesperrt - mein Trost war der Blaubeerwein, der da in Flaschen lag. Mein engster Schulfreund nennt dieses Treiben bei der Nachrichten-H.J. einfach als Spielerei. Ich hatte es sehr ernst genommen.
Das Gerät, das wir uns 1945 beim OKH in Zossen abgeholt hatten, an dem wir geübt hatten, aber auch den Jux mit dem Kurber-Induktor machten, war der Feldfernsprecher FF33.


ortwin

Traute Wieder Erinnerungen, als ich den Text las, dachte ich an die Steigeisen und siehe da ein Bild.
Die Masten waren irgendwie "geteert"oder dunkel gebeitzt. Wir haben als Kinder das Ohr an den Mast gehalten und ein interessantes Summen in verschiedenen Tönen gehört.
Die Masten waren sehr rauhsplittrig, das man nur ganz vorsichtig den Mast mit dem Ohr berühren konnte.
Die Schwalben saßen bei uns wie Noten auf den Zeilen und wenn der Vogelflug im Frühling und Herbst über das Samland streifte waren alle Plätze besetzt und viele Vögel saßen auf den Wiesen in solchen Scharen, dass, wenn sie aufflogen, ein wunderbares Schauspiel zu sehen war. In Formation, einem riesen Strudel gleich, schraubte sich der Vogelzug in die Luft.
Nette Erinnerungen. Das so ein junger Bursche schon an gefährlichen Arbeiten herangeführt wurde wundert mich. Aber es waren ja auch andere Zeiten und die Männer als Arbeiter fehlten.
Freundliche Grüße,
Traute

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