Unser Max

Nun ist es endlich so weit. Mit verkniffenem Gesicht und traurigen Mienen stellten wir fest, dass die Zeit unbemerkt da ist: Unser Max ist in die Jahre gekommen. Klar, wir hatten ja einige Zeit vorher schon mal so nebenbei darüber debattiert. Es war auch schon nicht mehr zu übersehen, Beulen und Kratzer lassen sich bei ihm nicht einfach mit etwas Make up aus der Welt schaffen. Es ist nun mal so.

Was hat er aber auch nicht schon alles mitgemacht! Wahnsinn, wenn ich daran denke! Damals am Jauchenpass, als er sich hartnäckig weigerte, nach Italien einzureisen und wir ihn mit mehr oder weniger sanfter Gewalt dort hin brachten. Und das pflanzte sich über die ganzen 30 Jahre seines bisherigen Lebens fort. Aber wir liebten ihn bedingungslos, den alten Bully!

Nun muss er weg, das ist nun mal so. Am Besten ist es, den Alten in Zahlung zu geben, nicht wahr? Also fahre ich erst mal zu meinem Händler. Ich hatte in der Zeitung gelesen, dass er einige Schätzchen auf seinem wimpelgeschmückten Hof stehen hatte. Als der Händler mich ankommen sieht, huscht ein erwartungsvolles Grinsen über sein Gesicht. Er bemüht sich dann auch enthusiastisch, mir einige tolle Angebote zu machen.
»Ich, ich würde aber gern mein altes Fahrzeug in Zahlung geben«, sage ich nach einer Weile.
»Welches Fahrzeug?« Er zieht erstaunt seine Augenbrauen hoch, guckt mich von oben bis unten an. »Aha, der da. Na ja, sollte kein Problem sein«, meint er dann, »da schaue ich mal schnell in die Liste, reichen sie mir mal den Fahrzeugschein rüber!«

Er tippt eifrig eine Reihe Zahlen in seinen Taschenrechner.
»Oh«, sagt er dann, »unter der Voraussetzung, dass wir nichts mehr in das Schätzchen hineinstecken müssen, hat er noch einen Wert von 12,50 €.
»Wie viel??«, frage ich ungläubig.
»Zwölfffuffzig, aber ich kann ja noch mal schauen, vielleicht lege ich noch etwas drauf!«
Er geht um unseren Bully herum, seine Augen werden immer größer.
Dann entfährt ihm ein: »Soll das ein Witz sein? Den kann ich mit Schlüssel und Papieren auf dem Hof stehen lassen, den klaut noch nicht mal einer!«
»Och«, sage ich, »die paar kleinen Beulen ...!«
»Wissen sie was«, sagt er dann, in dem er sich verschwörerisch umschaut, »ich hab einen Bekannten, wenn sie dem 50 Euro geben, haut er den durch die Presse und sie sind ihn los.«
Er wedelt mit den Händen. »Von mir jedenfalls kriegen sie keinen müden Cent dafür.«
Okay, dann eben nicht. Wenn er mir für den Bully nichts mehr geben will, kaufe ich auch nichts bei ihm. Ich fahre also wieder nach Hause.

Am nächsten Morgen finde ich einen Werbezettel unter der Windschutzscheibe:
~~~ Wir kaufen gern ihr altes Auto ~~~
Na, denke ich, ist ja mal ein Wort. Ich greife also umgehend zum Telefon und sofort meldet sich am anderen Ende eine mürrische Männerstimme. »Ja, wat is?«
Na gut, ist ja früh und der Tag noch jung.
»Guten Morgen«, sage ich, »sie wollen mein Auto kaufen?«
»Davon weess ick nix«, sagt die mürrische Stimme, »bring’n se den ma vorbei!«
»Was bieten sie mir denn dafür?« frage ich.
»Eh Mann«, sagt die Stimme, »Wie soll ick dat denn wissen, ick hab den doch noch nich jesehn!
Komm se ma vorbei!«

Na klar, er hat ja den Bully noch nicht gesehen. Ich mache mich also schnurstracks auf den Weg.
Wieder solch ein fähnchengeschmückter Hof, hübsch hässlich bunt. Aber ich will ja auch kein Kunstwerk betrachten.

»Warum ham se den Wagen nich jleich mitjebracht,« fragt ein kleiner dicker Mann, der zu der Stimme am Telefon passt.
»Hier ist er doch«, antworte ich.
Der Dicke schlägt die Hände über seinem Kopf zusammen. Dann schreit er in hohem Diskant:
»Der? Der steht noch beim Jüngsten Jericht auf meim Hof.«
»Aber, guter Mann«, sage ich, »ich hatte doch heute früh diesen Zettel am Wagen!«
»Det kann nicht sein, det warn bestimmt Kinder. Nee, nee, den nehm se ma wieda mit.«

Dann holt er tief Luft, und in dem er sich zu mir herüberbeugt:
»Aber, wissen se wat? Ick kenn da een, wenn se dem ...«
Ich winke ab: »Ich weiss schon, wenn ich dem 50 Euro gebe, dann haut er den durch die Presse.«
Nein, dann soll es eben nicht sein, ich nehme ihn wieder mit.
Aber ich hab da eine Idee. Ich stell den Bully als Laube in meinen hinteren Gartenbereich. Dort bleibt er dann schön bunt bemalt als Denkmal an frühere Zeiten stehen. Das hat er schließlich auch verdient!

©by H.C.G.Lux


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Kommentare (9)

ahle-koelsche-jung

Hallo Horst,
ja das ist das Vernüftigste was du machen konntest. So kommt das Schmuckstück wenigstens noch zur Geltung und tut seinen Zweck.
Also zum Verschrotten ist er echt zu schade.
Ich ärgere mich auch darüber das ich meinen alten Käfer damals verkauft habe. Aber zu der Zeit zählten die Erinnerungen noch nicht so.

Schöne Grüße und noch viel Spaß mit eurem Max
Wolfgang

Humorus

Hallo Horst, ich habe jetzt Deine Story mit einem lachenden und einem weinenden Auge gelesen. Wenn der "Max" von Dir, das Autole auf dem Foto ist, dann finde ich Deine Entscheidung zum guten Schluss einfach perfekt. Man muss ja nicht alle Erinnerungen einfach zerstampfen lassen.
Auf dass er Euch noch lange Zeit als kunterbunte Laube dient.

Einen verständnisvollen Gruß Klaus

ladybird

Hallo Horst...
wenn dieser Max erzählen könnte? So wie Du seine Geschichte erzählt hast...
na das machte ihn dann noch interessanter?
Mit Freude gelesen
von ladybird-Renate

Pan

Ja, Renate, und diese Übernachtungen auf Parkplätzen
und in hinterwäldnerischen Einöden - 😁
"Honi soit qui mal y pense"
mit einem Lächeln,
Horst 

ehemaliges Mitglied

Danke, lieber Horst, für diese schöne Geschichte, die Du unter "Humor und Satire" veröffentlicht hast (?).

Nur zu gerne will ich glauben, dass sich alles genau so zugetragen hatZwinkern. Denn auch ich kenne das Gefühl, wenn man sich von einem solchen Schätzchen trennen muß oder will. Wir hatten ein solches Modell (50 PS) mit Hochdach zum schlafen und für den Transport von Windsurf-Equipment für 2 Personen! Da wurde es schnell zu eng und wir mußten unsere Schnecke schweren Herzens verkaufen.

Leider liegen bei alten Autos immer Welten zwischen Angebot und Nachfrage. Wäre Dein Max ein echter WV Bulli (Baureihe T1 oder T2) hättest Du noch ein gutes Geschäft machen können. Dafür werden heute Spitzenpreise gezahlt.  
 
Aber Dein "Bully" wird im Garten eine neue Aufgabe erfüllen - und das ist unbezahlbar!
 
Liebe Grüße
surfoma Suse

Roxanna

Ganz zaghaft und leise, lieber Horst, möchte ich bemerken, er könnte mal eine kleine Wäsche vertragen Lachen, dann sieht er wieder aus wie neu. Im Leben nicht könnte man so ein Schätzchen für 50 €, na du weißt schon was. Die vielen Erinnerungen, die daran hängen, die müssen bewahrt werden. Und wer weiß, vielleicht findet sich doch noch einmal ein ganz begabter Mensch, der sich mit solch alten Schätzchen auskennt und er bringt ihn wieder zum Laufen. Nie soll man die Hoffnung aufgeben Zwinkern.
Eine schöne Geschichte, die ich gerne gelesen habe.

Herzlichen Gruß
Brigitte

ehemaliges Mitglied

Ist das nicht ein eigenwilliges Auto?
Erst will es nicht nach Italien...
dann will es erst recht nicht verkauft werden.

Mir gefällt das!

Lieben Gruss, Agathe 

Pan

@APet  
It's just a smart car, is'nt?
Danke und lieben Gruß,
Horst
 

ehemaliges Mitglied

@Pan  
ich hatte auch so einen.
Nicht ganz so alt. Jahrgang 92
Ich habe ihn auch schweren Herzens weggegeben. 
 


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