Diskussion historischer Ereignisse Wie war die Zeit nach dem Krieg?

John-Wilmore
John-Wilmore
Mitglied

Vielen Dank!
geschrieben von John-Wilmore
Hallo zusammen
Da ist schon recht viel zusammen gekommen!
Eigentlich sollte es eine Internetseite geben, wo jeder seine Geschichte "Archivieren" könnte. Denn ich habe Bedenken, dass Eure Erlebnisse verloren gehen könnten. Und erst, wenn diese grausame Zeit des Krieges in Vergessenheit geraten würde, wäre es wieder möglich, dass sich ein solcher Krieg wiederholen könnte...

Ich habe jede Geschichte hier gelesen. Und bei jedem Beitrag wurde mir Bewusst, wieviel Ihr alle durchgemacht habt; wie mutig, tapfer und hilfsbereit Ihr unter einander ward. Das fehlt in unserer heutigen Generation; diese Charakterzüge.

Nochmals vielen Dank an Euch alle.

Herzliche Grüsse an Euch alle
John
Karl
Karl
Administrator

Re: Vielen Dank!
geschrieben von Karl
Ich finde, dass die Geschichte unseres Mitglieds Traute hier nicht unerwähnt bleiben sollte. Die Kontakte zur Erstellung des Buches wurden hier im Seniorentreff geknüpft:



Gertraud Gross, Traute im Seniorentreff, hat eine bewegte Kindheit hinter sich. Sie gehörte zu jenen Kindern, die sich elternlos durchschlagen mussten. Die Flucht aus Ostpreußen vor den Russen war nicht geglückt, die Mutter war gestorben, der Vater aus dem Krieg nicht zurück gekommen. Zusammen mit ihrer Schwester musste sie zu allem noch den Hungertod der beiden kleinen Geschwister miterleben. Das Buch erzählt ihre Überlebensgeschichte und führt uns vor Augen, was für ein Ungeheuer der Krieg ist.

Karl
Medea
Medea
Mitglied

KRIEG - das schlimmste Verbrechen
geschrieben von Medea
als Antwort auf Karl vom 14.02.2015, 10:29:12
Ja Karl, das Schicksal von Traute gehört unbedingt hier her -
sie hat den Krieg in der schlimmsten Form erlebt .....

Zur Erinnerung
Breslau war zur Festung erklärt worden und wurde von den
Sowjets sturmreif geschossen. Tagelang schlugen Raketen (?)
in die Stadt ein, es gab so ein merkwürdiges Geschütz, das allgemein
als "Stalin-Orgel" bekannt war und die Einschläge waren bis in meine
kleine Stadt zu hören. Daran kann ich mich gut erinnern.

Auch daran, daß des nachts Soldaten ans Küchenfenster klopften und
meine Mutter um Zivilkleidung baten. Männer in deutscher Uniform
wurden meistens sofort erschossen.

Doch nun zur Nachkriegszeit, die Hunger und Kälte brachte.
Meine Mutter bekam von einer Nachbarin deren Kartoffelschalen, die
diese recht üppig schälte, kochte und pellte sie und machte aus dem
Rest Kartoffelbrei mit gerösteten Zwiebeln. Noch heute liebe ich
Kartoffelbrei, allerdings mit Milch und Butter verfeinert. - -

Das bäuerliche Dorf hatte eine Zweiklassenschule, 1. bis 4. und 5. bis 8te Klasse. Eine Junglehrerin frisch von der Ausbildung kommend und
ein "Alt"lehrer unterrichteten die großen Klassen, denn die vielen
Vertriebenenkinder gehörten nun ja dazu. Die Lehrerin bat die
bäuerlichen einheimischen Kinder für je ein Kind zusätzlich ein Buttterbrot
mitzubringen und einmal in der Woche zum Mittagessen einzuladen, - irgendwann
gab es dann "Schulspeisung", meistens ein Rosinenbrötchen mit Kakao.

Für eine warme Stube gab es zwei Möglichkeiten: Kohlenklau und
im Wald "Stubben" roden.
So zogen nachts einige Nachbarschaften los, durch drei weitere Dörfer hindurch zu einem Verladebahnhof, dort standen immer mal wieder offene Waggons mit Bunkerkohle, Nachbarjungs und ich kletterten auf die Züge und schmissen diese schweren Kohlenstücke nach unten, wo die Mütter
sie in die Handwagen luden. Das mußte so geräuschlos wie möglich geschehen, denn eine Wache patrouillierte den Zug endlang. Fast hätte ich einmal meine Mutter erschlagen, denn ich schmiß ja raus aus dem Waggon in die Dunkelheit hinein.

Das Stubbenroden war viel zu anstrengend für die Frauen, dennoch gruben sie diese mächtigen Baumwurzeln aus. Vom Hunger waren alle gekennzeichnet.
Nun hatten wir meistens eine warme Stube und keine Eisblumen mehr am Fenster und kein gefrorenes Eis in der Waschschüssel.

Meine Mutter wunderte sich immer wieder über die Rückständigkeit
"unseres" bäuerlichen Dorfes. Sie kannte das ganz anders vom Hof ihres Bruders her. Mein Onkel Hermann fuhr zu den landwirtschaftlichen Messen nach Breslau, er hatte hilfreiche Maschinen für die
bäuerliche Arbeit, hier wurde das Heu noch von Hand mit der Gabel gewendet, die Garben ebenso zusammengebunden und zu Hocken aufgestellt, etc., etc.
Zur Erntezeit mußten bis auf die Großmuttter, alle auf die Felder.
An die Pausen erinnere ich mich gerne. In einer eisernen Milchkanne
gab es Muckefuck, (Milch mit Gerstenkornkaffee) und ein Blech mit
frischgebackenem Buttterkuchen, den die Großmuttter auf das Feld brachte.

Fortsetzung folgt.

Medea.

Anzeige

youngster
youngster
Mitglied

Re: KRIEG - das schlimmste Verbrechen
geschrieben von youngster
als Antwort auf Medea vom 14.02.2015, 11:45:55
Liebe Medea,

ich danke dir herzlich für deine Berichte, die ich alle mit Interesse lese. Dabei versuche ich mir zu überlegen, wie das wohl nach dem Krieg bei meiner Familie war? Wie es ihr wohl erging? Ich bin ja wie gesagt erst im Sept. 1947 geboren, war damals ja Säugling und habe naturgemaäß keine Erinnerung. Ich weiss nur, dass meine Eltern nach der Flucht in Franken in einem ganz kleinen Dorf bei einer Bauersfamile untergekommen sind d.h. meine Mutter und die Großmütter. Mein Vater war ja noch nicht da, kam später erst nach.

Bitte schreibe weiter ich freue mich auf deine Geschichte.

Gruß youngster
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Vielen Dank!!!!
geschrieben von carlos1
als Antwort auf John-Wilmore vom 12.02.2015, 18:36:57
"In den letzten Tagen des Krieges haben sich die Bevölkerung in den Kellern und Bunkern versteckt, während die Bomben fiehlen. Als das Kriegsende aus gerufen wurde, begann die schwere Zeit des Wiedderaufbaus. Es war eine Zeit des Hungerns. Diese Zeit, kann man sagen, dauerte über 5 Jahre." John Wilmore


John, so kann ich es nicht sehen. Die Zeit des Hungers, der extremen Knappheit war schon 1948 zu Ende, mit der Währungsreform in den drei Westzonen. Wenigstens in der US-Zone und aus meiner jugendlichen Sicht. Das merkte man daran, dass in den Lebensmittelläden alles legerer gehandhabt wurde. Ich kaufte ja auch ein. Die Lebensmittelkarten wurden mehr und mehr unnötig. Es wurde einfach umständlich immer die Marken zu schnippeln. Während noch 1947 die Leute in Windeseile zusammenströmten, wenn Freibankfleisch (Notschlachtung kranker Tiere), um Fleisch ohne Marken zu ergattern, kam das 1948 nach der Währungsumstellung nicht mehr vor.

Wir waren aus der SBZ Ende 1946 in die US-Zone gezogen, und ich erinnere mich noch an das Schlangestehen für Freibankfleisch. Auch die Versorgung mit Milchprodukten wurde besser. Milch konnte man 1948 ohne weiteres bei Bauern kaufen. Mehrere Male in der Woche marschierte ich mit der Milchkanne zu Bauern. Die Lage in der sowjetisch besetzten Zone unterschied sich merklich davon. Bis Ende 1946 war sie sehr schlecht, wie ich mich erinnere. Die Rationen in der US-Zone waren 1947 auch knapp, aber ein wenig reichhaltiger als in der SBZ, wie ich mich erinnere. Die Menschen waren freundlicher, halfen einander mehr.

In der US-Zone lebten wir in der Nähe einer süddeutschen Kleinstadt. In dieser Zeit wusste ich natürlich , dass es eine US-Besatzung gab. Aber Amerikaner sah ich praktisch nie. Auf Bildern in der Zeitung waren sie zu sehen. Erstmals sah ich einen lebenden US-Amerikaner, als ein US-Captain eine Good-will -Aktion startete und deutsche Kinder mit Süßigkeiten beschenkte. Ich war auch dazu eingeladen worden.

In der SBZ war ich an den täglichen Anblick russischer Soldaten und deren Fahrzeuge gewöhnt. Großenteils fuhren sie Studebakers. Diese Dreiachser bewunderte ich sehr und sah sie zunächst als russische Produkte an, bis ich eines Tages an einem parkenden Armeelaster die Reifen betrachtete und darauf den Namen "Firestone" las. Da ich ab bereits in der Schule etwas Englisch gelernt hatte, wusste ich dass es ein amerikanisches Produkt war. Die russischen LKWs waren kleiner, z .T mit kastenförmigen Holzführerhaus und öfter versagenden Bremsen. Es kam mit diesen LKWs wiederholt zu schweren Unfällen auf der langen abschüssigen Strecke, die in den Ort führte. Einmal kam ein mit Soldaten besetzter Laster die lange steile kilometerlange "Abfahrt" heruntergeschossen, bekam die Kurve nicht mehr und raste in ein Gebäude. Ich hörte den Crash, rannte hin und sah dann die armen Kerle verletzt liegen.

Es gab unerwartete Besuche von Soldaten und Offizieren, die Lebensmittel organisiert hatten und gut speisen wollten. Sie kamen einfach ins Haus und forderten auf sie zu verpflegen. Keinem Amerikaner wäre das in den Sinn gekommen. Sie brachten Kartoffeln mit und Gläser mit eingemachtem Fleisch und viel Fett. Meine Mutter kochte für sie. Sie verhielten sich höflich. Ich sah ihnen zu. Niemand betrank sich. In einem nahe gelegenen Gasthaus gab es häufig Besuche von Russen. Einmal rastete ein betrunkener Soldat aus und schoss um sich, wobei eine unbeteiligte Frau den Tod fand. Es wurde darüber geredet. Es hieß, dass der betreffende Soldat vor Gericht müsse und sofort erschossen würde. Beim Einmarsch kam es zu Übergriffen, zu willkürlichen Erschießungen.

Im Vergleich zur amerikanischen Zone gab es jedoch in der Öffentlichkeit - soweit in meiner Erinnerung als Elfjähriger - kaum US-Militärpolizei oder Militär zu sehen. Es gab eine deutsche Pokizei und ein Feldsachütz auf dem Land sorgte dafür, dass sich der Mundraub in Grenzen hielt. Einmal nur im Jahr 1947 sah ich in Schorndorf im Bahnhof eine Art Razzia durch US-Militärpolizei. Es war wenig aufregend. Sicher gab es in den größeren Städtenviele solche Razzien wegen des Schwarzen Marktes, wie in allen Zonen.

Mit dem Koreakrieg (1951-55) änderte sich viel, In die Kreisstadt kam eine US-Garnison und Manöver wurden abgehalten. Sogar auf dem Lande merkten die Leute, dass es US-Soldaten im Lande gab. Eine US-Infanterieeinheit hatte 1952 an einem Sonntag bei einem Manöver im Gelände Position bezogen und die Dorfjugend versammelt sich um die Schützenpanzer und nahm Kontakt zu den Soldaten auf. Wir unterhielten uns lang und gut. Nach einigen Tagen kam heraus, dass ein Junge den Fotoapparat eines US-Soldaten geklaut hatte, eine Agfa-Karat, damals kein billiges Gerät. Die Eltern sorgten dafür, dass über die Behörden, der Name des Soldaten ermittelt wurde und ihm der Fotoapparat zugeschickt wurde. Es gab eine gute Stimmung, was das Verhältnis zu den USA angeht. Die Luftbrücke nach Berlin, der Marshallplan hatte gezeigt, dass die Politik in Bewegung war und sich die Lebensverhältnisse besserten.

Mein Verhältnis als Jugendlicher (11 Jahre) zu den russischen Soldaten war eigentlich entspannt. Ich ging sogar gerne hin, wenn sie irgendwo lagerten und versuchte einige russische Wörter zu lernen. Das war nicht jedermanns Geschmack, ich weiß. Ich kann nur berichten, was ich damals dachte und wie ich die Welt sah. Die große Politik sah anders aus. Die Mehrzahl der Deutschen begegnete den Russen als Fremde und sehr distanziert. Sie hatten Angst vor ihnen. Allerdings konnten russische Soldaten auch unberechenbar sein. Als ich mich einmal bei einer Gruppe von Soldaten aufhielt und mit einem sehr netten Menschen mich unterhielt, wobei er unsere Zwiebeln futterte, griff einer aus der Gruppe zur Maschinenpistole, legte auf mich an und drückte ab. Normalerweise ist noch ein Schuss im Lauf, wenn das Magazin geleert ist.. Es hätte sein können.

Es gab nicht nur eine Sprachbarriere. Ich wuchs in einer Familie auf, in der die Eltern nicht Parteigenossen waren. Ich hatte nie etwas Newgatives über Juden oder Russen gehört. Ich ahnte nur, dass es Geheimnisse gab. Einmal drehte ich die Sendereinstellung am Radio - es war 1944 - und hörte eine fremde Stimme. Meine Mutter stürzte wortlos herbei und schaltete das Gerät ab. Der Blick genügte. Kein weiteres Wort, aber ich wusste, was ich nicht mehr durfte. Zum Jungvolk wurde ich geschickt, als Alibi. Die Eltern hatten Geheimnisse, weil sie Angst hatten, dass die Kinder sie verraten würden. Sie trauten sich nicht uns die Wahrheit zu sagen. Sie erfuhren von mir auch nie, dass mich die Polizei auf Veranlassung des Hitlerjugendführers zum "Dienst" holen ließ. Sie fingen mich (10 Jahre alt) auf der Straße ab. Ich wollte einfach mal nicht gehorchen.

Was dachten die Deutschen nach dem Krieg? Nicht zuletzt waren die letzten Kriegstage prägend, als bekannt wurde, wie gefährlich es war, das einzig Vernünftige zu wagen und mit Hilfe einer weißen Fahne zu kapitulieren. Fanatische SS-Leute ließen solche Leute erschießen oder aufhängen. Mit Grauen wurde einem bewusst, in welcher Lage man war: Entweder ließ man die SS bis zum bitteren Ende gewähren und die dt. Erde bis zum letzten Gemüsebeet verteidigen oder man starb durch die Hand des Feindes. Denn eines war klar: Wo geschossen wurde, war die Rote Armee unerbittlich. Die Zivilbevölkerung musste umgelegt. Es war im Sinne Hitlers, dass das dt. Volk untergehen sollte, denn es hatte im Krieg gegen das "stärkere Ostvolk" versagt, so soll er sich im März 1945 geäußert haben.

Es hat nach dem Krieg und bis in die 60er Jahre heftige Diskussionen gegeben in der Familie, wie so etwas passieren konnte. Hitler hätte getötet werden müssen, war meine Auffassung, was mein Vater für unmoralisch hielt. Demokratie war für mich kein leeres Wort und den Wiederaufbau hielt ich für möglich, während diese Entwicklung für meinen Vater unerwartet kam. Er sah darin einfach nur Glück und Zufall nicht etwa politische Leistung. Allerdings muss ich hinzufügen, dass seine Meinung durchaus als nicht ungewöhnlich anzusehen war, denn er hatte viel mit ehemaligen Nazis zu tun. Meine Lehrer in der Schule waren Nazis, die Beamten waren Nazis. Den Bürgermeister bezeichnete er als verkommenen Hitlerjungen, was zutraf. Mein Vater zeigte ihn an, als er ein älteres Flüchtlingsehepaar verbal beleidigte und benachteiligte bei der Zuteilung von Wohnraum. Die Gesetze der Militärregierung und die Verfassung (Grundgesetz) waren das eine, die Realität, die immer etwas mit Auslegung unddem Geist der Verfassung und Gesetze zu tun hat, war eine andere. Gesinnung und Einstellung lassen sich nicht durch Gesetze ändern.

John, du hast deine Frage nach den Soldaten auf den Straßen und den "Streifen" sicher bewusst in Erinnerung an die Ankündigung der Nazis gestellt, dass der Krieg nach der Besetzung Dtlds unerbittlich weitergehen würde und die Werwölfe den Kampf gegen die Alliierten fortsetzen würden. Es gab diese Befürchtung bei den Westalliierten. Sie war jedoch unbegründet. Das Kriegsende und das Ende der Naziherrschaft waren von der Art, die man nicht vergisst. Die Niederlage war, was man meist nicht in Rechnung stellt, total. Nicht allein die militärische Macht des Dritten Reiches war vernichtet, vielmehr war es eine vernichtende moralische Niederlage. 1945 wurde deutlich - ich nahm es als Jugendlicher bewusst auf - welch Lügengebäude errichtet worden war und eine Vernichtungsmaschine Millionen in den Tod trieb und dass nicht einmal die eigenen Leute verschont wurden, um die Naziherrschaft am Leben zu erhalten.

Was sollen die Erwachsenen gedacht haben damals, fragst du. Meine Eltern planten ganz konkret die Auswanderung. Das Land schien für sie zerstört und verfault bis ins Mark. Es hat später heftige Auseinandersetzungen in der Familie gegeben, weil ich mit dem elterlichen Pessimismus mich nicht abfand und ihn widersinnig fand.
marianne
marianne
Mitglied

Re: Vielen Dank!!!!
geschrieben von marianne
als Antwort auf carlos1 vom 15.02.2015, 16:05:52
Danke Carlos!
Jetzt danke ich persönlich Dir sehr!
Du hast mich zum Nachdenken gebracht-, wir haben ja privat schon uns ausgetauscht.
Mir ist noch eingefallen, dass wir um 1950 -französ. Zone- noch Lebensmittelkarten brauchten für "Zuckerhasen" zu Ostern!

Und- ich traf kürzlich eine mir liebe, 90-jährige Dame.
Es ist sicher und überliefert, dass sie dabei war, als hiesige Frauen die "Panzersperren" (liederliche Holzstämme) beseitigten an den Ortsausgängen.-
Ich werde weiter nachdenken....

Anzeige

Medea
Medea
Mitglied

Bis 1948
geschrieben von Medea
als Antwort auf carlos1 vom 15.02.2015, 16:05:52
An Carlos
danke, daß Du schilderst, wie es bei Euch zu Kriegsende und bis
1948 zuging. Kinder haben ja unterschiedliche Erinnerungen, es
prägt sich das ein, was jeweils haften blieb.

Danke Youngster - hier geht es weiter.

Meine Mutter bekam die Nachricht über zig Umwege, daß mein Vater
in amerikanische Gefangenschaft gegangen war und mit hunderten weiteren
Kameraden in den Rheinwiesen in Dreck und Regen lagerten unter kaum
zu schildernden Verhältnissen. Diese Soldaten wurden den Franzosen überstellt. Das ist wieder eine andere Geschichte.

Zurück zu den Jahren 1946 - 1948, die Jahre mit den bitterkalten Wintern und den schönen Sommern. Carlos, Du hast das Stichwort "Freibankfleisch" gegeben, ich konnte mir zwar nichts darunter vorstellen, aber eines Tages gab es Rindsrouladen (mein Geburtstagsessen). Dann hörten wir, eine Färse hätte sich im Stacheldraht verfangen und mußte notgeschlachtet werden. Von Stund an war mir dieses Fleisch suspekt, aber die Soße mochte ich.
In der einen Stube, die wir bewohnten, gab es einen kleinen Kohleofen und es kam so ein blechernes Ding hinzu, was KOCHHEXE hieß und auf dem meine Mutter im Turmverfahren kochte, was ihr unter die Hände kam. Töpfe aus ehemaligen Stahlhelmen gab es fürs Erste und Frauen und Mädchen trugen rote Kleider und Röcke, genäht aus den nun nutzlosen Fahnen.

Das Leben begann sich zu normalisieren, bzw. wir begannen uns einzurichten. Radfahren lernte ich auf einem Drahtesel mit Gummibereifung, zum "Baden" gab es eine kleine Beeke mit klarem Wasser und einer Menge Stichlingen und Kaulquappen, leider auch ein Stück Glas, an dem ich mir den halben großen Zeh aufschnitt, die Augustäpfel waren noch viel zu unreif, wir aßen sie trotzdem.
Milch und Buttermilch verkaufe Fiddi Dahnken, der uns Kinder mochte
und immer kleine Butterstückchen in die Buttermilch fallen ließ -
es gab einen Sport- und einen Schützenverein und heimlich Verliebte,
von denen die einen wie die anderen Eltern nichts wissen durften.
Es galt das eherne Dorfgesetz Hoff mutt to Hoff und ein vertriebener Jung oder eine vertriebene Deern hatte ja nix an den Hacken. Was ich damals auch nicht verstand war, daß ein kleiner
Junge "Russenkind" von vielen Kindern gerufen wurde. Sehr viel
später habe ich erst verstanden und es tut mir heute noch weh.

Ein Dorfpolizist für die tägliche Ordnung war eines Tages auch da -
der fuhr eine 500er Maschine (BMW oder NSU?),

und meine Mutter erinnerte sich wehmütig, daß sie mit meinem Vater und mir
allerdings im Beiwagen auf so einer Maschine durch die Gegend fuhren,

die leider gleich in den ersten Kriegstagen requiriert wurde auf
Nimmerwiedersehn.

Ab 1948 begann ein anderes Leben.
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Vielen Dank!!!!
geschrieben von carlos1
als Antwort auf marianne vom 15.02.2015, 16:59:41
Marianne,
es gab unterschiedliche Lebensbedingungen in den einzelnen Zonen. Die Franzosen waren sehr scharf mit Reparationen, holzten große Fläche ndes Schwarzwaldes ab ...etc. Medea schreibt von einem Schützenverein etwas. Das müsste,ich kann es mir nicht anders vorstellen, verboten gewesen sein. Auch Sportarten wie Judo waren verboten. Segelflug fand auch in der US-Zoe erst wieder ab Mitte der 50er Jahre statt (1955 glaube ich). Auch die Lufthansa durfte erst wieder ab 1955 fliegen.

Eigentlich hätten in allen Zonen gleiche Lebensbedingungen herrschen müssen, wäre das Potsdamer Abkommen von 1945 zugrunde gelegt worden. Dort war vorgesehen, Dtld als Ganzes in Absprache miteinander zu verwalten. Eigentlich überrascht es nicht, dass die Lebensmittelversorgung in der frz. Zone nicht besonders gut war.

Das Abräumen von (unwirksamen) Panzersperren konnte 1945 tragische Folgen zeitigen. Nicht immer ging es glimpflich vonstatten.

Viele Grüße
c.
Medea
Medea
Mitglied

Re: Vielen Dank!!!!
geschrieben von Medea
als Antwort auf carlos1 vom 15.02.2015, 20:11:08
Carlos,
wann die Schützenvereine in den Dörfern wieder zugelassen
wurden, kann ich nicht genau sagen. Das Schützenfest war neben dem Erntedankfest "das" gesellschaftliche Ereignis in cen Dörfern.

Gruß
M.
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Bis 1948
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Medea vom 15.02.2015, 17:48:40
Medea, unser Dorfpolizist hatte kein Motorrad, dafür aber einen US-Karabiner. Er kam aber nicht zum Einsatz, soweit ich mich entsinne.

Du schreibst, dass dein Vatersich in den Gefangenenlagern auf den Rheinwiesen befand. Aus eigenem Erleben kenne ich die Rheinwiesen natürlich nicht. Ich weiß nur, dass die US-Armee einige KZs befreit hatte und die Stimmung bei den Amerikanern dadurch gegenüber den Dtutschen aufgeheizt war. Das könnte zu den Versorgungsmängeln in den Lagern geführt haben. Die Verbrechen des Naziregimes bekamen Unschuldige zu spüren. Viele deutsche Kriegsgefangene starben in diesen Lagern unter freiem Himmel wegen der Versorgungsmängel.

Viele Grüße
c.

Anzeige