Forum Wissenschaften Geisteswissenschaft / Philosophie Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?

Geisteswissenschaft / Philosophie Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?

carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf arno vom 09.04.2010, 21:28:37
"Wir glauben, dass der technische Fortschritt keine Grenzen besitzt
und sich ohne ein Ziel entwickeln kann.
Wäre dieser Weg nicht ein Irrweg, weil kein Ziel erkennbar ist?
Wäre es deshalb nicht sinnvoll, das Ende der Menschheit zu denken?
Muß der Mensch nicht naturverbunden bleiben, damit er nicht in Fremdbestimmung gerät?

Viele Grüße
Arno"


Zunächst einmal wird “geglaubt” es gäbe keine Grenzen für den technischen Fortschritt. Wer glaubt? Glaube heißt etwas für wahr halten, ohne den Beweis für die Richtigkeit einer These dafür zu kennen oder zu nennen. Glauben muss auch keinen Beweis fordern, sonst wäre es kein Glaube. Es wird und kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass etwas so oder auch anders ist. Angezeigt wird das, wonach wir fragen. Jedes Messen erfolgt mit dafür bewusst konstruierten Instrumenten. Sie zeigen möglicherweise etwas an, wonach wir gesucht haben.

Im Blick steht der technische Fortschritt. Technik ist angewandte Wissenschaft. Wissenschaft kann grenzenlos sein, wie das Denken grenzenlos ist. Das Licht von 11 MRD Lichtjahren entfernten Galaxien erreicht uns. Wir analysieren es, wir errechnen die Geschwindigkeit, mit der das kosmische Gebilde sich von unserem Planeten entfernt. Wir wissen aber nicht und werden niemals wissen, in welchem Zustand sich die Galaxie in diesem Augenblick befindet, ob sie überhaupt noch existiert. Das Wissen um die „Grenzen“ des Wissens ist auch Wissen. Ein Wissen jedenfalls, das unsere Grenzen zeigt. Wissen über den Menschen. Der Punkt, wo Wissen aufhört kann Ziel genannt werden. Das Ziel kann von uns gesetzt werden, es kann aber auch als Entelechie auftreten. Ein Samenkorn, das in der Erde aufgeht und einen Sämling treibt hat auch ein „Ziel“, nämlich sich zu einer Pflanze oder einem Baum zu entwickeln. Ein Spermium sucht eine Eizelle zu erreichen. Nach der Verschmelzung beider entwickelt sich ein Mensch. Wer legt das „Ziel“ fest? Muss ein Ziel erkennbar sein, um die Feststellung zu treffen, dass es kein Irrweg ist?


Der Mensch sieht sich als das Maß aller Dinge. Deshalb ist auch ein Ende der Menschheit denkbar. Aber denkt der Mensch das Ende seiner Gattung nur, weil er selbst sterblich ist? Weil Werden und Vergehen Leben auf der Erde kennzeichnen? Das Wort „Fremdbestimmung“ bezieht seinen Wert aus diesem Kontext. Als Teil der Natur sind wir fremdbestimmt. Unsere Existenz verdanken wir molekularen Abläufen in den neun Monaten nach Empfängnis im Mutterleib. Ist die Mutter drogenabhängig oder mit Aids behaftet, wirk sich das auf uns aus. Was wir Kultur nennen und im Gegensatz zur Natur sehen, ist aus der Natur hervorgegangen, ist aber durch unser Denken gestaltet. Es ist nicht mehr ursprüngliche Natur, sondern eine durch den Menschen gestaltete Umwelt, die uns abhängig macht. Wir sind abhängig von der Zivilisation und durch die Zivilisation. Abhängigkeit lässt noch Freiraum zum Handeln. Fremdbestimmung nicht.

c

Karl
Karl
Administrator

Re: Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?
geschrieben von Karl
als Antwort auf arno vom 10.04.2010, 09:58:22
Ich denke, dass durch diese Art der Entwicklung und Forschung eine Fremdbestimmung
des Menschen möglich sein wird.
geschrieben von arno
@ arno, ich bin fremdbestimmt, wenn ich keine Wahlmöglichkeiten habe und mir vorgeschrieben wird, was ich zu tun habe. Der moderne Mensch hat jedoch m. E. viel mehr Wahlmöglichkeiten als seine Vorfahren, die sich vor allem um den Broterwerb kümmern mussten . Ich sehe nicht, dass die moderne Technik meine Freiheiten beschneidet, ganz im Gegenteil. Die Anschaffung der ersten Spülmaschine ermöglichte mir und meiner Frau nach dem Essen spazieren zu gehen, anstatt aufzuwaschen. Ich sehe auch keinen Widerspruch zwischen Technik und dem Erhalt der Natur, eher im Gegenteil: Wir werden modernste Technik benötigen, um die Natur angesichts der Vielzahl der Menschen zu erhalten. Ich habe beobachten können, wie die Flüsse in Deutschland wieder sauberer geworden sind aufgrund des technischen Fortschrittes (Kläranlagen, etc.).
Warum die Teflonpfanne als oft genanntes Abfallprodukt der Raumfahrt uns fremd bestimmen soll, verstehe ich nicht. Solche Produkte haben doch nur eine Chance sich durchzusetzen, wenn sie ein Bedürfnis befriedigen und den Menschen entlasten.
Gleiches gilt für die Computerentwicklung. Natürlich haben Menschen bisher gut ohne iPAD leben können, aber das iPAD wird nur Erfolg haben, wenn es Bedürfnissen des Menschen entgegen kommt, dazu gehört der Spieltrieb, die Neugier auf Informationen etc. Hat uns das Buch Freiheiten genommen? Nein, auch die elektronischen Versionen werden uns nicht fremd bestimmen, sondern unsere Möglichkeiten erweitern.

Beste Grüße, Karl
Mitglied_bed8151
Mitglied_bed8151
Mitglied

Re: Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf arno vom 09.04.2010, 21:28:37
Der totale Krieg der Menschen gegen die Erde befindet sich im Endstadium. Der totale Sieg ist errungen. Es gibt längst keine Macht mehr auf der Erde, die den Menschen noch erfolgreichen Widerstand entgegensetzen könnte. Das bestehende System funktioniert glänzend - leider zerstört es seine eigene Grundlage. Damit ist es ein »programmierter Selbstmord«, wie Gordon Rattray Taylor es nannte. Und Barry Commoner stellt fest: »Das gegenwärtige Produktionssystem ist selbstzerstörerisch; der gegenwärtige Kurs, den die menschliche Zivilisation steuert, selbstmörderisch.«

--
Wolfgang

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arno
arno
Mitglied

Re: Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?
geschrieben von arno
als Antwort auf Karl vom 10.04.2010, 10:15:59
Hallo, karl,

Du spricht hauptsächlich die Versorgungssicherheit der Menschen an,
um die steigende Weltbevölkerung sicher versorgen zu können.
Die Technik ist dabei sicher eine große Hilfe.

In unserer Wirtschaft werden Bedürfnisse durch Werbung künstlich geweckt.
Das steigert den Konsum, den Umsatz und den Profit.
Aber viele Artikel sind bereits nach der Herstellung Wegwerfartikel,
die zwar gekauft wurden, aber den Besitzer nicht befriedigt und entlastet haben!

Die künstlich geweckten Bedürfnisse des Menschen halte ich nicht für das Kriterium
einer Wahlmöglichkeit, um eine Fremdbestimmung ausschließen zu können,
wie Du dies in Deinem Beitrag geschrieben hast!

Ich denke, dass es doch keine Wahlmöglichkeit geben kann, wenn sich - um bei unserem
Beispiel zu bleiben - der technische Fortschritt immer zufällig und nicht geplant einstellt.

Haben wir dann nicht nur eine Wahlmöglichkeit zwischen den vielen Zufälligkeiten ?

Ist nicht die Wahl zwischen den vielen Zufälligkeiten auch eine Art der Fremdbestimmung?


Viele Grüße
Arno
arno
arno
Mitglied

Re: Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?
geschrieben von arno
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 10.04.2010, 11:04:32
Hallo, wolfgang,

das sehe ich nicht so.
Jede von Menschen dürchgeführte Veränderung, verändert auch das
Wirkungsgefüge in der Natur.
Ich spreche von einem Gleichgewichtssystem.

Wir haben bis zur letzten Sekunde immer noch die Möglichkeit,
auf Veränderungen zu reagieren!

Viele Grüße
arno
Karl
Karl
Administrator

Re: Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?
geschrieben von Karl
als Antwort auf arno vom 10.04.2010, 13:35:05
Ich denke, dass es doch keine Wahlmöglichkeit geben kann, wenn sich - um bei unserem
Beispiel zu bleiben - der technische Fortschritt immer zufällig und nicht geplant einstellt.
geschrieben von arno
Ich sehe nicht, dass der technische Fortschritt völlig zufällig und nicht geplant voranschreitet. Der größte Innovationsdruck ist dort, wo Not am Mann ist, s. Energieversorgung, Umweltschutz, Ernährung. Das Energieproblem z. B. ist langfristig nur durch Technik lösbar. Die Nutzung regenerierbarer Energie setzt viele Innovationen voraus. Das betrifft nicht nur die Energieerzeugung, sondern auch die Energieersparnis. Maschinen werden immer energieeffizienter, es gibt einen erkennbaren Kostendruck dafür.

Beste Grüße, karl

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indeed
indeed
Mitglied

Re: Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?
geschrieben von indeed
als Antwort auf arno vom 10.04.2010, 13:39:40
Lieber Arno,

eigentlich hast du die nur die Frage in den Raum gestellt, um die es hier geht.
Es lohnt sich alle Mal darüber nachzudenken. In deinem letzten Satz als Antwort auf Wolfgang schreibst du, ich zitiere: „Wir haben bis zur letzten Sekunde immer noch die Möglichkeit, auf Veränderungen zu reagieren! „

So lange diese Möglichkeit besteht, sehe ich auch keine Fremdbestimmung.

Den Beiträgen von Carlos1 und Karl kann ich deshalb nur zustimmen
Gruss
Ingrid
Lotte-aus-Aurich
Lotte-aus-Aurich
Mitglied

Re: Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?
geschrieben von Lotte-aus-Aurich
als Antwort auf Karl vom 10.04.2010, 14:19:22
... Ich sehe nicht, dass der technische Fortschritt völlig zufällig und nicht geplant voranschreitet. Der größte Innovationsdruck ist dort, wo Not am Mann ist, s. Energieversorgung, Umweltschutz, Ernährung. Das Energieproblem z. B. ist langfristig nur durch Technik lösbar. ... karl
geschrieben von karl


Ob die Aussage "Der größte Innovationsdruck ist dort, wo Not am Mann ist" heute noch so stimmt?
Denn es geht doch schon längst nicht mehr ums Überleben, um die Bewältigung des alltäglichen Daseins (Ernährung, Wohnraum, Bekleidung und weitere soziale Bedürfnisse), sondern ausschließlich um den Erhalt der kapitalistischen Konsumgesellschaft. D.h. konkret: um den völlig überflüssigen, idiotischen Konsum von irgendwelchen Dingen, Dienstleistungen (dazu gehören auch die modernen Kommunikationstechnologien, natürlich auch das Internet - damit soll ja in erster Linie oder ausschließlich Geld verdient werden!).

Selbst der Einsatz regenerativer Energien, die Propagierung von Hybrid- und Elektroautos ändern ja nichts an der selbstmörderischen Lebensweise der Menschen, sondern sind ja ein indirekter Appell: Weiter so! Dass der grundsätzliche Kurs vielleicht nicht stimmen könnte, darauf kommt wohl keiner. So kann man getrost einem Ende der menschlichen Gesellschaft entgegensehen.


Vor einigen Monaten ging der Vergleich durch die öffentlichen Medien, dass für Lebensweise der Menschen mehrere Erden notwendig wären, die us-amerikanische Lebensweise verlangt noch mehr "Erden".

Fremdbestimmt ... man könnte es so sagen: der größte Teil der Menschheit, die noch vorhandenen Ressourcen, die Natur (auch unter dem Aspekt des möglichen Patentschutzes für Genstrukturen etc.), hat nur noch die Funktion, das investierte Kapital zu vermehren.
Und vermutlich bleibt uns als "Normalbürger" nur übrig, uns selbst zu beruhigen: Das hat's immer schon gegeben. Alles nicht so schlimm. Man muss nur das Gute sehen. Dagegen kann man nichts machen.

Lotte
arno
arno
Mitglied

Re: Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?
geschrieben von arno
als Antwort auf indeed vom 10.04.2010, 14:25:08
Hallo, indeed,

„Wir haben bis zur letzten Sekunde immer noch die Möglichkeit, auf Veränderungen zu reagieren! „
geschrieben von arno


das heißt aber nicht, dass wir immer richtig auf Veränderungen reagieren!

Kann die Reaktion auf eine Veränderung nicht ein Irrtum oder
eine Kette mehrerer Irrtümer sein?
Auch solche Entwicklungen nennen wir Fortschritt, obwohl diese auf viele Irrtümer beruht!
Ist ein solcher irrtümlicher Fortschritt nicht auch eine Art der Fremdbestimmung, weil er nicht geplant wurde?

Wie oft führt blinder politischer Aktionismus in die Irre? Ist auf diesem politischen Gebiet
nicht auch eine Fremdbestimmung möglich?

Viele Grüße
arno




arno
arno
Mitglied

Re: Führt der grenzenlose Fortschritt nicht in eine Fremdbestimmung?
geschrieben von arno
als Antwort auf Karl vom 10.04.2010, 14:19:22
Hallo, karl,

wie nennst Du das denn, wenn das Forschungs- oder Entwicklungsziel
auf einem Irrtum beruht ?

Wirtschaftliche, politische und andere Interessen beeinflussen doch
massiv die Forschung!

Die Entwicklung und der Fortschritt sehen wir doch nur als eine
Angelegenheit der Zeit an, wobei die Forschungsergebnisse meistens
zufällig und weniger zielgerichtet anfallen.
Eine Fremdbestimmung im Fortschritt der Forschung kannst auch Du nicht leugnen!

Viele Grüße
arno

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