Forum Wissenschaften Geisteswissenschaft / Philosophie Gibt es eigentlich unnützes Wissen?

Geisteswissenschaft / Philosophie Gibt es eigentlich unnützes Wissen?

miriam
miriam
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich unnützes Wissen?
geschrieben von miriam
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 24.07.2013, 18:10:15
Nun denke ich, dass ich nicht jeden einzelnen antworten soll oder gar muss – dieser Gedankenaustausch hat - dank allen hier - seine eigene Dynamik entwickelt.

Dankbar bin ich, dass von allen Seiten so viele Anregungen zum nachdenken, zum weiterdenken – hier eingesetzt wurden.

Und doch möchte ich noch Einiges über die Bedeutung des Zweifels (oder des Zweifelns) schreiben.

Persönlich finde ich die Sicherheit, die das Zweifeln gar nicht kennt, eine sehr gefährliche Eigenschaft.
Descartes sagte: cogito ergo sumich denke, also bin ich – man könnte aber auch sagen – ich zweifle, also bin ich auf dem richtigen Weg.

Denn bevor man sich auf einem Weg sicher fühlt, ihn als richtig erachtet, sollte man sich ruhig den Luxus einiger Zweifel erlauben oder gönnen.

Warum nicht auch mal feststellen, dass man sich nicht auf dem ursprünglich angestrebten Weg befindet?
Wenn dies so ist, hat man die Freiheit entweder kehrt zu machen und den von Anfang an gesuchten Weg (damit auch das angestrebte Ziel) erneut zu suchen, oder aber, für Neugierige zu empfehlen, diesen Weg auf dem man sich eher zufällig befindet -weiterzugehen – um zu sehen, wohin dieser führt.

Miriam


mein Weg führt jetzt zum Fernsehsessel
erafina
erafina
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich unnützes Wissen?
geschrieben von erafina
als Antwort auf miriam vom 24.07.2013, 18:47:38
Als Fortführung des Gedankengangs steuere ich folgenden Ausspruch bei:

Zweifel und Unglauben erfordern schon einen gewissen Grad von Wissen.

Wilhelm Weitling

(1808 - 1871)


Auf diese Weise bedingt eines das andere.

era
qilin
qilin
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich unnützes Wissen?
geschrieben von qilin
als Antwort auf miriam vom 24.07.2013, 18:47:38
Hallo Miriam,
Warum nicht auch mal feststellen, dass man sich nicht auf dem ursprünglich angestrebten Weg befindet?
Wenn dies so ist, hat man die Freiheit entweder kehrt zu machen und den von Anfang an gesuchten Weg (damit auch das angestrebte Ziel) erneut zu suchen, oder aber, für Neugierige zu empfehlen, diesen Weg auf dem man sich eher zufällig befindet -weiterzugehen – um zu sehen, wohin dieser führt.

Ich weiß nicht, vielleicht ist das hier schon wieder offtopic und man sollte einen neuen Thread aufmachen dafür - beim 'Zusammenhang' zwischen Weg und Ziel bin ich immer etwas skeptisch. Wenn ich mich auf einen Weg mache, um ein Ziel zu erreichen, das in meinem Kopf bereits existiert, dann beschränke ich mich a priori auf meine eigenen Vorstellungen - für Viele mag diese 'Beschränktheit' ja Sicherheit vermitteln, aber die Realität ist nicht beschränkt - oder zumindest nicht darauf was ich mir vorstellen kann...

qilin

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JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich unnützes Wissen?
geschrieben von JuergenS
Hallo Miriam,
ich vermute, dass der thread "Unnützes Wissen" überhaupt nur gegründet wurde, um Mitglieder zu ermuntern, auch mal über Wissen zu berichten, das zwar scheinbar nicht von breitem Interesse zu sein schien, aber den Beitrags-Schreiber selbst brennend beschäftigt.
So könnte wider Erwarten solches Wissen vielleicht doch den einen oder anderen wachrütteln oder er/sie fände sogar "Gleichgesinnte".

Sehr gut, dieser Vorstoss, aber auch der deines threads.

Jede(r) von uns hat im Laufe seines Lebens ungeheuer viel "Vorratswissen" angehäuft, das er manchmal plötzlich brauchen kann.

Als Beispiel fällt mir ein, dass man in Anfrika steht und plötzlich eine Ruine der Römer betritt, deren Bild man zufällig vor Jahren in einem BIldband gesehen hat und wegen seiner imposanten Gestalt nicht mehr vergessen konnte.
Plötzlich tut sich ein Bogen auf, der weit gespannt ist, andere Assoziationen kommen dazu...........
Re: Gibt es eigentlich unnützes Wissen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf qilin vom 25.07.2013, 06:56:48
Ohne Vision, Zweifel, Neugier geht gar nichts. Diese bringen zwangsläufig eine Zielvorstellung mit sich, welche vielleicht auch erst einmal schwammig erscheint.

Diese Vorstellungen und Gefühle bringen jedem, der einen solchen Weg beschreitet die Möglichkeit, neues Wissen (auch wenn es vielleicht schon Jahrtausende alt ist) zu erwerben oder Althergebrachtes auf die Nützlichkeit zu prüfen, zu verbessern etc., also in einen sehr lebendigen Prozess.

Das führt m.M.n. immer auf einen Weg, der natürlich auch Sackgassen oder/und Kreuzungen in sich hat. Da muss umgekehrt, verworfen, geprüft und/oder entschieden werden, welche Richtung eingeschlagen werden soll.

Egal, wie sonderbar ein solch erworbenes Wissen anderen Menschen auch vorkommen mag, für denjenigen, der dabei ans Ziel kommt, ist das Wissen niemals unnütz.

Alles andere wäre eben die Wahl der schon angeführten Stagnation.

Meli
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich unnützes Wissen?
geschrieben von schorsch
Je mehr ich weiss, desto mehr möchte ich (darüber) wissen.....

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erafina
erafina
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich unnützes Wissen?
geschrieben von erafina
Der Thread “Unnützes Wissen” war für mein Empfinden eine übliche Sammlung von Erkenntnissen, die einem albern und sinnlos erscheinen – auch dann wenn sie wissenschaftlich sind, pseudowissenschaftlich oder erkenntnistheoretisch. Für mich war es ein eher lustiges Sammelsurium, bei dem nicht denken, sondern finden und sammeln angesagt ist. Das waren sozusagen “nicht alltagstaugliche” Erkenntnisse.
Da muss ich dann etwas missverstanden haben.

Hier geht es doch aber um etwas begrifflich anderes?
Das heißt, wenn ich das richtig verstanden habe. Man korrigiere mich, wenn ich irre.

Ich lese das inzwischen so (Anfangs war das für mich durch den Bezug zum vorhergehenden Thread nicht klar):
kann es für einen Menschen Wissen (das er selbst erwirbt) geben, das er für SICH als unnütz empfindet?
Das ist persönlich gemeint, und da soll jeder für sich entscheiden, ob es für ihn so etwas wie unnützes Wissen gibt.

Ich für mich:
möchte erst einmal das Wort “unnütz” infrage stellen – muss es denn nicht eher unbrauchbar heißen?
Und bezieht sich das dann nicht auf den jeweiligen Moment?
Was heute unbrauchbar ist, kann es zu einem anderen Augenblick nicht mehr sein.
Und vor allem: was ich mein Leben lang als wichtig und brauchbar empfunden habe, kann unnütz werden.

Ich für mich habe mein Leben lang jeden Krümel Wissen als sinnvoll angesehen und aufgesogen, allein deshalb, weil ich von meiner Art und von meiner Erziehung her auf Wissenserwerb konditioniert war.
Das ist nicht mein Verdienst, es ist eine Erbschaft. So habe ich das auf meinen Lebensweg mitbekommen.
Das ist bei jedem Menschen anders, aber ich habe früher dazu tendiert, Menschen mit weniger Wissen schief anzusehen.
Mir kam ein hohes Wissen als unentbehrlich, unerlässlich, als über-lebenswichtig vor.
Es erschien mir als einzig erstrebenswertes, in seinem Leben viel Wissen zu horten.
Man sagte mir nach, mich nicht mal mehr verständlich ausdrücken zu können. Ich sprach verschraubte Sätze und benutzte offenbar Fachbegriffe ohne Ende, deren deutsche Übersetzung mir auf Befragen schwer fiel. Ich habe nicht verstanden, wie Mensch NICHT nach Wissen streben könnte und war irritiert, wenn ein Großteil der Menschen nicht jubelschreiend weitere Kurse, Studien und sonstige Lerngelegenheiten mit beiden Händen ergriffen.

Es haben sich FÜR MICH in dieser Lebensbetrachtung viele Dinge verändert in den vergangenen 10 Jahren.
Ich habe sehr liebenswerte Menschen kennengelernt, die nicht so schrecklich viel Wissen (in meinem Sinne) erworben hatten und die ganz andere Dinge für sich in ihren Lebensvordergrund gerückt haben.
Im Gegensatz zu meinen vorher gemachten Erfahrungen, begann mein Wissen in diesem Umfeld nach und nach nicht nur an Bedeutung zu verlieren, sondern es begann teilweise unnütz zu werden. Ich lernte um, weil ich sah, dass es noch viel mehr auf der Welt gab, als ein Nachschlagewerk immensen Ausmaßes in den Tiefen des Hirnkastens mitzuschleppen.

Ohne das nun im Einzelnen zu erläutern und diesen Beitrag in einen nicht mehr lesbaren Absatz von unbrauchbarem Wert für andere zu verwandeln, frage ich mich angesichts dieser Thematik ob man das nicht auch völlig anders sehen könnte.

Wenn ich einmal die Augen zumache, verschwindet eine Menge unnützes Wissen.

--> Ist nicht Wissen nur DANN nicht unnütz, wenn es anderen nützen, anderen dienen kann?

Stagnation im oben genannten Sinne ist demnach nur für einen selbst eine beängstigende Lebenskomponente - WEIL man so konditioniert ist. Weil man "Wissen" in einer bestimmten Weise bewertet. Über-bewertet?

erafina
pschroed
pschroed
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich unnützes Wissen?
geschrieben von pschroed
Unnützes Wissen.

Gibt es vieles, all das Wissen was ich mir gezielt zum Ausführen meiner Task 40 Jahre in meinem Arbeitsleben angeeignet habe ist praktisch wertlos. Das einzige was bleibt ist die Fähigkeit den Muskel Gehirn gut trainiert zu haben sowie Probleme gelöst sowie damit extreme Belastungen ausgehalten zu haben.

Ich beherrsche 4 Sprachen, aber solange ich kein Engländer oder Deutscher oder Franzose als Gesprächspartner habe was soll´s ?

Man kann die ganze Weltgeschichte auswendig lernen, wenn man möchte kann man Telefonbücher, Lexikone speichern, das Gehirn hat diese Fähigkeit.

Aber warum ? Für mich persönlich ist das alltägliche nicht komplizierte die ideale Form der Kommunikation, sowie des Überlebens.

Phil.
miriam
miriam
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich unnützes Wissen?
geschrieben von miriam
als Antwort auf pschroed vom 25.07.2013, 12:49:34
Als erstes möchte ich klarstellen: qilins Thread "Unnützes Wissen" war für mich so etwas wie ideengebend oder Inspirationsquelle für dieses Thema.

Ist es uns denn immer bewusst welches Wissen in welcher Lebenslage nützlich gewesen ist?

Persönlich empfinde ich es eher vergleichbar mit einem déja-vu – anders ausgedrückt: das Neue baut auf etwas was mir nicht völlig unbekannt ist, ohne dass ich mich fragen möchte wo ich etwas Ähnliches schon gehört oder erlebt habe.

Orientierungshilfen oder zusätzliche Erklärungen benötige ich trotzdem des Öfteren – aber schon die Suche danach, fällt mir nicht schwer – bzw. macht mir oft Spaß.
Bei mir persönlich macht sich aber auch die Tatsache bemerkbar, dass ich die letzten 23 Jahre meines Berufslebens, in der computerunterstützten Dokumentation tätig gewesen bin.

Aber ist es nicht so - dass Wissen immer auf Wissen baut?

Deswegen scheint es mir wichtig, dass schon in frühen Jahren dieses Fundament erbaut wird.
Und ich teile die kritische Haltung von Richard David Precht, bezüglich unseres Schulsystems.

Miriam
erafina
erafina
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich unnützes Wissen?
geschrieben von erafina
als Antwort auf miriam vom 25.07.2013, 13:45:32
Das Schulsystem wird immer schon kritisiert, da braucht auch der Herr Precht nicht in der Reihe zu fehlen. Ob Gerhard Hüther oder Frau Birkenbihl, um mal die Bandbreite zu erfassen, haben alle Kritik geübt. Ich habe philosophische Gedanken auch immer bewundert. Aber man kann auch ohne sie auskommen, habe ich immer mehr festgestellt.

Ich habe Precht gehört, damals zu dem hübschen Thema „Wer bin ich und wenn ja, wie viele“.
Herr Precht versteht es nach meiner Auffassung, mit seiner rhetorischen Begabung genau das zu formulieren, was das Publikum hören möchte. Sich hinzusetzen und ein bestehendes System zu hinterfragen und zu kritisieren ist keine Leistung. Praktische Entwicklung neuer Arten des Lernens finde ich da angesagter.

Da würde ich es eher mit Hüther halten, der sich auf die Erkenntnisse zur Arbeit des Gehirns bezieht. Oder auf eine andere Art lernen zurückgreifen, wie die von Frau Birkenbihl entwickelten Methoden.

Aber mal abgesehen davon:
das was zum Beispiel an Montessori-Schulen anders vermittelt wird als an normalen Schulen, ist bisweilen absolut unverständlich. Man kann jede ausgedachte Art des Lehrens in intelligente Worte packen, wenn man sie begründen will. Etwa so, wie manch ein Künstler sich nach Vollendung seines Werkes bisweilen auszudenken scheint, was es zu sagen haben soll.

Selbstverständlich baut jedes Lernen irgendwie aufeinander auf.

Trotzdem gibt es Menschen, die auch ohne früher in der Schule eine Leuchte gewesen zu sein, später nach mehr streben. Die Schule ist es meiner Auffassung nach nicht. Ein Hauptschüler mit abgebrochener Schulbildung kann unter Umständen einem großen elektronischen Konzern als Koryphäe gelten.

Und jetzt kommt der PC aus, diese Zusatzheizung.
Ich mache jetzt mal was völlig denkfeindliches -ich höre meinen Krimi weiter und trinke ganz viel. Das ist gut für das Gehirn.

Wünsche allen einen entspannten Tag

erafina

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