Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Kann das denn gut gehen?

Innenpolitik Kann das denn gut gehen?

wandersmann
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RE: Kann das denn gut gehen?
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf Karl vom 11.07.2018, 10:06:40

Die lebenslange Haftstrafe gegen Zschäpe wurde verhängt wegen:

- 10-fachen Mordes,
- Beteiligung an mehreren Raubüberfallen auf diverse Sparkassen
- Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Keiner dieser Anklagepunkte konnte ihr aber nachgewiesen werden, der Richter geht in seiner Begründung sogar davon aus, dass sie sich vermutlich nie an den Tatorten der Verbrechen aufgehalten hat, dass Urteil also auf bloßen Vermutungen des Gerichts basiert. Dass man dafür in einem Rechtsstaat lebenslänglich bekommen kann,  ist schon erstaunlich, und kann somit als politisches Urteil gewertet werden, dass darüber hinaus sicher schon eine ganze Weile feststand.  (Bevor der Deppenaufstand kommt: NEIN, ich bin kein Sympathisant von Zschäpe, wohl aber ein Anhänger von Rechtsstaatlichkeit). 
Die mutmaßlichen Mörder leben nicht mehr, könenn also auch nicht verurteilt werden. Zschäpes "Pech" war, als einzige des Trios übrig geblieben zu sein, und nun quasi stellvertretend diese lebenslange Haftstrafe bekommen hat. Würden beide noch leben, würden sie lebenslänglich bekommen, das Urteil gegen Z. wäre sicherlich geringer ausgefallen.

Sehr großzügig ausgeblendet, und da gebe ich Dir Recht karl, wurden die Vernetzungen  des Thüringer LKA's, und des BND mit der rechten Szene, die Vernebelungen und Vertuschungen dieser Behörden während des NSU-Untersuchungsausschusses (nachzulesen in den Abschlussberichten). Daran wird sich vermutlich auch nichts mehr ändern.

Und wetten, dass mit dem Verweis auf die Demonstrationsfreiheit morgen in irgendeiner deutschen Stadt ein Naziaufmarsch stattfinden darf, mit ausdrücklicher Genehmigung irgendeines Richters und Eskortierung durch die Polizei, das ist dann wieder alles rechtens?
 
Edita
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Mitglied

RE: Kann das denn gut gehen?
geschrieben von Edita
als Antwort auf wandersmann vom 11.07.2018, 13:04:48
Und wetten, dass mit dem Verweis auf die Demonstrationsfreiheit morgen in irgendeiner deutschen Stadt ein Naziaufmarsch stattfinden darf, mit ausdrücklicher Genehmigung irgendeines Richters und Eskortierung durch die Polizei, das ist dann wieder alles rechtens?
 
Und ....... mit dem Verweis auf die MEINUNGSÄUßERUNGSFREIHEIT, im Volksmund auch als Meinungsfreiheit bekannt.
Darin nicht includiert sind z.B. :
Der Schutz gegen Beleidigungen oder Verleumdungen,
der unlautere Wettbewerb durch üble Nachrede über die Produkte eines Mitbewerbers
Die Grenze der öffentlichen Sicherheit
Die Grenzen der Sittlichkeit
Die Grenzen des Jugendschutzes
Die übermäßige Kritik an Staatsoberhäuptern, Gerichten oder sonstigen Vertretern des Staates
Die Weitergabe geheimer Informationen

Als Ottonormalfrau geht mir persönlich auch Vieles zu weit, manchmal denke ich auch - das ist jetzt ein NoGo - vor allen Dingen auch wenn es mit hohen Kosten verbunden ist, aber vielleicht können Verfassungsrechtler die Konsequenzen, wenn es nicht so wäre, besser einschätzen als ich!

Edita
qilin
qilin
Mitglied

RE: Kann das denn gut gehen?
geschrieben von qilin
als Antwort auf wandersmann vom 10.07.2018, 22:45:13
Ja natürlich, das ist die billige Mainstreampolemik, die versuchte Gleichsetzung des Nachkriegsumgangs mit Nazis in Ost und West. Ihr wisst doch aber  selber ganz genau , dass es nicht so war, das die Unterschiede signifikant waren.
Fangt an, seriös zu argumentieren, dann erst kann ein lohnenswerter Gedankenaustausch entstehen.
 
Also in dem verlinkten Text des MDR sehe ich durchaus konkrete Angaben - einfach ohne Beleg
zu behaupten das wäre 'billige Mainstreampolemik' ist m.E.  keine seriöse Argumentationsweise.

() qilin

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Mitglied_2500b0c
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RE: Kann das denn gut gehen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf qilin vom 11.07.2018, 13:56:39

Die Auseinandersetzung und Aufklärung über die Nazizeit, warum, ab wann , wie und Folgen war ausgiebiger Schulstoff, sodas jeder Schüler bestmöglich Informiert war.
Das in Staatlichen 
Führungspositionen keine Altnazis sassen, hat Wandersmann schon geklärt.
Sollten in unteren Chargen welche gesessen haben, waren sie gut überwacht.
Wenn in Deutschland eine  strikte Aufarbeitung dieser Zeit erfolgte, dann absolut in der DDR.
Da haben doch die Russen sofort Alles abgeholt, was bei Hitler als Funktionsträger tätig war oder sich  Verbrechen an der Bevölkerung oder 
Kriegsverbrechen   schuldig gemacht hat.
Es ist doch bekannt, das unzählige Nazis kurz vor und nach Kriegsende in den Westen gerannt sind.
 

wandersmann
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RE: Kann das denn gut gehen?
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf qilin vom 11.07.2018, 13:56:39

@ qilin

Sicherlich sind die Beispiele vom mdr vernünftig recherchiert worden und auch zutreffend, dennoch sind das in der Summe doch Ausnahmen, ungeliebte Kompromisse, die aus der Not heraus unmittelber nach Kriegsende gemacht werden mussten, um überhaupt einen Wiederaufbau angehen zu können. Auch in meiner Schule gab es Ende der 60-er noch einen Lehrer, der vormals NSDAP-Mitglied war. Ansonsten wurden diese nach dem Krieg aus dem Schuldienst entfernt, weil für die Bildung der Kinder nicht mehr tragbar. Den daraus resultierenden Lehrermangel kompensierte man mit sog. Neulehrern, die in der Anfangszeit abends das lernten, was sie am nächsten Tag ihren Schülern vermittelten.
Schon gar nicht lässt sich damit ein Nachweis herbeizaubern, im Sinne von, dass die antifaschistische Grundhaltung der DDR nur vorgeschoben war.
Offensichtlich hätten die heutigen Geschichtsschreiber aber genau das gern, und sie scheinen große Not zu leiden, evtl. zugeben zu müssen, dass es in der DDR eben auch Positives gegeben hat. Und wenn schon zugegeben wird, dass sich die DDR den Antifaschismus auf die Fahnen geschrieben hatte, dann folgt immer auch gleich der Verweis, dass dieser ein von oben verordneter war. Ja meine Güte, und wenn - dann war es eben Staatsdoktrin. Und das war gut so. Das ganze Theater im Osten ging doch erst nach der Wiedervereinigung los.
 

Edita
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RE: Kann das denn gut gehen?
geschrieben von Edita
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.07.2018, 15:28:30

Wenn in Deutschland eine  strikte Aufarbeitung dieser Zeit erfolgte, dann absolut in der DDR.
Da haben doch die Russen sofort Alles abgeholt, was bei Hitler als Funktionsträger tätig war oder sich  Verbrechen an der Bevölkerung oder 
Kriegsverbrechen   schuldig gemacht hat.
Es ist doch bekannt, das unzählige Nazis kurz vor und nach Kriegsende in den Westen gerannt sind.
 
Ja - aber nur wenn Kommunisten die Opfer waren, die breite Masse der Opfer – den Juden, Behinderten, den Roma und Sinti galt keine große Aufmerksamkeit, denn sie waren "nur" passive Opfer, und waren aus Sicht der SED keine Widerständler.

Die Nazi-Erblast in der DDR

Edita

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olga64
olga64
Mitglied

RE: Kann das denn gut gehen?
geschrieben von olga64
als Antwort auf Karl vom 11.07.2018, 10:06:40
Soeben wurde Beate Zschäpe zu lebenslanger Haft verurteilt.

Dieser Prozess, der sich über 5 Jahre hinschleppte, endet somit zwar mit einer angemessenen Strafe für diese Frau, aber er ist trotzdem sehr unbefriedigend verlaufen, weil das rechtsradikale Netzwerk dahinter nicht aufgedeckt wurde und weiter existent ist.

Karl
geschrieben von karl
Leider ist das noch nicht so: das Urteil wird erst rechtskräftig, wenn die Niederschrift vorliegt. Dafür gibt es zeitliche Vorschriften. Es kann gut sein, dass bei der Länge dieses PRozesses und dem daraus resultierenden Umfang der Urteil-Niederschrift   ca 1 1/2 Jahre benötigt werden.
Da auch die Verteidiger von Frau Zschäpe noch im Gerichtssaal verkündeten, in Revision gehen zu wollen, wird man bei der Niederschrift des Urteils auf jedes Komma achten müssen, um keine Angriffsflächen in juristischem Sinne zu bieten.

'Erst wenn dem BGH dann die Niederschrift vorliegt (also in vielleicht 1 1/2 Jahren) beginnt die Laufzeit für die Revision, was wiederum Jahre dauern kann.
Zwischenzeitlich werden auch die Verteidiger umfangreich und zeitintensiv ihre Revisionsschriften verfassen.
Man rechnet derzeit damit, dass seine Revisionsentscheidung  erst ca 2022 erfolgen kann.
Allerdings wird der verhandelnde Richter Götzl die Niederschrift des Urteils wohl zeitnaher verfassen ,weil er in 2019 in Pension geht und es sich bestimmt nicht nehmen lässt, unter diesen Jahrhundertprozess (der auch Rechtsgeschichte schreiben wird) seine Unterschrift zu setzen.
Bis zum völligen Abschluss (auch der Revisionsentschseidung) bleibt Frau Zschöpe UNtersuchtungsgefangene, was in den Abläufen einer Haftanstalt und dem Prozedere gewisse Vorteile für sie bietet.

Zu milde finde ich persönlich die Urteile gegen die Mittäter, insbesondere Herrn Wohlleben; hier forderte die Staatsanwalt 12 Jahre - bekommen hat er 10 Jahre; vermutlich gehen auch seine Anwälte in Revision, die übrigens alle der rechten Szene zugerechnet werden können. ER sitzt ja auch schon ca 5 Jahre und es kann gut sein, dass er nach Abschluss einer Revision sofort freikommen wird, wenn die U-Haft entsprechend angerechnet wird.
Einer der Mittäter, der 3 Jahre erhielt, wurde schon bei der Urteilsverkündigung freigelassen.
Ein wenig kommt mir das so vor, dass diese Szene nichts dagegen hat, wenn Frau Zschäpe (die für diese Leute keinen Wert mehr hat), im Knast versauert, aber die anderen braunen Führertypen bald weitermachen können. Es ist auch bekannt, dass Herr Wohlleben aus dem Knast heraus seine Strategien weiterführte; dafür sprechen auch die Typen, die sehr oft beim Prozess anwesend waren mit geschmackvollen T-Shirts und der Aufschrift: Free Wolle.
Ganz wichtig finde ich auch - wie heute erklärt wurde - dass die Generalstaatsanwaltschaft ebenfalls ermittelt, wie und wo das Umfeld dieser Mördertruppe bis heute tätig ist und inwieweit staatliche Behörden, Verfassungsschutz usw. hier ihre Finger im bösen Spiel hatten. Dies war kein BEstandöteil dieses Strafprozesses, wird aber hoffentlich bald einen neuen Prozess ins Leben rufen, wofür schon einige sehr aktive Anwälte der Nebenkläger Sorge tragen werden.
Es war ja anfangs so, dass diese Hinrichtungen türkischer Bürger diesen selbst in die Schuhe geschoben wurden, in dem man das Gerücht in Umlauf brachte, es sei die türkische Mafia. Das sollte auch immer wieder erwähnt werden, wie ich finde. Olga
olga64
olga64
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RE: Kann das denn gut gehen?
geschrieben von olga64
als Antwort auf wandersmann vom 11.07.2018, 13:04:48

Die lebenslange Haftstrafe gegen Zschäpe wurde verhängt wegen:

- 10-fachen Mordes,
- Beteiligung an mehreren Raubüberfallen auf diverse Sparkassen
- Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Keiner dieser Anklagepunkte konnte ihr aber nachgewiesen werden, der Richter geht in seiner Begründung sogar davon aus, dass sie sich vermutlich nie an den Tatorten der Verbrechen aufgehalten hat, dass Urteil also auf bloßen Vermutungen des Gerichts basiert. Dass man dafür in einem Rechtsstaat lebenslänglich bekommen kann,  ist schon erstaunlich, und kann somit als politisches Urteil gewertet werden, dass darüber hinaus sicher schon eine ganze Weile feststand. 
 
Allmählich entwickeln Sie sich wirklich zu einem "Meister" in der VEröffentlichungvon Halbwahrheiten, so z.B. "vergassen"Sie bei Ihrer o.g. Aufzählung, dass Frau Zschäpe auch zeitgleich mit dem Selbstmord ihrer Kumpane da Wohnhaus in Zwickau anzündete und damit u.a. ihre betagte Nachbarin in Lebensgefahr brache (natürlich hat sie als Tierfreundin vorher an ihre beiden Katzen gedacht und sie in Sicherheit gebracht).
Sie ist Mittäterin dieser 10 Morde und hat dies selbst bei ihrer Einlassung vor Gericht durch ihre Anwälte ausgeführt: sie erfuhr von den Morden immer im Nachhinein, wurde dann "sauer" und kürzte den Kumpanen die Weihnachtsgeschenke. Ausserdem war sie, wie sie ausführte, dann so deprimiert, dass sie täglich einige Flaschen Sekt konsumieren musste und sich nicht mehr ausreichend um die Katzenpflege kümmern konnte.
Den naheliegenden Schritt, z.B. nach dem ersten Mord ihrer Kumpane zur Polizei zu gehen, nahm sie nicht wahr, weil sie den Suizid ihrer beiden Liebhaber befürchtete (der dann sowieso erfolgte) und lange Haftstrafen für sich selbst (was auch nun so sein wird).
Nachdem sie das Haus anzündete, versandte sie die vorher von ihr hergestellten Bekenner-Videos mit dem zynischen Titel Paulchen Panther, wo diese Morde erklärt wurden und zudem Listen gefunden wurden, wer als nächstes dran sein würde.
Mittäterschaft setzt voraus, dass der Täter (die Täterin) durch seinen Beitrag Einfluss auf dieTatausführung nehmen kann. DAzu ist entscheidend, dass sie die Hoheit über Finanzen, Kommunikation und die jahrelange Aufrechterhaltung dieser Mördergruppe massgeblich beeinflusste. Sie war ein wichtiger, integraler Bestandteil dieser Gruppe und für solche Taten ist lebenslänglich eine adäquate Bestrafung.

Im Gegensatz zu Unrechtsstaaten, wo Urteile schon vorher feststehen (der Autor wird dies sicher selbst so erlebt haben in einer Diktatur, die schon lange nicht mehr existent ist), gibt es bei uns als nächst höhere Instanz das BGH, das sehr akribisch arbeitet und für die Revision auch dieses Urteil zuständig ist.
Allerdings vernimmt der BGH keine Zeugen, schaut sich auch keine Spuren an. Der BGH überprüft Urteile auf Plausibilität und juristische und auch gesetzliche GRundlagen. Dies wird gemacht - bis dahin verbleibt Frau Zschäpe in Untersuchungshaft (auch anders als in Diktaturen).
Olga
 
schorsch
schorsch
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RE: Kann das denn gut gehen?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf olga64 vom 12.07.2018, 15:05:25

Auch die "heiligen" Hintermänner und Drahtzieher, die verblendete Muslime zu Selbstmord-Attentaten anstiften, morden nicht selber. Sie lassen nur morden. Und sie sind abgefeimt genug, ihre Zeugen mittels Selbstmord auch noch gleich aus dem Weg zu räumen!

wandersmann
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RE: Kann das denn gut gehen?
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf olga64 vom 12.07.2018, 15:05:25

@ olga 64

Nicht ich bin ein Meister im Verbreiten von Halbwahrheiten, sondern vielmehr hat dieser Prozess gezeigt, dass die Ermittlungsarbeiten, die zu diesen Urteilen führten,  dieses Prädikat sehr wohl verdient hätten.

Das kann ich so mit Bestimmtheit sagen, da nahezu sämtliche Akten, die für diesen NSU-Prozess zur Verfügung standen, geleakt, und bereits vor mehreren Jahren ins Netz gestellt wurden.

Der zuständige Blogger nennt sich "fatalist", die von ihm geleakten Akten stellte er frei zugängig im internet zur Ansicht. Ich habe sie mir so weit es möglich war runtergeladen.

Hier mal ein Interview von "3sat" mit ihm.
 


Dass nun, nach dem Urteil, die Ermittlungen nach weiteren Hintermännern und Vernetzungen mit BKA, BND und dem LKA Thüringen weitergeführt werden, ist nicht mehr, als ein frommer Wunsch. Gestern wurde bekannt, dass es im hessischen LKA für eine große Anzahl von Unterlagen zum NSU, die Rede war von rund 900 Seiten, eine Sperrfrist zur Einsicht von 120 Jahren verfügt wurde.
D.h., dass bereits im Jahr 2138 die Möglichkeit besteht, die Ermittlungen tatsächlich zu Ende zu bringen.
Na dann:Toi-toi-toi!

Quelle

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