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Innenpolitik Wir Älteren und die Nazizeit

Michiko
Michiko
Mitglied

RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von Michiko
als Antwort auf santos vom 28.07.2023, 13:19:56

Trivialität ist nie ein gutes Transportmittel für kritisches Denken, aber es gibt immer noch sehr gute Filme die  nachdenklich machen. Besonders hat mich der kürzlich wieder gezeigte Film "Wannseekonferenz" beschäftigt und zur Diskussion mit meinen Enkelmädchen angeregt. Wer will kann auch aus dem trivialen Bild kritische Inhalte schöpfen. Wichtig ist doch, dass wir aufmerksam auf unsere Umwelt achten und handeln und wenn nötig mit unseren Möglichkeiten eingreifen. Das mag sehr romantisch klingen, aber der Versuch ist es immer Wert mit Menschen und deren schrägem Weltbild ins Gespräch zu kommen.

Santos 
Das ist richtig, zu dem Film "Wannseekonferenz" hatten wir hier sogar einen eigenen thread. Heute glaubt man es kaum, wie diese Leute an einem Tisch sitzen konnten, ganz zu schweigen von dem Vokabular, das sie benutzten und sich einig waren,  Millionen Menschen umzubringen .. einfach so

Was der eine für trivial hält, mag ein anderer völlig anders sehen. Zudem gibt es jede Menge Dokumentationen, aber auch TV-Serien und Spielfilmen würde ich kritisches Denken nicht absprechen. "Unsere Mütter, unsere Väter" habe ich nicht trivial empfunden.


Michiko
aixois
aixois
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von aixois
als Antwort auf Malinka vom 28.07.2023, 11:28:42

dass es im NS-Deutschland nicht keine Moral gab, sondern eine andere, eben nationalsozialistische. Eine, in der es Mitgefühl, wie es heute verstanden wird, nur um die eigenen, die Herrenmenschen gab, nicht jedoch mit jenen, die sie als Untermenschen oder Missratene verstanden und kalt, tödlich kalt behandelten.
 

Mir klingt dabei die Weihnachtsrede Rede Hitlers an die SS Offiziere ihm Ohr und ich fühle noch heute mein Schaudern als ich sie als 14 Jähriger zum erstenmal hörte :

"„Vogel friss, oder stirb“
„Setze Dich durch, oder werde vernichtet“
“Erhalte Dir Dein Leben, oder gib es für Andere!“
Die Natur kennt keinen leeren Raum, sie kennt auch keinen Stillstand.
Sie ist nicht barmherzig, sondern sie ist entschlossen, und sie ist damit doch ewig weise.
Sie proklamiert, dass diese Erde nur dem gehören soll, der sie verdient, der tapfer ist, der mutig ist, und das der Andere zu gehen hat.



Das ist hart, aber wir haben die Welt als Menschen nicht so erschaffen, sie ist schlichtweg von Natur aus so! Es ist unsere Aufgabe, sie zu begreifen und uns dann in dieser Welt zu behaupten.
Wenn es im Frieden geht, dann im Frieden, wenn es nicht im Frieden geht, dann muss es eben anders gehen"


So manche Aussagen dieser Tage ähneln verblüffend einem neo-völkischen Naturverständnis, einer Moral des "gelobt sei, was hart macht", " viel Feind viel Ehr "  und ähnlicher, längst verblichen geglaubter Kraftmeiereisprüchen aus unseligen Zeiten deutscher Geschichte, Sprüche, die ihre Wurzeln in alten preussischen Tugenden hatten, die von der Mehrheit der Deutschen bewusst propagiert wurden oder (von den Schwachen)  leidend ertragen werden mussten.


Die deutsche Angst, die Untergangs-Zwangsvorstellungen, sind Teil der narzisstischen Züge des Denkens und Handelns einer (ich vermute) Mehrheit von Deutschen, besonders vertreten - nach meinem Verständnis - von den rechtsradikal- neokonservativen Nationalisten, wo die Täter -Opfer Umkehr, die Schuldzuweisung auf andere (Ausländer , Flüchtlinge, usw.), die Sehnsucht nach der alten Herrschaftsordnung und ihrer Werte, der Rückzug aufs Nationale,  zum  - leider wieder gesellschaftsfähigen -  Erscheinungsbild gehört.

Dieses tendenziell mitschwingende "Sich über andere Erhebende" scheint mir typisch deutsch zu sein, jedenfalls kann ich es bei den anderen aufkommenden Rechtsregierungen in der EU nicht erkennen.

Wir sind die Größten, wir zahlen am meisten in die EU (und bekommen nichts dafür...) und neuerdings auch diese allzu bereitwillige Akzeptanz einer (auch militärischen ) Führungsrolle Deutschlands in der EU sind dafür symptomatisch Ansprüche, die von keinem anderen Land so vertreten werden.

Wie nannte es einer: die unvollendete Aufklärung der Deutschen, denen die Demokratie immer geschenkt wurde oder in den Schoß fiel, die sie nie erfolgreich sich erkämpfen mussten. Eine Fortsetzung von 1848 war nötig, hat aber nie stattgefunden bzw.wurde als staatsfeindlich verfolgt und unterdrückt.
Edita
Edita
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von Edita
als Antwort auf Rispe vom 28.07.2023, 13:36:04

Geht mir genau so, drum regt mich das auch nicht auf, aber ich bin sowieso auch kein Filmegucker, nicht vom Sofa aus, wenn dann Kino und da war ich schon ewig nicht mehr!
Im TV bevorzuge ich Dokus und Naturfilme!

Und daß es in Deutschland keinen einzigen Nazi, außer denen. die in Nürnberg verurteilt wurden, gegeben hat, daß habe ich schon in der Schule gelernt!     😈👺
Die 8,5 Mio. NSDAP-Mitglieder wurden wahrscheinlich alle in die Partei geprügelt, die armen Menschen!   😇

Ist doch jetzt das gleiche Theater mit der AfD!


Edita
 


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olga64
olga64
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von olga64
als Antwort auf teri vom 27.07.2023, 20:13:14
Ich zerfetze weder Länder noch Menschen.

Mein Vater war Wiener und ein Grossteil meiner Verwandten waren und sind Österreicher, aber ich lebe in Deutschland.
Sie aber leben in Wien und konzentrieren sich seit Jahren darauf, deutsche Problematiken - oder Dinge,die Sie so sehen - anzuprangern und diese vielen, vielen unappetitlichen österreichischen Angelegenheiten zu ignorieren.
In welchem Land wählen Sie eigentlich? Olga
Tja Olga, jeder hat unterschiedliche Verwandte mit unterschiedlichen Anschauungen.

Ich lebe in Wien.

teri
geschrieben von teri
Seltsame Antwort - wenn ich Sie frage, wo Sie wählen - erhalte ich die mir längst bekannte Antwort, Sie würden in Wien leben, aber deutsche Staatsbürgerin sein.
Antwort nicht erforderlich, weil ich sie vermutlich nicht ernst nehmen kann.

Meine österreichischen Verwandten und Freunde, die in Österreich leben und wählen, sind übrigens entsetzt, wie erfolgreich die FPÖ in Ösi-Land wieder wird. Dies hat damit zu tun,d ass sich die Österreicher auch in vielen Jahrzehnten nie darum bemüht haben, ihre braune Vergangenheit aufzuarbeiten. Am liebsten erklären sie ja bis heute uns Deutsche zu Einzeltätern, obwohl sie selbst auch ausser der Tatsache, uns den unbegabten Postkarten-Maler geschickt zu haben, noch einiges mehr am Kerbholz haben. Olga
schorsch
schorsch
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Edita vom 28.07.2023, 15:21:13

Bitte nicht ausser acht lassen: Hätte man anno 1945 bis 1950 alle, die einmal flotte Nazis waren, gehängt, wäre ein Wirtschaftswunder gar nicht möglich gewesen.

Rispe
Rispe
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von Rispe
als Antwort auf Edita vom 28.07.2023, 15:21:13

Ich sehe mir eigentlich gerne Spielfilme an, aber nicht die historischen Schinken, die mit dem Anspruch der Aufklärung daherkommen und doch meistens nur Schmonzetten sind.  Leider gibt es generell zu viel Kitsch im Deutschen Fernsehen.
Gerade vor einigen Tagen habe ich den Film Die Unschärferelation der Liebe im Kino gesehen, mit den wunderbaren Schauspielern Caroline Peters und Burkhard Klaußner.
Das war ein schöner Liebesfilm, aber kein bisschen kitschig, eher mit Witz und Humor.
So etwas kommt leider zu selten im Fernsehen dank Degeto und Frau Strobl, die für das Program verantwortlich ist. Das Meiste da ist trivialer Mist. Oder Krimis, die finde ich dann noch eher erträglich.

Na ja, hat alles nichts mit dem Thema hier zu tun, sorry für die Abschweifung 😉


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Edita
Edita
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von Edita
als Antwort auf schorsch vom 28.07.2023, 16:50:45

Das Wirtschaftswunder haben uns die Gastarbeiter beschert und nicht die übriggebliebenen heimlichen Nazis! 


Edita

olga64
olga64
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von olga64
als Antwort auf Edita vom 28.07.2023, 15:21:13

Liebe Edita und Rispe,

ich schaue mir nach Jahrzehnten auch die Schwarz-Weiss-Dokus im Fernsehen über die Nürnberger Prozesse usw. nicht mehr an. Da kann ja nichts Neues mehr kommen.

Dieses Wochenende gehen wir jedoch wieder mal ins Kino. Uns interessiert der Film "Oppenheimer", also über den Mann,der in sehr kurzer Zeit die Atombombe erfunden hat, die zum ersten Mal "probehalber" in New Mexico (USA) gezündet wurde.
Das hat einen sehr starken Bezug zu Deutschland,denn der Amerikaner Oppenheimer war Kind einer deutsch-jüdischen Auswanderer-Familie in die USA, studierte auch teilweise Physik in Deutschland.
Die Bombe, die er erfand, war ursprünglich geplant zur Zerstörung von Nazi-Deutschland. Da wir aber so viel Glück hatten, vorher von den Alliierten befreit zu werden, wurde sie über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen - Japan war auch beteiligt am 2. Weltkrieg und auf Seiten der Nazis zu verorten.

Oppenheimer war dann später gegen die noch gefährlichere Wasserstoffbombe und distanzierte sich mehr und mehr von diesen Forschungsvorhaben, womit seine anfängliche grosse Karriere schnell zu einem Ende kam, auch weil er sich als KOmmunist outete.
ERst lange nach seinem Tod wurde er in den USA rehabilitiert, das war 2022.

Olga

 

JuergenS
JuergenS
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf schorsch vom 28.07.2023, 16:50:45

Diese Tabumeinung ist meines Erachtens zumindest z.T. richtig, denn es waren ja Millionen, die sich real die Hände direkt oder indirekt blutig gemacht hatten. Daß man viele Gastarbeiter zur Umsetzung des Produktions-Anwachsens gebraucht hat, ist sicher ebenfalls richtig.

Rispe
Rispe
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von Rispe
als Antwort auf olga64 vom 28.07.2023, 17:03:25

Ja, um diesen Film wird ja viel Wirbel gemacht. Aber ich glaube, das ist ein sehr anstrengender Film. Und dann drei Stunden! Die Kritiken waren auch nicht durchweg alle gut, ich stell mal eine ein: „Oppenheimer“: Ein konventionelles Biopic mit Starbesetzung
Also ich weiß nicht, ob ich mir das alles zumuten will.

Aber berichte doch mal davon später, wie es dir gefallen hat. Vielleicht sehe ich mir ihn dann doch an. 😉

 


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