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Internationale Politik Die neue Allianz : USA - Türkei

luchs35
luchs35
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Re: Die neue Allianz : USA - Türkei
geschrieben von luchs35
als Antwort auf dutchweepee vom 27.07.2015, 11:01:58
Dutch, ich glaube, hier kann man mal das Öl ausklammern, denn zumindest die irakischen Kurden haben in Kirkuk genug davon. Es geht Erdogan darum, dass die weltweit schätzungsweise 30 Millionen Kurden keinen eigenen Staat nahe der Türkei bekommen. Vor allem ist Erdogan das halbwegs autonome Kurdengebiet Kurdistan ein Dorn im Auge. Der angrenzende schiitische Iran ist kurdenfreundlich, was die sunnitischen Türkei mächtig stört. Unter dem vielleicht nur teils berechtigten Vorwand "Terrororganisation PKK" sind die Kurden in diesem Landesteil der türkischen Willkür ausgesetzt. Nun ist allerdings das Waffenstillstandsabkommen zwischen der PKK Kurdistan und der Türkei wertloses Papier geworden.

Bei allem Verständnis für die Lage der USA im Kampf gegen den IS ist jedoch dieser "Kuhhandel" mit der Türkei gegen die Kurden in Syrien und Irak einfach unfassbar (mich packt schon wieder die Wut!). Die Türkei hat nun einen Freipass, die kurdischen Stellungen in Syrien und Irak anzugreifen.

Luchs
FrauBlattlaus
FrauBlattlaus
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Re: Die neue Allianz : USA - Türkei
geschrieben von FrauBlattlaus
als Antwort auf luchs35 vom 27.07.2015, 10:13:12
Ja Luchs, wie immer werden die Menschen dem zynischen Machtspiel der Politik geopfert. Diesmal trifft es die Kurden, die vor wenigen Wochen noch als nützliche Handlanger gebraucht wurden, um gegen den von Erdogan gepäppelten IS den Kopf hinzuhalten. Jetzt bombardiert er sie mit Unterstützung der Amis, die selbst die Destabilisierung des Nahen Ostens massiv seit Jahren betreiben.
Wir glauben immer, dass wir verschont blieben und das alles sich fernab ereignet. Irrtum, die Einschläge kommen näher. Glaube keiner, dass wir nicht auch auf der Speisekarte stehen.
adam
adam
Mitglied

Re: Die neue Allianz : USA - Türkei
geschrieben von adam
als Antwort auf luchs35 vom 26.07.2015, 18:23:04
Erdogan hat zwei Erzfeinde: Die Schiiten und die Kurden.


Eben Luchs,

ich habe den Verdacht, daß sich Erdogans Gesinnungswandel innenpolitisch erklären könnte. Gelingt es ihm, die Kurden in der Türkei so aufzuwiegeln, daß sie ihren politischen Kampf mit den Waffen wieder aufnehmen, kann ein Verbot der prokurdischen Partei HDP möglich werden und seine AKP hätte die Mehrheit im Parlament. So rückt Erdogans Traum vom "Sultanat" wieder in den Bereich des Möglichen.

Gegen den sunnitischen IS wird Erdogan genauso wenig ernsthaft vorgehen, solange Assad in Syrien noch nicht besiegt ist, wie bisher. Dasselbe gilt m.E. für die Amerikaner. Die wollen Militärstützpunkte in der Türkei, um Russland, die Ukraine und den Iran im Blickfeld zu haben. Nebenbei zeigt Obama der EU, wie Weltpolitik ohne Europa funktioniert. Das Stimmchen von Angela Merkel aus Berlin wirkt doch recht dünn, wie es mahnt. Ein paar Gewehre für die Kurden im Irak ist eben keine Beteiligung an internationaler Verantwortung wie die USA sich das vorstellen. Der EU-Papiertiger ist machtlos und kaltgestellt.

Überlebt Erdogan seine erneute, janusköpfige Politik? Was sagt sein neuer Freund Putin dazu? Erdogans neue, persönliche Machtstrategie kann sich innenpolitisch gegen ihn wenden. Die Mehrheit der Türken schätze ich nicht so ein, daß sie ihr Land für Erdogan im Krieg sehen wollen und militärische Hilfe von der Nato ist nicht zu erwarten. Stürzt Erdogan, käme auch die Zeit der Kurden, eventuell sogar mit dem Öl aus dem Irak.

--

adam

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dutchweepee
dutchweepee
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Re: Die neue Allianz : USA - Türkei
geschrieben von dutchweepee
"...Morgen Dienstag wird sich nun zeigen, welche Strategie die NATO-Partner der Türkei vorschlagen, um dem aktuellen Dilemma zu entkommen. Denn die kurdischen Kämpfer in Syrien und im Nordirak sind eine wichtige Stütze im Kampf gegen den "Islamischen Staat" und natürlich auch im Kampf gegen die syrische Regierung.

Dass sich dabei vor allem die USA wie Goethes Zauberlehrling verhalten, der das geschaffene Chaos nicht mehr unter Kontrolle brachte, scheint hierbei irrelevant zu sein. Denn der Umstand, dass die US-Vertreter lange Zeit gute Beziehungen zu IS-Führer al-Bagdadi und Konsorten aufrecht erhielten, stört offensichtlich niemanden in dieser Riege. Immerhin war die Entmachtung von Baschar al-Assad, dem syrischen Präsidenten, stets das Ziel der US-amerikanischen Agenda, welche jedoch Millionen von Menschen zur Flucht zwang und eine völlig zerstörte Region hinterlässt.

Als Fazit bleibt nur die Feststellung, dass es sich beim NATO-Gipfel am Dienstag lediglich um ein Treffen von Heuchlern geht, die einen gewaltigen Berg von Leichen auf ihrem Gewissen haben. Sofern man überhaupt davon ausgehen kann, dass diese Menschen so etwas wie ein Gewissen besitzen. Denn dieser mörderische Flächenbrand im Nahen Osten geht auch auf ihre Kappe."
dutchweepee
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Re: Die neue Allianz : USA - Türkei
geschrieben von dutchweepee
luchs35
luchs35
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Re: Die neue Allianz : USA - Türkei
geschrieben von luchs35
als Antwort auf FrauBlattlaus vom 27.07.2015, 11:34:09
Wir glauben immer, dass wir verschont blieben und das alles sich fernab ereignet. Irrtum, die Einschläge kommen näher. Glaube keiner, dass wir nicht auch auf der Speisekarte stehen.
geschrieben von FrauBlattlaus:


Da gebe ich dir absolut Recht. Es wäre naiv zu glauben, wir würden von diesen immer näher rückenden "Einschlägen" verschont - vor allem, wenn nun auch noch die Nato mitmischen möchte.

Adam, auf das Machtgesumsel aus Berlin gebe ich in diesem Zusammenhang überhaupt gar nichts – außer dass man dort erkennen möge, dass sämtliche Kniefälle und treuherzigen „Glaubensbekenntnisse“ gegenüber den USA am besten einen Platz in der „Tonne“ finden.
Und was hat sich wohl die Verteidigungsministerin v.d. Leyen gedacht, als sie ziemlich beleidigt die beiden Neu-Verbündeten darauf hinwies, dass Deutschland doch die Peschmerga mit Waffen unterstützt habe, deshalb dürfe man doch jetzt nicht…..etc.etc.

Wie naiv oder wie verlogen ist diese Regierung eigentlich?

Luchs

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Re: Die neue Allianz : USA - Türkei
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf luchs35 vom 27.07.2015, 14:25:32
Wie naiv oder wie verlogen ist diese Regierung eigentlich? Luchs

Ich befürchte beides!
Bruny
olga64
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Re: Die neue Allianz : USA - Türkei
geschrieben von olga64
als Antwort auf luchs35 vom 27.07.2015, 14:25:32
Frau von der Leyen ist ja nicht die gesamte Regierung - unsere Kanzlerin äusserte sich ja sehr viel differenzierter. ABer auch Frau von der Leyen wird mit ihrem Stab eine andere Meinung vertreten als sie diese dann spontan verkündete. Es ist natürlich Quatsch, wenn Deutschland denkt, sie könnten die Türkei von diesem Einsatz abhalten.
Es ist eine brandgefährliche Geschichte und m.E. auch schwierig, sie zu beurteilen. Die PKK ist ja auch kein pazifistischer Verein - viele Tausende von Menschen verloren ihr Leben als diese die Türkei attackierte (in Deutschland ist sie auch verboten). Auch jetzt haben sie umgehend zwei türkische Soldaten hingerichtet - .
Ich befürchte,dass dies dem anderen Mörderverein, der IS, sogar in die Hände spielt und ich befürchte auch ganz profan, dass damit ein weiteres Urlaubsland sich ins Aus schiesst. Mir wäre es jedenfalls zu gefährlich, jetzt nach Antalya zu fliegen. Olga
pippa
pippa
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Re: Die neue Allianz : USA - Türkei
geschrieben von pippa
Das Handeln dieses Wolfes im Schafspelz (ich habe Erdogan von Beginn an so gesehen) ist perfide. Seit dem seine Partei bei den letzten Wahlen einen Dämpfer bekam, ist er noch gefährlicher geworden.

Es sieht so aus, als hätte er lediglich auf eine Gelegenheit gewartet, um endlich die aufmüpfigen Kurden auszuradieren.

@luchs
Deine Wut kann ich nachempfinden und teile sie mit dir.
Pippa
olga64
olga64
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Re: Die neue Allianz : USA - Türkei
geschrieben von olga64
als Antwort auf pippa vom 27.07.2015, 17:35:04
Als Aussenstehende bin ich aber mehr dafür, wenn Erdogan und seine Mannen jetzt gegen den IS militärisch vorgehen und nicht - z.B. - junge Menschen auch aus Deutschland dort über die 'Grenze lassen, weil sie in irgendeiner Form mit dem IS kooperieren.
Oder an der Grenze zu Kobane die tapferen Peshmerga im Stich lassen.

Ich hoffe nur nicht, dass sich dies bald zu einem Natoproblem auswächst, z.B. wenn der IS weiter in die Türkei einmarschiert und dort seine Blutspuren hinterlässt. Dann sind die Natomitglieder verpflichtet, hier mitzumischen. Olga

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