Plaudereien Einfach so!

BerndHeinrich
BerndHeinrich
Mitglied

RE: Einfach so!
geschrieben von BerndHeinrich
als Antwort auf Der-Waldler vom 29.12.2021, 14:52:52

Aber die emotionale Nähe fehlte immer, in der ganzen Familie ..... 😢
 

Das tut mir leid, lieber Bernd. Ohne diesen emotionalen Halt, den ich erleben durfte, wäre mein ganzes Leben völlig anders verlaufen.

LG

DW
Ja, wäre sicher auch bei mir anders gelaufen ....
Gott Lob, hatte ich ja, zumindest einige Jahre, Anna (siehe Profil).
ich bin in "Integrativer Therapie" ausgebildet worden. Da gab es, zumindest damals, die Technik des sog. "Hot Seat", bei dem ich sehr oft die "Rolle" meines Vaters eingenommen habe. Ich glaube, bzw. bin überzeugt, dass er schlicht keine Zeit und keine Kraft mehr hatte, um warme und zuwendende Nähe herzustellen. Er selbst war ja auch jemand, der mit dem Verlust eines Lebens(?)traumes umgehen musste. Nach meiner Analyse und als er schon sehr alt war, hat er mir (und nur mir, wohl) etwas erzählt; er hatte den Traum Glocken zu gießen und hatte einen Ausbildungsplatz, als Former ergattert. Dann ist sein Vater/mein Großvater, bei einem Grubenunglück ums Leben gekommen. Die Familie bestand aus Mutter, meinem Vater und 3 jüngeren Schwestern. Als Entschädigung für das Ünglück und den Tod des Vaters, wurde, von der Bergwerksverwaltung angeboten, dass mein Vater als "Lehrhauer" arbeiten könne. Von da an (er war damals 14 Jahre alt), hat er für den Unterhalt der Familie gesorgt.
Sowas macht was, mit einem Menschen.
In der Zeit, als er mir das alles, z.T. unter Tränen, erzählt hat, gab es dann auch, nachträgliche Nähe.

Ich glaub, ich mach mal Pause, vom Erinnerungen (mit)teilen; bin ganz schön aufgewühlt.
Brauch jetzt erst mal das Ruhegebet!

pace e bene (für euch alle)
Bernd
Michiko
Michiko
Mitglied

RE: Einfach so!
geschrieben von Michiko
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 29.12.2021, 14:48:04

So viele Erinnerungen, jedem hier fallen Erlebnisse aus der Kindheit ein, dieser thread liest sich heute wie eine stete Reihenfolge von längst vergangenen Ereignissen und doch so lebendig. Immer wenn ich einen neu hinzugekommenen Beitrag lese, fällt mir auch wieder was ein.
Bei Dir Digi ist es der Wermuttee, den ich auch immer zu trinken bekam, wenn mein Magen in Unordnung war. Kann man heute noch in der Apotheke kaufen. Und ich musste wegen Blutarmut rohe geschabte Leber essen, heute noch kein Problem für mich. Gabs aber in Berlin-Ost nicht, also fuhr meine Mutter nach Berlin-West und kaufte da Leber. Ich esse immer noch Leber gerne und vor dem Braten einen Zipfel roh.....
Häufig gabs bei Oma auch Kohlrübeneintopf mit Schweineschwänzchen, kennt kein Mensch mehr heute, war aber immer schmackhaft. Und Malzkaffee oder Muckefuck, später halb Bohnenkaffee und halb Muckefuck. Meinen ersten Bohnenkaffee durfte ich zur Konfirmation trinken, auch die ersten Absatzschuhe und Perlonstrümpfe, ich glaube, die waren noch mit einer Mittelnaht. 

Nun ja, jetzt ist hier Kaffeezeit mit echtem "Westkaffee"....😋.

LG Michiko

Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Einfach so!
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf BerndHeinrich vom 29.12.2021, 15:17:01

Lieber Bernd,

wieviel wir doch gemeinsam haben. Sowohl den Beruf des Vaters (Lehrhauer) als auch die immer wieder versuchte Nähe zum Vater. Wobei "versucht" das richtige Wort ist. Aber das wurde alles von und durch meine Mutter "kompensiert", so dass ich es erst später "vermisst" habe, dies auch zu meinem Vater empfinden zu können.

Ja, das Erinnern berührt. Und das Ruhegebet ist gewiss ein guter Weg, zur Ruhe zu kommen, ähnlich wie die von mir praktizierte Meditation liebender Güte (die immer auch sich selbst einschließt).

Liebe Grüße

DW


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Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Einfach so!
geschrieben von Roxanna

Die Wünsche für gute Besserung haben geholfen und ich danke euch herzlich dafür. Sogar die liebe @Klara39 ist auf einen Sprung vom nachbarlichen PH gekommen, das hat mich gefreut.

All eure Beiträge habe ich nun nachgelesen, das sprudelt ja nur so und alles hat mich berührt. Es ist so wichtig sich ab und an zu erinnern, denn all das Erlebte von damals hat uns ja geprägt.

Dort, wo ich die ersten Lebensjahre verbracht habe, auf diesem Bauernhof auf der Schwäbischen Alb gab es sicher auch ein Plumpsklo, das die meisten von euch kennen. Vielleicht aber gab es für die Nacht einen Nachttopf 😂.

Ihr, liebe @pippa und @BerndHeinrich habt das Klappbett ins Spiel gebracht. Da tauchen bei mir auch Erinnerungen auf. Als wir von diesem Dorf auf der Schwäbischen Alb nach Ulm umzogen, gab es nur sehr wenig Möbel und anfangs hatte ich kein eigenes Bett. Ich schlief bei den Eltern im „Gräbele“, für Nichtschwaben „Besucherritze“. Ich weiß nicht mehr, wie lange es gedauert hat, bis man für mich auch ein Klappbett angeschafft hat. Das war ja auch eine finanzielle Frage. Ich glaube, meine Großmutter hat etwas dazu beigesteuert. Im winzigen Kinderzimmer stand das Bett meiner Schwester und ein normales Bett hätte da nicht auch noch hineingepasst, also musste es ein Klappbett sein. Ich erinnere mich, dass ich anfangs Angst hatte, es könnte, während ich schlief einfach so mal zusammenklappen. Ich weiß nicht, wie eure Klappbetten aussahen, bei meinem wurde das eigentliche Bett tagsüber hochgeklappt und das sah dann aus wie ein Schrank. Ein Bruder schlief im Wohnzimmer auf einer Klappcouch und der andere kam nur zu Besuch, weil er im Internat war. Er sollte als besonders guter Schüler Förderung bekommen und irgendwie hat man das finanziell hinbekommen. Das ist der Bruder, der die schönen Engel, die ich schon gezeigt habe, gemacht hat.

Was die Nähe angeht zum Vater, habe ich das auch so erlebt wie ihr, lieber @Der-Waldler und @BerndHeinrich . Ich glaube zum einen, dass diese Männergeneration sowieso nicht so Gefühle zeigen konnte, weil das auch damals nicht so üblich war. Ausnahmen wird es sicher gegeben haben. Und zum anderen haben sie durch den Krieg sehr viel erlebt, was sie gar nicht verarbeiten konnten. Mein Vater, Jahrgang 1895 hat sowohl den 1., als auch den 2. Weltkrieg erlebt. Im 1. wäre er beinahe zu Tode gekommen. Das hat sicher so geprägt, dass Gefühle nicht mehr so zugelassen werden konnten. Es ging darum, wieder in ein „normales“ Leben zu finden und emotionale Tiefgänge konnte man sich vielleicht einfach nicht leisten. Vor allem auch, wenn man für eine Familie zu sorgen hatte.

Heute kann man das rational verstehen, aber als Kind war so ein unnahbarer Vater schon sehr, sehr schwierig. Aber ich denke, sie konnten einfach nicht anders. Sich erinnern, lieber BerndHeinrich heißt, sich auch an das zu erinnern, was schwer war und was vielleicht solche Muster gelegt hat, die bis heute immer mal wieder zum Vorschein kommen und vielleicht auch immer noch seelische Schmerzen bereiten können. Gut ist, wenn man die Muster erkennt, da hat der „Heiße Stuhl“ sicher geholfen.

In die Zukunft hineindenken, lieber @JuergenS, das will ich eher auch nicht. Denn was sie wirklich bringt, wissen wir nicht. Mir reicht meine Vergangenheit und die Gegenwart. Ich bin froh, wenn ich das bewältigen kann. Aber als Fantasiereise, wenn es Freude macht, warum nicht.

Aus diesen vielen geschriebenen Erinnerungen könnte man fast ein kleines Buch machen. Einfach schön, dass ihr euch alle so auf dieses Thema eingelassen habt.

Herzlichen Gruß
Roxanna
 

schorsch
schorsch
Mitglied

RE: Einfach so!
geschrieben von schorsch

Das Haus, in dem ich hauptsächlich meine Jugend verbrachte, war ein uraltes Bauernhaus, das so baufällig war, dass es eigentlich zum Abriss vorgesehen war. Weil es aber einen gewölbten Keller hatte, bekam es eine Schonfrist. 2 Betondeckel, die jeder vermutlich mehr kostete, als anno dazumal das ganze Haus, wurden über die beiden Eingänge montiert und der Keller mit Pritschen aus Dachlatten versehen. Sie waren dafür vorgesehen, bei Fliegerangriffen  als Betten zu fungieren, wurden aber nie für anderes gebraucht, als um Obst und Kartoffeln einzulagern für uns beiden Familien, die mit der "Gnadenfrist" zu einer billigen Wohnung kamen.
Die Balken des Estrichs waren so vom Holzwurm zerfressen, dass sich kein Dachdecker getraut hätte, die durch den Sturm weggefegten Ziegel zu ersetzen. Dementsprechend regnete es auch bei jedem Regen in unsere Betten. Und im Winter bildeten sich Eiskrusten an den Tapeten.....

Friedel1900
Friedel1900
Mitglied

RE: Einfach so!
geschrieben von Friedel1900
als Antwort auf Der-Waldler vom 29.12.2021, 14:19:30

So war das nicht gemeint, @der Waldler!

Ich habe fast das ganze Leben am Rande von Berlin und Hamburg gewohnt.
Da ich Heimweh nach Berlin hatte und die Mieten in den Randbezirken ins
Unermässliche gestiegen sind, mußte ich eine schlechtere Variante hinnehme. Da wohnte
ich in der 14. Etage und ringsrum nur Hochhäuser.Das Haus, in dem ich wohnte, war
angenehm und ich hatte viele Kontakte, da ich auch als Integrationshilfe geholfen habe.

 Da habe ich viel Elend, Brutalität, usw.kennengelernt. Einmal bin ich im Fahrstuhl von
Jugendlichen beraubt worden

Nach 5 Jahren hat es mich wieder nach Hamburg gezogen.  ich habe es nicht bereut!

Gruß Astrid

 

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Tina1
Tina1
Mitglied

RE: Einfach so!
geschrieben von Tina1

Ich habe mit großer Interesse die Erinnerungen gelesen. Vieles habe ich genauso auch erlebt und meine Erinnerungen kamen wieder hoch. Wir wohnten in einem alten großen Stadthaus, Plumpsklo draußen im Hausflur und das wurde von zwei Familien benutzt. Warm waren nur zwei Zimmer, das Wohnzimmer und die Küche. In der Küche stand ein alter Herd auf dem dann Wasser heiß gemacht wurde. Zum Anziehen rannte ich immer als Kind schnell in das Wohnzimmer, denn dort war es noch einigermaßen warm.

Das Leben spielte sich im Wohnzimmer ab, denn Küche war zu klein und Kinderzimmer sehr kalt im Winter, kein Ofen. Nach der Schule musste ich den Wohnzimmerofen heizen, bis meine Eltern von der Arbeit kamen. Das hieß, ich musste erstmal Holz u Kohle holen. Mir graute jedes Mal in den Keller zu gehen, denn dort gab es Mäuse u auch Ratten. Ich schlug dann immer mit dem Kohleeimer gegen die Wände u schrie laut. Wir wohnten in der 3 Etage, also musste ich den vollen Kohleeimer bis in die 3. Etage schleppen, war schon schwer. Erst kam zerknülltes Papier rein und darauf dann kleine Holzspatel, die oft nicht brannten. Man machte dann Bohnerwachs dran u dann klappte es. Wenn es schön loderte, kamen die Kohlen darauf. Das Holz hackte mein Vater im kleinen Hof. Die Kohlen wurden angeliefert u. mussten dann per Eimer in den Keller getragen werden. Das Holz wurde in Säcke gestapelt und musste dann auf den Boden getragen werden. Also allein das Heizen war viel Arbeit u ich musste da voll mit machen.

Als ich 18 Jahre war, bekamen meine Eltern dann eine Neubauwohnung. Wir kamen uns vor wie im Paradies. Man stand auf und die ganze Wohnung war warm, denn es gab Fernwärme. Man drehte den Hahn auf u es kam heißes Wasser. Wir hatten plötzlich ein Bad und darin eine Toilette. Wäsche wurde nun im Bad gewaschen, nicht mehr in der kleinen Küche, in einer kleinen Holzwanne, wo man Wasser auf dem Küchenofen heiß machen musste. Das Wasser wurde dann, wenn man fertig war mit waschen, mit kleinen Eimern in die Gosse geschüttet. So lief das dann auch beim Baden, wo man eine größere Zinkbadewanne vom Boden holen musste. Mein Vater hatte später dann einen Ablauf installiert, sodass wir dann über einen Schlauch das Wasser ablassen konnten.

Überall Teppichböden, es wurde nur noch gesaugt, nicht mehr gewischt und die Dielen gebohnert, wie in der alten Wohnung. Außer die sehr kleine Küche und das sehr kleine Bad, da wurde gewischt. Die kleinen Teppiche wurden dann über eine Stange im Hof, mit dem Teppichklopfer ausgeklopft. Das alles fiel mir gerade ein und da könnte man noch vieles andere erzählen.
Tina

Friedel1900
Friedel1900
Mitglied

RE: Einfach so!
geschrieben von Friedel1900
als Antwort auf schorsch vom 29.12.2021, 16:49:35


Mein Vater (geboren 1927) war auch nicht so spendabel mit "Streicheleinheiten" allerdings war
ich die Kleinere und habe mir meine Streicheleinheiten immer selbst von ihm abgeholt, indem ich
auf seinen Schoß gekrabbelte bin und ihn umarmte. Meine Schwester war da zurückhaltender,
allerdings hat er dann auch meine Schwester auf die andere Seite vom Schoß geholt, so dass
sie mit uns kuscheln konnte!

Übrigens wurde mein Vater mit 15 Jahren in den Krieg geschickt, zwar nicht an die vorderste
Front, aber ich glaube er hat vieles mitbekommen. Gesprochen hat er mit uns nie darüber!

Was wird uns die Zukunft bringen?

Da muss ich mir keine Sorgen drum machen. Der Hamburger würde jetzt sagen: Es kütt ...
wie es kütt! (Es kommt, wie es kommt!

Gruß Astrid
Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Einfach so!
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Friedel1900 vom 29.12.2021, 16:53:35

Hallo, Astrid,

das ist in Ordnung, es sind Deine Erfahrungen, die ich überhaupt nicht infrage stelle. Wie sollte ich auch? Ich habe eben andere Erfahrungen. Ich habe in einer Stadt am Niederrhein in einem Hochhaus mit 15 Stockwerken gewohnt, ich wohnte im 12., und habe dort wirklich NUR gute Erfahrungen gemacht, sehr hilfsbereite Menschen aus alles Welt und mit unterschiedlichsten Lebensentwürfen (neben uns eine wunderbare Familie aus Sri Lanka, gegenüber ein schwules Paar, usw.

Wir wären dort auch nicht weggezogen, wenn wir nicht das zweifelhafte Vergnügen gehabt hätten, 1992 dort oben das berühmte Erdbeben von Roermond zu erleben. Das Haus hat dermaßen gewackelt, Geschirr ging zu Bruch, unsere Katzen in totaler Panik, und das, obwohl es fast 50 km bis Roermond waren. Aber seitdem fühlten wir uns dort nicht mehr sicher, und gingen auf Wohnungssuche.

LG

DW

Friedel1900
Friedel1900
Mitglied

RE: Einfach so!
geschrieben von Friedel1900
als Antwort auf Der-Waldler vom 29.12.2021, 17:36:08

Ohje der Waldler, Das stelle ich mir furchtbar vor! Ich wäre auch so schnell wie möglich
ausgezogen!

Schönen Abend und tschööö

Astrid


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