Religionen-Weltanschauungen Gewissensbildung

felix
felix
Mitglied

Re: Gewissensbildung
geschrieben von felix
als Antwort auf yankee vom 03.02.2009, 01:18:33
Zur Frage des Angeboren- und Erworbenseins der Normen muss man genau lesen, was ich ausgeführt habe!

Es gibt bei jeder Tierart und auch beim Menschen angeborene , artspezifische Verhaltensschemata und Auslöser, die das Verhalten steuern.
So gibt es z.B. ein Ausdrucksverhalten, welches beim Widersacher die Aggression hemmt. Diese "Demutshaltung", wie sie z.B. Lorenz nennt, verhindert, dass es bei Auseinandersetzungen zu Beschädigungskämpfen ausartet.
Bekannt ist auch das "Kindchenschema" welches automatisch ein Pflegeverhalten auslöst.
Dies sind Verhaltenssteuernde Faktoren, die sich normativ auswirken.
Diese angeborenen Schemata werden überlagert und modifiziert durch erlernte, anerzogene kultur- und gesellschaftsspezifische Normen und Regeln, die ihrerseits durch die ganz persönlichen Erfahrungen geprägt sind.
Das Individuum spürt eine Hemmung diese für ihn geltenden Normen und Regeln zu durchbrechen.
So entsteht eben das Gewissen als die Instanz, die das eigene Verhalten steuert und nach "GUT" und "BÖS" bewertet.

Der Sachverhnalt ist eben so komplex!

--
felix
cecile
cecile
Mitglied

Re: Gewissensbildung
geschrieben von cecile
als Antwort auf felix vom 03.02.2009, 02:15:52
@ Felix:

Bei den angeborenen Verhaltensschemata kann ich dir folgen und dir zustimmen.

Aber gibt es auch ein angeborenes ethisches Verhalten?
Ich glaube mich erinnern zu können, daß Descartes davon sprach ... aber sicher bin ich mir nicht. Vielleicht hat er das auch nur im religiösen Sinn gemeint?


--
cecile
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Gewissensbildung
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf cecile vom 03.02.2009, 02:45:24
@felix

gut daß du gerade das "kindchenschema" ansprichst, denn das ist ein musterbeispiel für erziehung, bildung, moral, gesetz und strafverfolgung. natürlich ist in uns genetisch der "trieb" verankert, die kleinen wesen - unsere nachkommen zu umsorgen und für ihr wohl zu sorgen. der impuls wird durch eine bestimmte körper-kopf-augen-proportion ausgelöst und sollte bei jedem menschen wirksam sein. deshalb lieben wir auch kleine kätzchen, welpen und micky mouse.

nun gibt es nicht erst seit kurzem im menschen auch eine art "überfunktion", die pädophile neigung die dieses "kindchenschema" übertreibt. die griechen vergötterten den sex mit knaben, in früheren zeiten wurden in europa mädchen mit 12 verheiratet und in einigen arabischen staaten und latein amerika schätzt man das heute noch und es wird ohne strafe praktiziert.

jetzt kommt die frage nach moral, gesetz und gewissen. war der bayrische bauer vor 200 jahren unmoralischer, der seiner magd ganz normal auf der tenne die beine breit zog, als der kinderschänder heutzutage? hat sich unsere moral vielleicht unabhängig von religion und region weiter entwickelt? ist vielleicht nur ein großer teil von uns "weiser" und moralischer geworden und nur ein paar sind stehen geblieben und werden deshalb verdammt und kriminalisiert?

plötzlich entdecken wir, daß moral und ethik auch viel mit gesellschaftlicher entwicklung und bildung zu tun haben. heute wird ein priester verurteilt, der dem ministranten den schniepel bekrabbelt. das wäre vor wenigen jahren noch undenkbar gewesen - trotz religiöser dogmen und drohungen!

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Re: Gewissensbildung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf dutchweepee vom 03.02.2009, 04:30:55
Der so handelnde Bauer hatte auf seinem Hof die absolute Handlungsfreiheit.

Zur gesellschaftlichen Entwicklung gehört m.E. nach dann auch die Betrachtung der Leibeigenschaft, die zunehmende Industrialisierung, - die neue Normen auf dem sozialen Sektor nötig machten - als auch die Entwicklung der Frauenfrage.

Abschaffung des Verschuldensprinzip bei der Scheidung - dafür kam das Zerrüttungsprinzip.
Abschaffung der Strafbarkeit des Ehebruches 1969!

(Doch auch heute kann noch kein geschiedener Mensch, der z.B. bei der Caritas angestellt ist, einen geschiedenen Partner heiraten.)

Also gehe ich einmal weiter davon aus, dass die Veränderung der gesellschaften Grundlagen auch im Laufe der Zeit eine Veränderung der Gewissensbildung mit sich bringt.
--
meli
Re: Gewissensbildung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 03.02.2009, 06:11:12
Nach nochmaligem Durchlesen und Ablauf der Editierzeit:

Ich meine eine Veränderung der Gewissensinhalte, die -bildung läuft, wie ich schon oben ausführte, m.E. nach ein ganzes Leben lang und ist für mich selbstverständlich von den gesellschaftlichen Veränderungen nicht abzukoppeln.
Also ein langsamer Prozess, der an die durch innere Freiheit sich auszeichnende Denkungsart gebunden ist, also jede Thematik auf den Prüfstand stellen kann, ohne Verluste zu befürchten und Ängste zu entwickeln.
--
meli
Drachenmutter
Drachenmutter
Mitglied

Re: Gewissensbildung
geschrieben von Drachenmutter
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 02.02.2009, 20:11:21
Die spätere Fähigkeit zur Einsicht in moralische Normen und das Danach-Handeln ist an neuronale Strukturen gebunden, die sich nach der Geburt erst entwickeln müssen.
Diese Gehirnentwicklung eines Kindes ist nur unter spezifischen sozialen Bedingungen möglich. Von ausschlaggebender Bedeutung für eine gesunde Gehirnentwicklung sind verlässliche Bezugspersonen im frühesten Kindesalter. Fehlen diese in den ersten Lebensjahren, kann das katastrophale Folgen für das spätere Sozialverhalten haben, die sich nachträglich nur schwer oder gar nicht mehr korrigieren lassen....

--
ursula


In meinen Augen ein sehr guter Beitrag. Ich sehe das genauso. Viele Eltern, wenn nicht die meisten, haben keine Ahnung, welche Verantwortung sie tragen, wenn sie ein oder mehrere Kinder erziehen. Alles, wirklich alles was Eltern ihren Kindern gegenüber äußern und tun hat Auswirkungen, alles. Das muss endlich in den Köpfen ankommen.
Und wenn Eltern sich gewissenlos verhalten, lernen die Kinder eben dies anderen gegenüber auch zu tun. Es ist zum Heulen.


Liebe Grüße,

--
woelfin

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Re: Gewissensbildung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Drachenmutter vom 03.02.2009, 10:08:30
Ja, woelfin, und das betrifft bereits die "vorsprachliche Zeit".
Da wird erlebt, aber kann nicht rational erfasst und artikuliert werden.
Und sehr vieles, was den ethischen Bereich geht, ist in Familien tradiert.
Ich habe das in meinem Umfeld in einem sehr winzigen Dorf erlebt, in dem die soziale Kontrolle und ein kollektives Gewissen (alle waren mit allen versippt und verschwägert) für mich als "zugezogen und damit ewiglich zur Fremdheit verdammt" so etwas von spürbar und beobachtbar war.
Dort auszuscheren, frei zu denken, wohlmöglich zu artikulieren, war für die meisten Bewohner nicht möglich, es hätte zu großen Verlust bedeutet.
--
meli
felix
felix
Mitglied

Re: Gewissensbildung
geschrieben von felix
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 03.02.2009, 06:11:12
zu Cecile:

- angeboren ist eigentlich nicht das ethische Verhalten selber sondern lediglich Verhaltens- und Reizmuster, die zu Verhaltenformen führen, die man gesellschaftlich als "gut", also als ethisch bewertet.

zu Dutchweepee:

- Das "Kindchenschema" ist ein angeborenes Reiz-Muster, das als Auslöser des Pflegeinstinktes dient und somit im Laufe der Evolution ein Selektionsvorteil wirkte.

In der Regel ist dies eine gesellschaftlich als "gut", also als ethisch bewertete Handlung.

Die gleiche Reizkonfiguration kann aber auch pervertieren und zu Handlungen führen, die von der Gesellschaft mehr oder weniger energisch abgelehnt werden.

zu Meli:

- Wie schon angeführt, sind es letzlich gesellschaftliche und kulturelle Faktoren, die das Gewissen prägen. Die Grundmuster dazu liegen aber in unseren Genen!

--
felix
barbarakary
barbarakary
Mitglied

Re: Gewissensbildung
geschrieben von barbarakary
als Antwort auf felix vom 03.02.2009, 10:46:36
Warum gibt es gewissenlose Menschen? Aus welchen Gründen hat bei ihnen keine Gewissensbildung stattgefunden - oder hängt das, was wir als gewissenlos bezeichnen, auch nur wieder von der Gesellschaftsnorm oder Religionsdiktat ab?
Liebe Grüße - Roswitha
--
barbarakary
Re: Gewissensbildung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Drachenmutter vom 03.02.2009, 10:08:30
Hallo woelfi,
ja, es ist oft "zum Heulen",wenn man sieht, wie Kinder an einer gesunden Entwicklung oft regelrecht gehindert werden - mit Folgen für das ganze Leben!

Unser Gehirn (aber auch das Gehirn höherer Säugetiere) ist ein "soziales Organ", das schon entwicklungsgeschichtlich nur unter bestimmten sozialen Konstellationen überhaupt entstehen konnte und dessen individuelle Ausreifung nach der Geburt nicht möglich ist, wenn das Kind in einem unangemessenen oder sogar schädlichen sozialen Umfeld aufwächst.

Wie soll ein Kind später eine eigene Gewissensinstanz ausbilden mit der Fähigkeit, Normen und Ideale zu entwickeln, sich selbst und sein Handeln moralisch zu bewerten, Widersprüche zu analysieren und nach Wahrheit zu suchen etc., wenn es schon primär daran gehindert wird, die hierfür erforderlichen neuronalen Strukturen zu entwickeln?


Hallo Felix,
warum hast Du das Thema eigentlich unter "Relgionen und Weltanschauungen" eröffnet? Für mich hat Gewisssen und alles, was dazu gehört, eigentlich nichts mit Religion etc. zu tun, jedenfalls nicht primär!

Gruß, Ursula

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