Deutsch unter Palmen


Deutsch unter Palmen

Ich habe eine interessante Geschichte gehoert.

Ende der 1970er Jahre arbeitete ein Amerikaner an der Goldkueste in Queensland als Deutsch-Lehrer an einer Highschool.

Eines Tages stellte sich ein Maedchen namens Yvonne vor, die sich fuer einen Deutsch-Kurs eingeschrieben hatte. Waehrend der ersten Unterhaltung beeindruckte die neue Schuelerin den Lehrer mit ihrem fluessigen Sprachstil. Etwas aber war anders; in ihren Saetzen benutzte sie eine voellig ungewoehnliche Grammatik. Als der Lehrer sie fragte, welche Schule sie besucht habe, erhielt er die Antwort, dass sie noch nie einen Deutsch-Kurs belegt habe, aber ihre Familie wuerde Deutsch zu Hause sprechen.

Der verdutzte Lehrer staunte nicht schlecht, denn seine dunkelhaeutige neue Schuelerin kam aus Papua-Neuguinea. Der Linguist hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nie von einem deutschen Dialekt auf der Suedsee-Insel gehoert.

Fuer ihn sollte sich die zufaellig Begegnung als Geschenk des Himmels erweisen. Als erster Linguistik-Wissenschaftler begann er damit, die vergessene Sprache zu dokumentieren.

Alles begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Ab 1884 gelangten pazifische Gebiete unter deutsche Kontrolle. Darunter waren die Inseln des Bismarck-Archipels und das Kaiser-Wilhelm-Land, In der Sprachpolitik klafften Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander. Einzig in Rabaul, einer Stadt im Nordosten von Neu-Pommern, heute Neu-Britannien, trug mit der Entstehung einer eigenen Ausdrucksweise die Sprachmissionierung sichtbare Fruechte.

Hier hatte sich 1882 die kath. Herz-Jesu-Mission niedergelassen. Zu ihren missionseigenen Schulen gehoerte auch ein Internat fuer 60 Mischlingskinder. Sie alle teilten dasselbe Schicksal; weder von ihren englischen bzw.deutschen Vaetern, noch von den Staemmen ihrer einheimischen Muetter wurden die “halbweissen Kinder” akzeptiert.

Die soziale Isolierung wurde damit der Geburtshelfer fuer das “Unserdeutsch”. Ausserhalb des Unterrichts in den Internatsschlafsaelen und den Gemeinschaftsraeumen begannen die Verstossenen ihre eigene Interpretation des Deutsch zu kreieren, die sie einige Jahre spaeter den eigenen Kindern als Erstsprache weitergaben.

Die Mission blieb auch nach dem Ersten Weltkrieg in deutscher Hand und als Unterrichtsfach wurde Deutsch beibehalten. Ab 1960 aber begann sich die kleine Sprachgemeinde in alle Winde zu zerstreuen. Heute gibt es schaetzungsweise noch 100 Nachkommen von den Kindern von Rabaul, die noch “Unserdeutsch” sprechen.

So, wie es Pidgin-Englisch gibt, ist ihre Sprache ein Pidgin-Deutsch.
Hier ein Beispiel. I wird bleib zwei Woche in Lae – Ich werde zwei Wochen in Lae bleiben.
Das ist die Geschichte von Unserdeutsch.



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Kommentare (8)

elise52 wirklich interessante Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe.

Danke und liebe Grüße
Gerda
koala Ich habe mir Dein Userbild angesehen. Deine Haare sind hell und Du hast als Kind sicher lange Jahre in Friesland gewohnt. Das praegt, auch wenn Deine Eltern aus Rheinland/Westfalen stammten. Mein Mann ist in einem westfaelischen Dorf aufgewachsen, wo die Menschen schon sehr viel Aehnlichkeiten mit den Friesen haben, blond, helle Hautfarbe und 'sprachfaul'. In Wirklichkeit reden sie nur ueberlegter wie wir, so kommt es mir als Rheinlaenderin vor. Und eine klare Aussprache haben sie !!! Immer wenn ein Anruf fuer meinen Mann kommt und ich bin am Telefon, bewundere ich das.
Es gruesst die 'Friesin'
Anita aus Australien
pippa das ist ja nun wirklich hoch interessant. Danke für's Erzählen.
Wie ist das denn nun mit der Abstammung?
Ich z.B. bin an der Nordsee geboren und fühle mich als Friesin, obwohl meine Eltern aus Rheinland/Westfahlen stammen. Jetzt wohne ich aber in der Mitte von Deutschland, aber alle , die hören, woher ich komme sagen, das sieht man dir an.
LG von Heidi
floravonbistram entwickelten sich seit Jahrtausenden so häufig aus Sprachgemischen, danke für diese interessante Ausführung
LG Flo
koala Wenn ich Sudentenland, Boehmen, Ostpreussen usw. lese, wird mir immer etwas wehmuetig zumute. Mit der Zeit vergehen ganze Menschenkulturen, mit ihrer eigenen Sprache und ihrer eigen Abstammung. Wer kennt heute noch die Wenden? Die meissten sicher nur noch aus den Kreuzwortraetseln.
Wenn man dann selbst aus dieser Region stammt, so wie Du, muss einen das noch staerker beruehren.
Es gruesst
Anita/Australien
koala Es freut mich, dass Dir der Artikel gefallen hat. Als ich die Geschichte hoerte, dachte ich mir, dass auch andere sie als interessant empfinden koennten.
Ein lieber Gruss
Anita
olebienkopp ...das ist eine bemerkenswerte Geschichte. Sehr aufschlußreich und ähnelt den vielen Dialekten, die im Laufe der Jahre vergessen werden. Gemeint sind die Dialekte z. B. aus dem ehemaligen Sudetenland in Böhmen. Mein Dialekt aus dem Zappenland wird auch bald vergessen sein, wenn es nicht mehr gepflegt und auch gesprochen wird, wie auch die deutsche Schrift.
Danke für Deine Aufzeichnung.
olebienkopp
indeed danke dir für deinen lehrreichen und interessanten Beitrag.
Liebe Grüße
Ingrid

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