Jüdischer Friedhof Berlin-Weißensee


Mein Besuch am vergangen Wochenende galt dem 42 ha großen jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee, der zum Teil ein stummer Zeitzeuge für ein dunkles Kapitel deutscher Vergangenheit ist.

Gleich am Anfang empfängt den Besucher, nachdem sich der männliche Besucher ein kleines, schwarzes Käppi bei der Friedhofsverwaltung abgeholt hat, ein Gedenkstein, der wiederum umringt ist von kleinen Gedenksteinen, die die Namen der Konzentrationslager in Deutschland tragen und jeweils mit vielen kleinen Steinen belegt sind, dessen Bedeutung wohl ein jeder kennt, der schon mal einen jüdischen Friedhof besucht hat.

Sehr viele Familiengräber habe ich gesehen, bei denen einige Tafeln leer geblieben sind, weil diese Menschen in Konzentrationslagern starben. Einzelne Grabsteine wiederum enthalten Inschriften, auf denen steht dass dieser Mensch z. B. im KZ Buchenwald umgebracht wurde und der Stein nur zum Gedenken an ihn hier aufgestellt wurde.

An diesem Montag, dem Tag der Deutschen Einheit, bin ich schon sehr nachdenklich geworden. Konnte ich mir anhand der vielfältigen Inschriften doch vorstellen, welche Familientragödien sich abgespielt haben mögen und wie viel Leid diesen Menschen zugefügt wurde. Ganze Familien wurde einfach ausgelöscht.

In diesem Moment gingen meine Gedanken dahin, dass meine Generation froh und glücklich sein kann, keinen Krieg und keine Verfolgung mit erlebt zu haben.



Mehr Bilder vom jüdischen Friedhof




Der Jüdische Friedhof Berlin-Weißensee ist ein 1880 angelegter Friedhof der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Er ist der flächengrößte erhaltene jüdische Friedhof Europas mit 115.000 Grabstellen. Seit den 1970er Jahren steht er unter Denkmalschutz.

Die Judenverfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus hinterließ auch ihre Spuren auf dem Friedhof. Aus Verzweiflung über die Verfolgung und bevorstehende Deportationen nahmen sich viele jüdische Einwohner Berlins das Leben, was dazu führte, dass die Zahl der Bestattungen im Jahr 1942 ihren Höhepunkt erreichte. Insgesamt sind auf dem Friedhof 1.907 Juden begraben, die zwischen 1933 und 1945 Suizid begingen. Es gibt auch ein Grabfeld, auf dem die Asche von 809 Juden begraben ist, die in Konzentrationslagern ermordet wurden. Auf anderen Grabsteinen findet man die Namen von sehr viel mehr Opfern des Holocaust, vorwiegend Familienangehörigen wurde so gedacht. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die meisten Juden Berlins entweder ermordet oder ausgewandert.

Das stärkere Engagement in den 1980er Jahren wie die verstärkten Anstrengungen nach der Wiedervereinigung seit 1990 reichen nicht aus, um dem Friedhof eine würdige Form zu erhalten. Waren in den 1920er Jahren etwa 200 Angestellte für die Pflege des Friedhofs zuständig, so gab es in den 1980er Jahren nur 16 Festangestellte. Nach der Wende wurden es noch weniger, die durch ABM- und MAE-Kräfte aufgestockt wurden. Die Jüdische Gemeinde schätzt den Finanzbedarf zur Restaurierung auf 40 Millionen Euro.



loretta





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Kommentare (13)

Karin_46 Auf meinen Wanderungen stand ich schon öfter im Wald vor der Mauer eines jüdischen Friedhofs. Weit weg vom Ort, oft auf der Höhe. Meine Meinung: sehr Menschen verachtend.

LG Karin
loretta Danke Angelika für deine Gedanken. Kennst mich schon ganz gut – sie treffen zu.

Miriam, mir war klar, dass du meinen Blog früher oder später mit einem Kommentar besuchst.

Ich musste erst mal klugeln, was „Kaddisch“ bedeutet.

"Kaddisch(aramäisch: heilig bzw. Heiligung) ist eines der wichtigsten Gebete im Judentum. Es ist ein Heiligungsgebet und bildete sich in den nachchristlichen Jahrhunderten heraus, wobei sich der ursprüngliche Kernbestand erweiterte und sein liturgischer Gebrauch im Laufe der Jahrhunderte veränderte. Die älteste nachzulesenden Rezensionen finden sich in Geniza-Fragmenten, die keinem bestimmten Werk zuzuordnen sind. Eine Version des Gebetes in einem Siddur des Amram Gaon (um 900) basiert auf einer aschkenazischen Rezension, die keinem der älteren Fassungen entspricht. Im Gegensatz zu fast allen anderen jüdischen Gebeten ist seine Sprache nicht nur Hebräisch, sondern auch Aramäisch."

Danke für diesen deinen Beitrag, obwohl ich auch gerne ein persönliches Wort von dir gelesen hätte …. Ich denke, miriam, du wirst deine Gründe haben.
loretta



miriam
Kaddisch für Jean Améry, Paul Celan und Primo Levi


Oft denke ich an sie, die freiwillig aus diesem Leben schieden,
Wie groß war denn ihr Sehnen nach dem Frieden?
Denn nur derjenige, der dieses Leben so sehr konnte lieben,
Enttäuscht in sein Gefühl - dann in den Tod wurde getrieben -

Was sie uns hinterließen - zeugt von ihr JA zum Leben,
Ein ja, von anderen verneint, sie wollten uns noch alles geben
was sie gewusst, was schmerzlich sie erlernt hatten
Und vor dem Tod legten sie Zeugnis ab von jenen schwarzen Taten.

Ihr hattet jene Zeit der schwarzen Milch zwar überstanden,
Doch die Erinnerung die blieb, Ihr seit dann freiwillig gegangen -
Und ich verneige mich vor Euch, und weiß: ich habe überlebt
In jener Zeit, als grausam rund um uns die Erde hat gebebt.

Geschrieben am 11. April 2007 - der zwanzigste Todestag von Primo Levi


Miriam
tranquilla ...macht der bericht, den du hier eingestellt hast. nicht nur die geschichtlichen daten sondern vor allem auch wie du ihn beschrieben hast und kleine emotionen durchklingen.

die geschichte der juden in der ganzen welt, nicht nur in deutschland, ist immer wieder von verfolgung geprägt. es macht mich betroffen, jedesmal, wenn ich auf diese schicksale treffe. nirgends eine heimat zu haben, keinen ort, wo man hindenken kann - für mich unvorstellbar.

liebe grüße an dich
angelika
loretta Liebe moni, es freut mich, dass ich dich mit meinem Blog erreicht habe, einen Menschen, der sich genau wie Anne mit dieser Vergangenheit identifizieren kann und auch einen Bezug dazu hat. Ich habe auch auf ein bestimmtes Grab ein Steinchen gelegt. Nicht weil ich denjenigen gekannt habe, sondern weil die Inschrift mich doch sehr berührt hat.

Traute, nun denn … schön, dass du wieder hier bist.

Liebe Grüße zum Abend euch beiden von loretta
Traute Ja ich war, aber es ging im Sauseschritt und nun bin ich wieder da.
Freu mich, dass Du mich vermisst hast.
Ganz freundlichen Grüße,
Traute
finchen es hat mich zutiefst erfreut, daß Du über einen jüdischen Friedhof berichtest hast.
Vor Jahren war ich in Dessau auf ebensolchen Friedhof und mein Herz machte einen Hüpfer.
Vorallem, weil er zum Denkmal und Mahnmal geworden ist. Gepflegt und kultiviert, mit uralten Grabsteinen - auf denen noch heute kleine Steine abgelegt werden und ein riesiges Mahnmal aus abgelegten Steinen zu einem kleinen Monument zusammengefügt, an dem jeder Stein des Gedenkens einbezogen wird.
Wir hatten einen angeheirateten Verwandten, der dieser religiösen Abstammung zugehörte und ich sucht eigentlich nur sein Grab, daß ich nicht fand.
Ich kam in Ehrfurcht und ging in Demut, ob des Wissens, daß er nicht an den Leiden seiner jüdischen Abstammung sterben mußte.
Einen Stein aus der Mulde habe ich dort abgelegt. Ich hoffe, er wurde dort auch integriert.
Und dieses Ritual haben wir weiterhin übernommen, wenn wir die Gräber unserer Vorfahren besuchen, hinterlassen wir jeweils einen kleinen Stein.
So, wie andere Blumen hinterlassen - bei uns sind es Blumen und ein Stein - der vergeht nicht und so wird es bleiben.
Vielen Dank für Deinen Bericht- es hat mir sehr gefallen.
Liebe Grüße
das Moni-Finchen
loretta Liebe pippa. Ich kann dir diesen Besuch unbedingt empfehlen, da es ja nicht nur um die Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, also um die Judenverfolgung geht. Wie du sicherlich gelesen hast, wurde dieser Friedhof 1880 eröffnet, da der andere Friedhof an der heutigen Karl-Marx-Allee aufgrund der wachsenden Zahl an Juden in Berlin eröffnet wurde. Man liest also größtenteil bei den alten Monumentalgrabstätten Geburtsdaten des frühe 19. Jahrhundert - sogar auch viel um 1810 .... Die Mauseleen und Familiengräber sind wurderschön und prunkvoll - einfach sehenswert. So etwas gibt kein deutscher Friedhof her. Ich war mit Sicherheit nicht das letzte Mal dort. Der Friedhof an der Heerstraße, direkt am Olympiastadion, von dem ich ja auch schon berichtete, hat auch sehr vielen jüdischen Mitbürgern die letzte Ruhe gegeben.

Ein wunderschöner gepflegter Friedhof mit einem See in seiner Mitte - einfach zu Wohlfühlen fürs Ende der Reise. .... wo übrigens auch Horst Buchholz und viele Promis "angekommen sind.



Hallo Traute, ja wir müssen dazu stehen. Desto schlimmer finde ich es jedoch, wenn rechtsradikale Gruppen die Existenz der Judenvrfolgung als Propaganda abtun. Einfach unfassbar.

Ich hatte dich schon vermisst, Traute, und hoffe dass du nicht krank warst.

Nun grüße ich euch beide und wünsche noch einen schönen Abend.
loretta


Traute Dem müssen wir uns stellen. Wir erben nicht nur das Kapital,
die Kunst und die Kultur und die geistigen Erkenntnisse unserer
Altvorderen, auch ihre Schuld müssen wir mit tragen.
nun in der zweiten und dritten Generation, was diese Schande betrifft.
Ich hatte einen Pflegevater, der in Buchenwald war, aus anderen
Gründen und mit ihnen gelitten hat.
Danke für die mahnende Kombination von Bild und Schrift.
Mit freundlichem Gruß,
Traute
pippa denn es ist mir wieder nicht gelungen einen Jüdischen Friedhof zu besuchen. Jetzt konnte ich das wenigstens virtuell nachholen.

Mir macht dieses dunkle Kapitel einfach immer noch sehr zu schaffen, denn als ich das Denkmal am S-Bahnhof Friedrichstr. sah, war ich erst einmal nicht mehr zu gebrauchen.

Liebe Grüße
Pippa
loretta Da wir uns schon längere Zeit kennen und ich weiß, dass du mit einem jüdischen Mann verheiratet warst, der ja leider schon verstorben ist, weiß ich, dass dich dieses Thema immer sehr interessiert. Da ich dich noch nie in den Blogs habe lesen sehen, schickte ich dir auch meine Info.

Wir tauschten uns damals auch ausgiebig über den von dir eingestellt Link über die damals laufende Aktion, die an die Deportation und Ermdordung von Juden erinnern sollte, aus:

Zug des Vergessens

Für heute, liebe Anne, wünsche ich dir noch einen friedlichen Sonntag
loretta
rosarot ich danke dir sehr,daß du mich auf deinen wirklich wunderschönen
Artikel vom Jüdischen Friedhof-Berlin-Weissensee aufmerksam gemacht hast.
Du hast sehr feinfühlig deine Beobachtungen und Gedanken geschildert.
Ich habe vor Rührung geweint.

Ganz herzliche Grüße

Anne
Gitte45 ja das ist ein dunkles Kapitel in unserer Geschichte,
hoffen wir, dass es sich niemals mehr wiederholt.

Auch hier in unserer kleinen Stadt waren sehr viele
jüdische Mitbürger, demzufolge gibt es auch hier einen
jüdischen Friedhof, der ist allerdings weit vom Ort entfernt
und wird mittlerweile von Schulgruppen instandgesetzt und
gepflegt.

Auch diese Orte gehören zu unserem Leben.
Schön, dass du das Thema mal aufgegriffen hast
Gruß Gitte



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