quo vadis in Sachen Weihnachten


2019, Adventkranz von Reinhart zum Bearbeiten.JPG
Dass sich die Zeiten ändern, läßt sich nicht vermeiden und ist auch gut so.

Den gänzlichen Verlust von "Weihnachten früher" finde ich allerdings sehr negativ. Wenn ich höre oder lese "Die stillste Zeit im Jahr", kann ich nur traurig lächeln.

Etwas weiter gegenüber von meinem Haus wurde vor Jahren ein altes, kleines "Schlössl" mit ebenso kleinem Park wirklich schön renoviert. Es dürfte irgendwann einmal ein Landbesitz eines Adeligen gewesen sein, dann verfiel es, bis man sich seiner erbarmte und ihm wieder zu neuem Glanz verhalf - eine Augenweide! Gedacht war es eigentlich für kulturelle Zwecke, aber Kultur im klassischen Sinn fand leider keinen allzu großen Zuspruch, von Auslastung kann also keine Rede sein.

zu Beginn der Adventzeit wird an den ersten beiden Wochenenden dort ein kleiner Weihnachtsmarkt abgehalten, der den in der Nähe wohnenden Menschen einen Einblick in den Vorhof der Hölle gibt. Am Nachmittag beginnt das Feiern mit unfassbarer Lautstärke, die sogar Verbundfenster zum Dröhnen bringt. Schon die  Begrüßungsrede schwappt den Umliegenden als laute, vibrierende Tonfetzen in Häuser und Gärten. Die anschließenden Weihnachtslieder aus diversen, übersteuerten Geräten bohren sich in das zarte Trommelfell von Kindern, gut geschützte Haubenträger und ältere Menschen mit nicht mehr so gutem Gehör wissen gar nicht, welch Glück ihnen an diesem Tag beschieden ist. Vom gemeinsamen Singen der Besucher hört man übrigens gar nichts. Dann kommt, zumindest für mich, der zweite Schreck, bei Einbruch der Dunkelheit werden die schönen, teils alten Bäume in kräftig bunten Farben beleuchtet. Da würden Josef und Maria samt Jesukind aber schauen!

Was ist geschehen, warum sich Europäer plötzlich wie Amerikaner benehmen? Warum sehen immer mehr Häuser aus, als hätte man Grotten aus dem Untergrund an die Oberfläche gehoben. Kaum ein Kitsch, der nicht intensivst und in allen Farben beleuchtet den Vorbeieilenden geboten wird. Weihnachten hat den Jahrmarkt weit überholt.
Und wenn dann die Häuser so richtig erstrahlen, kann das geblendete Auge noch den an der Hausmauer befestigten Weihnachtsmann mit Rucksack erspähen, sozusagen den umgekehrten Dieb, weil er schließlich etwas bringt. 

Weihnachten sollte ein glanzvolles Fest sein, aber es sollte den Feiernden auch noch die Möglichkeit zu klaren Gedanken lassen, zu innerer Freude und Vorfreude innerhalb der Familie. Zumindest meiner Meinung nach überrollt es heute die Menschen.
Ich empfand die ersten Weihnachtslichter, die in den Fenstern standen, wunderschön. Sie wirkten in ihrer Schlichtheit, berührten einen, verdrängten Negatives auf einige Zeit. 

Ein Großteil der Europäer hat längst von seiner eigenen Kultur Abschied genommen und sich den ober-
flächlichen, schrillen Dingen zugewandt, die natürlich auch ständig erneuert werden müssen, weil sie im Gefühlsbereich nach dem Konsum nur Leere hinterlassen.

Warum?





 
 

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Kommentare (3)

Syrdal


Vor allem in den schrill auf Kommerz ausgerichteten Stadtzentren wird der zutiefst erwartungsvolle „Geist des Advent“ und damit auch der stille Frieden der „Heiligen Weihnacht“ mit unbändiger Lautheit jeglicher Art überrollt, verdrängt und erstickt. Die hier zuletzt gestellte Frage des Warum erhält sicher viele Antworten, zuvorderst Geld… Geld… und nochmal Geld, dann sehr bald ausgeprägte Unmäßigkeit, Protz, Eitelkeit und Überhebung, alles in allem aber eine eklatant um sich greifende Werteverlagerung, völlig verkannte Säkularisierung, fortschreitender Bildungsverlust und schließlich emotionale und geistige Verarmung. Dennoch: Es liegt an jedem selbst, wie weit man sich in diesen Talmi-Strudel hineinziehen lässt.

Aus seiner bescheiden-stillen, sehr fein schwingenden und lichtwarmen Weihnacht grüßt
Syrdal

keyly

@Syrdal und Pan

Vielen Dank für die wenig tröstlichen, aber leider nur allzu wahren Beiträge.

Welch traurige Entwicklung, wenn eine Jugend ohne Werte durch die Geldgier ihrer Elterngeneration genau in diesen Strudel gerissen wird. Junge Menschen brauchen immer und überall Vorbilder, die den Weg zum  Erwachsenwerden positiv beeinflussen. Es sind viel zu wenige .......

Ich wünsche schöne, friedvolle Weihnachten  Lydia

Pan

Liebe Lydia, die "Amerikanisierung" unserer Kultur hat schon seit fünfzig Jahren bei uns Einzug gehalten, sie steigert sich Jahr um Jahr. Daran werden wir nichts mehr ändern, so miserabel das auch ist. Dagegensteuern gleicht der Quadratur des Kreises: Wenn eine »ganze Generation« es so will, kann der alte Rest es nicht zurückrücken!
Lass Dich dennoch grüßen von
Horst


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