Sommergewitter

Als nach den heißen, trockenen Tagen nun das Wetter umschlug und gestern heftige Gewitter brachte, fiel mir ein schauerliches Gedicht ein, das mir schon in meiner Schulzeit (ab 1947) Angst machte. Noch heute habe ich großen Respekt vor der Kraft der Elemente, der Naturschauspiele, vor Blitz und Donner. Dass dies nur „elektrische Entladungen“ sind, ist mir während eines Gewitters kein Trost. Ich verziehe mich ins Innere des Hauses und hoffe, dass es bald vorüber sein möge, andererseits finde ich so ein Naturschauspiel sehenswert und genieße die erfrischte Atmosphäre nach einem Sommergewitter. 

Besonders schön und schaurig hat Gustav Schwab (ein Stuttgarter Hofrat und Professor, 1792-1850) die Wirkung eines Gewitters beschrieben in dem Gedicht 

Das Gewitter
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt, 
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl –
Wie wehen die Lüfte so schwül! 
Das Kind spricht: „Morgen ist’s Feiertag! 
Wie will ich spielen im grünen Hag,
Wie will ich springen durch Tal und Höhn, 
Wie will ich pflücken viel Blumen schön; 
Dem Anger, dem bin ich hold!“
Hört ihr’s, wie der Donner grollt? 
Die Mutter spricht: „Morgen ist’s Feiertag! 
Da halten wir alle fröhlich Gelag‘,
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid;
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid, 
Dann scheint die Sonne wie Gold!“ 
Hört ihr’s, wie der Donner grollt? 
Großmutter spricht: „Morgen ist’s Feiertag!
Großmutter hat keinen Feiertag.
Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid, 
Das Leben ist Sorg‘ und viel Arbeit; 
Wohl dem, der tat, was er sollt‘!“ 
Hört ihr’s, wie der Donner grollt? 
Urahne spricht: „Morgen ist’s Feiertag!
Am liebsten morgen ich sterben mag:
Ich kann nicht singen und scherzen mehr, 
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer, 
Was tu‘ ich noch auf der Welt?“ 
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?

Sie hören’s nicht, sie sehen’s nicht,
Es flammet die Stube wie lauter Licht: 
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind 
Vom Strahl miteinander getroffen sind, 
Vier Leben endet ein Schlag
Und morgen ist’s Feiertag. 

Dieses Gedicht zitierte meine Großmutter, während wir Kinder uns vor Furcht um ihren Sessel versammelten und sie hatte noch weitere auf Lager. Zum Trost erinnerte sie uns auch daran, dass wir doch auf dem Speicher geweihte Kräuterbüschel gegen die Blitze aufgehängt haben. Es wäre mir lieber gewesen, sie hätte uns auf gut funktionierende Blitzschutzanlagen hingewiesen. So ein Blitzableiter ist mir jedenfalls heute ein größerer Trost als "Gewitterbüschel" unter dem Dach. 


Foto: Pixabay, Peter Mittermaier
 


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Kommentare (6)

Maslina

Als ich ein kleines Mädchen war, fürchtete ich mich bei Gewitter. Jemand hatte mir gesagt, dass dann der liebe Gott schimpft.
Als großes Mädchen traf ich mich mit meinem Freund wenn mein Vater Spätschicht hatte, dann konnte ich es mir leisten länger fortzubleiben.
Einmal sahen wir uns einen Film mit Überlänge an, es war Faust. Dann mußten wir uns sputen, damit ich noch vor meinem Vater nach Hause kam. Unterwegs ging ein Gewitter los. Ich schaffte es knapp vor meinem Vater, machte das Licht aus und schlüpfte ins Bett.
Wenig später hörte ich meinen Vater lachend zu meiner Mutter sagen:" Einen Burschen will sie haben, aber vor Gewitter hat sie immer noch Angst. Eben hat sie das Licht gelöscht".

ella

@maslina
...danke für die lustige Geschichte aus Deiner Vergangenheit. In dem Falle hast Du ja nochmal Glück gehabt

Syrdal

Zu allen Zeiten wurden Gewitter gefürchtet, ehemals als „Zorn der Götter“, in der Neuzeit als unabwendbares Naturereignis, gegen das man sich so gut wie nicht schützen kann. Gustav Schwab hat das in seinem eindringlichen Gedicht recht lebensnah, aber auch mit deutlicher Dramatik geschildert.
 
Und richtig: Früher glaubte man an die blitzabwehrende Kraft von ausgewählten Kräuterbüscheln und an manch andere „Zaubereien“, doch genützt hat das wohl nur der sinnlichen Beruhigung, solange nicht Haus und Scheune vom Blitz getroffen wurden und sogleich lichterloh abgebrannt sind. Und die von Benjamin Franklin im Jahr 1752 erfundenen „Blitzableiter“, die allerdings auch nur helfen, wenn der Blitz sie wirklich „findet“ und nicht daneben in den Dachfirst fährt, haben sich erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts vermehrt durchgesetzt, weil man sie bis dahin in Deutschland kaum kannte.
Bei aller Moderne brennen auch heute noch immer wieder Häuser ab, die von einem Blitz getroffen wurden. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht, auch nicht gegen blitzende Naturereignisse.
 
Es grüßt
Syrdal

ella

@Syrdal
Danke für den Kommentar.  Leider ist das ja kein Trost, zu erfahren, dass trotz Kräuterbüschel unter dem Dach eigentlich kein Kraut gegen Blitze gewachsen ist. Dass der Blitzableiter erst im 20. Jahrh. erfunden wurde, wusste ich nicht. Vielleicht könnte man ihn noch verbessern?

Manfred36


Das Gedicht in deinem Blog, Eleonore,
kenne ich von Kind an auswendig; wusste nur nicht, von wem es ist. Ich habe mal das Gewitter nicht ganz so tragisch, aber umso chaotischer, gemalt. Auch vor der Ramstein-Katastrophe 1988 war ein Gewitter, bei dem sich meine Frau vor Angst an mich geklammert hat (sie hat später von Vorausahnung gesprochen).

null
Gruß Manfred
 

ella

@manfred36
Danke für Deinen Kommentar und das schöne Gemälde , das mir allerdings etwas zu lieblich für ein Gewitter erscheint. Der Blitz ist eindrucksvoll und sieht gefährlich aus. Wie schön, dass ich zu Hause sitze und hoffentlich in Sicherheit bin. Obwohl Syrdal mir einen Teil meiner Beruhigung genommen hat mit seinen Ausführungen über die relative Wirkungslosigkeit von Blitzableitern.
Ich wünsche uns allen einen erfrischenden Regen ohne Blitz und Donner.


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