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Aktuelle Themen Mauerfall vor 30 Jahren: Erinnerungswoche in Berlin beginnt

Tina1
Tina1
Mitglied

RE: Mauerfall vor 30 Jahren: Erinnerungswoche in Berlin beginnt
geschrieben von Tina1
als Antwort auf wandersmann vom 16.11.2019, 19:04:44

Mir ist unbegreiflich,dass diese Partei-Die Linke,von ehemaligen DDR-Bürgern,die Wahlstimme erhalten!



 
geschrieben von ana
Erklären muss mir die DDR übrigens niemand, ich habe 29 Jahre dort gelebt, es sei denn, jemand kann Insiderkenntnisse bieten über Vorgänge, die Otto-Normal damals verborgen blieben, da höre ich gern zu. Mit angegoogeltem Wiki-Wissen aber braucht man mir nicht zu kommen.
Ich habe 10 Jahre länger als du in der DDR gelebt. Und ich weiß was ich erlebt u erfahren habe, ich brauche kein Google. Ich habe erlebt, dass es nicht mehr möglich war seine Meinung in der Öffentlichkeit zu sagen, dass es nicht mehr möglich war, dieses Regime zu kritisieren. Vorallem in den letzten zehn Jahren. Es gab keinen Ort, keine Firma, keine Veranstaltung, keine Kaufhalle, keine Schule, keinen Gottesdienst wo nicht IM's eingeschleust waren. Unser Pfarrer hatte sie immer gleich am Anfang des Gottesdienstes extra begrüßt, man konnte schnell feststellen, wem das sehr unangenehm war. Er bekam großen Applaus. Die Kirchen waren in den letzten Jahre voll, denn da erfuhr man einiges neues.

Wir haben erfahren o. selber mitbekommen, das Menschen plötzlich verschwanden, nämlich die, die es gewagt hatten, in der Öffentlichkeit zu reden, zu demonstrieren. Ich kenne selber so einen Fall. Die Kinder, also ein Ehepaar, einer Bekannten meiner Mutter, wurde auf der Prager-Straße verhaftet u das Kind kam in ein Kinderheim. Die Oma hat nicht erfahren, wo ihr Enkel war. Man muss sich mal vorstellen was das mit dem Kind gemacht hat. Ihre Tat, ihr Verbrechen laut Stasi bestand darin, dass sie mit einem Schild auf der Prager-Str. standen, wo drauf stand: "Freiheit für Luis Corvalan u. wo ist unsere Freiheit?". Das war ein Grund, Menschen in den Knast zu stecken, auf unbestimmte Zeit. In den Gefängnissen gab es dann psychische Folter.

Die Stasihelfer fand man auch in den Wohnhäusern, sie hat man als Vertrauensobmann für das Haus eingesetzt. Sie hatten den Auftrag, jeden Besuch, den die Bewohner bekamen aufzuschreiben, zu kommentieren, also mit welchen Personen wurde Kontakt gepflegt, vor allem der Westbesuch wurde kommentiert.

Ich habe erlebt, dass man von mir verlangte, dass ich einen Zettel unterschreiben musste, wo ich mich verpflichten musste jeden Kontakt zu westdeutschen in Ungarn zu melden, am besten möglichst gar keinen Kontakt haben. Also man wurde auch außerhalb der DDR bespitzelt.

Ich habe erlebt wie man mit Ausreiseantragsstellern um ging, es waren Bekannte von uns. Bei Gesprächen auf dem "Rat des Kreises", wurden sie denunziert, mürbe gemacht, behandelt wie Verbrecher. Die Menschen bekamen Angst, besonders auch wegen ihren Kindern. Denn auch in der Schule, bei den Kindern machte man keinen halt.
Mein Sohn wurde mehrmals schikaniert, indem man ihm verbot und das natürlich denunzierend vor der ganzen Klasse, ein T-Shirt zu tragen, weil es aus dem Westen kam, ohne das was Regimefeindliches darauf zu sehen war, sondern was ganz harmloses, kindgerechtes. Das konnte mein damals 9-jähriger Sohn nicht verstehen, er weinte, wenn er nach Hause kam. Nach unserer Flucht hat seine Klassenleiterin vor der gesamten Klasse meinen Sohn, damals 14 Jahre, denunziert, ihn als Verräter tituliert. Das hat er dann von Klassenkameraden erfahren.

Mein Cousin Stasisoffizier, hat verhindert das meine Mutter zu ihrer Schwester in den Westen fahren konnte, weil es einen Anlass dafür gab.
Das waren nur einige Dinge von meinem erlebten.Vieles haben wir auch von unseren Verwandten im Westen erfahren.

Erst nach der Wende haben wir dann durch Reportagen, durch Zeitzeugen, durch Stasiakten erfahren, was noch viel Schlimmeres passiert ist. Was man es sich so nicht vorstellen konnte.
Es gibt unzählige Reportagen wo Zeitzeugen aussagen über das, was sie erlebt haben. Und das sind keine Erfindungen, sondern das wurde alles durch die Stasiakten dann bestätigt.

Und das spricht gegen alle Thesen, die du hier anbringst, um das Regime zu verharmlosen. Und das schlimme ist, dass viele dieser Verbrecher, Stasi u Im' s immer noch da sind, sie sind ja nicht einfach verschwunden. Sie leben noch unter uns, viele haben sich in den Westen abgesetzt. Und das erklärt auch den Wahlerfolg der Linken im Osten, man kann sich vorstellen von wem sie besonders gewählt wurden. Recherchen ergaben, dass sie immer noch alles richtig finden, was sie Menschen angetan haben. Sie haben Menschen zersetzt, Familien zerstört, man benutzte Kinder um was über die Eltern herauszubekommen, man hat Menschen in den Knast gebracht u zu Strafen verurteilt, ohne das sie sich wehren konnten. Bei den meisten war die Tat nur, dass sie in die Freiheit wollten. Man hat Menschen an den Grenzen abgeknallt, weil sie in die Freiheit wollten. Die Grenzsicherung, die Mauer war nicht eine, die den Staat nach außen sichern sollte, sondern eine Mauer die nach innen gerichtet war, gegen die eigene Bevölkerung.

Schau dir einfach mal das Video an, was zeigt, dass es nicht so war, wie du es versuchst hinzustellen, indem du alles möglichst als Unwahr hinstellen willst. Das alles hat nichts mit "angegoogeltem Wiki-Wissen" zu tun, sondern es sind Tatsachenberichte.
Tina

ZDF-History über die Strategie der DDR-Staatssicherheit, Regimegegnern größtmöglichen Schaden zuzufügen. Nicht selten verursachte der staatlich sanktionierte Psychoterror existentielle Lebenskrisen.

 
Edita
Edita
Mitglied

RE: Mauerfall vor 30 Jahren: Erinnerungswoche in Berlin beginnt
geschrieben von Edita
als Antwort auf Tina1 vom 17.11.2019, 13:01:33

@ Tina1

Tina - einach eindrucksvoll und wunderbar wie Du so ganz ohne rhetorische Schnörkel und verbale Finessen, Wandersmann's zur Schau gestellte "intelligente" Dummheit in die Schamesecke verwiesen hast, wenn man denn in der Lage ist, das zu erkennen, ein großes DANKE dafür!

Edita

RE: Mauerfall vor 30 Jahren: Erinnerungswoche in Berlin beginnt
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Edita vom 17.11.2019, 14:20:48

Ich schließe mich deinem Dank an. Und ich frage mich nicht erst seit heute, was für eine Funktion Wandersmann in der DDR hatte.


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wandersmann
wandersmann
Mitglied

RE: Mauerfall vor 30 Jahren: Erinnerungswoche in Berlin beginnt
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 17.11.2019, 14:31:35

@ marina

Du hast natürlich recht mit Deiner Vermutung hinsichtlich einer DDR-Funktionärskarriere vom wandersmann_1. Insgesamt hatte ich während meiner Anwesenheit in der DDR nämlich 3 staatliche Funktionen auszuüben.

Von 1968-1969 war ich in unserer Klasse dafür eingeteilt, vor Unterrichtsbeginn den Tintenstand der Füllfederhalter meiner Klassenkameraden zu überprüfen. Das war insofern wichtig, da man selbst in der DDR ohne Tinte nicht schreiben konnte. Bei wem der Füllstand zu niedrig war, wurde er von mir mittels eines sich im Lehrerschrank befindlichen Tintenfäßchen nachgefüllt.

Die zweite Funktion, auch wichtig, war das einsammeln des Milchgeldes, und das holen und verteilen der Pausenmilch in den Jahren 1972 und 1973. Dass das im Rahmen eines Pionierauftrages geschah, wurde mir erst beim Durchstöbern meiner Stasiakte so richtig bewusst.

Die dritte und letzte staatl. Funktion, die ich auszuüben hatte,war die des Schreibers während meiner Zeit bei der Fahne von 1981-1983, konkret im 3. DhJ. Also - Post austragen, tägliche Stärkemeldung usw.

Ich weiß natürlich, dass das alles nicht in Ordnung von mir war, und dass ich bis an mein Lebensende für die Schuld, die ich mir damit aufgeladen habe, gerechterweise werde büßen müssen.
 

Angeli44
Angeli44
Mitglied

RE: Mauerfall vor 30 Jahren: Erinnerungswoche in Berlin beginnt
geschrieben von Angeli44
als Antwort auf Tina1 vom 17.11.2019, 13:01:33

An Tina,

Tina, was du geschrieben hast, ist absolut stark!

Angeli44

wandersmann
wandersmann
Mitglied

RE: Mauerfall vor 30 Jahren: Erinnerungswoche in Berlin beginnt
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf Angeli44 vom 17.11.2019, 15:54:33

Noch ein Echoblasenbewohner.
Wo bleibt eigentlich Monja_moin?

Im übrigen mag das, was Tina1 oben schrieb, für Dich stark sein, realistisch betrachtet ist es ein Konglomerat aus Wahrheit, Halbwahrheit durch weglassen, Falschdarstellung, dem erheben subjektiver Erfahrungen zur Darstellung objektiver Prozesse, was natürlich gern gemacht wird, nicht zwingend aber die Realtät widerspiegeln kann. Was allerdings nicht gleichbedeutend damit sein soll, dass ich ihre Erlebnisse in irgendeiner Weise in frage stellen möchte.
Wessen Leben in der DDR in der Rückschau aber ausschließlich aus Angst vor dem MfS, aus Angst davor, seine Kinder "weggenommen" zu bekommen, weil mal ein "falsches" Wort fiel, der kann einem wirklich leid tun. Und das in doppelter Hinsicht.


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barbarakary
barbarakary
Mitglied

RE: Mauerfall vor 30 Jahren: Erinnerungswoche in Berlin beginnt
geschrieben von barbarakary
als Antwort auf wandersmann vom 17.11.2019, 16:19:36

Dann findest Du es wohl in Ordnung, dass eine Bekannte von mir nicht mehr als Lehrerin arbeiten durfte, nur weil ihre Schwester einen Ausreise-Antrag gestellt hatte???

wandersmann
wandersmann
Mitglied

RE: Mauerfall vor 30 Jahren: Erinnerungswoche in Berlin beginnt
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf barbarakary vom 17.11.2019, 16:42:55

Solche Beispiele kenne ich zur genüge.
Das ist Sippenhaft und nicht tolerierbar.

Edita
Edita
Mitglied

RE: Mauerfall vor 30 Jahren: Erinnerungswoche in Berlin beginnt
geschrieben von Edita
als Antwort auf wandersmann vom 17.11.2019, 16:19:36
Wessen Leben in der DDR in der Rückschau aber ausschließlich aus Angst vor dem MfS, aus Angst davor, seine Kinder "weggenommen" zu bekommen, weil mal ein "falsches" Wort fiel, der kann einem wirklich leid tun. Und das in doppelter Hinsicht.
Leid - quatsch .... leid tuste mir nicht - ich bewundere Dich für Deine konsequente Haltung, Dich nicht zu scheuen, Dich aus ideologischen Gründen sogar zum Affen zu machen ........ sie Deine Antwort an Marina .......
Von keinem einzigen User konnte man Deine obigen Worte so lesen, auch von den Leuten, die jetzt zum Jahestag noch mal bezüglich ihrer Flucht in den Medien zu Wort kamen, konnte man Selbiges nicht vernehmen, die meisten hatten schlicht und einfach die Schnauze voll von Bevormundung, Kontrolle und Überwachung, sie wollten das nicht bis an ihr Lebensende ertragen und aushalten müssen, und nur das war ihr Beweggrund, und natürlich lebten sie bis zum angepeilten Zeitpunkt, ein unauffälliges stinknormales Leben mit allem was dazu gehört!

Edita

 
Tina1
Tina1
Mitglied

RE: Mauerfall vor 30 Jahren: Erinnerungswoche in Berlin beginnt
geschrieben von Tina1
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 17.11.2019, 14:31:35
Ich schließe mich deinem Dank an. Und ich frage mich nicht erst seit heute, was für eine Funktion Wandersmann in der DDR hatte.
👀 Vielleicht "H. u. G.", so nannte man eine Gruppierung.❓😃
Tina

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