Diskussion historischer Ereignisse Ein erschütterndes Zeitzeugnis im ST

Karl
Karl
Administrator

Re: Ein erschütterndes Zeitzeugnis im ST
geschrieben von Karl
als Antwort auf carlos1 vom 05.05.2012, 19:46:18
Wer jene Zeit nicht erlebt hat, versteht nicht das Glücksgefühl, das ich heute empfinde, wenn ich auf ein Leben ohne weiteren Krieg zurückblicken darf. Frieden und Freiheit, die ich genieße, betrachte ich als Geschenk. Die Jüngeren haben nie erfahren, was Hunger, Angst, Unfreiheit und Tyrannei sind.
So ist es!

Aber gerade deshalb sind Berichte wie die von Pan und auch von Dir so wichtig, weil sie Menschen, die über Empathie verfügen, das Schicksal teilen lassen.

Ich habe mich meiner Tränen beim Lesen des Berichts von Pan nicht geschämt. Solche Zeugnisse braucht es und sie müssen gelesen werden, damit begriffen wird, was Krieg Menschen antut. Dann ist Krieg nicht mehr so fern und abstrakt - wie in Afghanistan oder Somalia.

Karl

sysiphus
sysiphus
Mitglied

Re: Ein erschütterndes Zeitzeugnis im ST
geschrieben von sysiphus
als Antwort auf Karl vom 05.05.2012, 20:59:37
Ja, die Zeit des Krieges ist unvergleichbar. Nach den immer heftigeren und intensiveren Fliegerangriffen in 1943, konnte ich mir keine Steigerung des Grauens vorstellen. Doch im Februar hatten Partei- und Volksgenossen dem Goebbels zugejubelt als der den totalen Krieg verkündete. Das Unvorstellbare wurde in 1944 grauenvolle Wirklichkeit.

"3. 4. Himmler befiehlt die Erschießung aller männlichen Bewohner in Häusern, an denen weiße Kapitulationsflaggen gezeigt werden". Dieser Eintrag in der LeMO-Chronik des DHM, erinnert mich an ein furchtbares Geschehen das ich aus der Nähe mit ansehen mußte: Ein älterer Mann war in der Jülicher Strase auf einen Stuhl gestiegen um an der Haustür eine weiße Fahne zu befestigen, als von der Bornholmer Strasse her drei SS-Männer auftauchen, die unter lauten Fluchen den Alten vom Stuhl zerrten, an die Wand stellten, dann ein kurzer Feuerstoß aus der Maschinenpistole und ein Menschenleben war ausgelöscht.

Über die Bornhlomer Strasse zogen unendliche Kollonen von Flüchtlingen. Aus diesem Zug kam eine Verwandte zu uns, konnte jedoch nicht bleiben, weil wir schpn Einquartierung hatten, und weil es den Flüchtlingen bei Strafe verboten war im Berlin zu verbleiben. Später hatte uns diese Tante von ihrer weiteren Odyssee berichtet, es ist kaum vorstellbar wie es den Flüchtlingen damals ergangen ist.

Das Leben der Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt dieser Video-Bericht.

sysiphus...
anjeli
anjeli
Mitglied

Re: Ein erschütterndes Zeitzeugnis im ST
geschrieben von anjeli
als Antwort auf carlos1 vom 05.05.2012, 20:50:57
Ich bin Nachkriegskind. Durch meine Eltern habe ich schon als Kind sehr viel über den Krieg
und die Gefangenschaft erfahren.

Durch mein ganzes Leben ziehen sich die Kriegserlebnisse von anderen Menschen wie ein roter
Faden durch mein Leben.

Im Altenheim sowie im Hospiz erzählen mir die Menschen von ihren Kriegserlebnissen. Es sind
immer grauenhafte Tatsachenberichte und viele Menschen leider sehr darunter, haben ein lebenlang gelitten. Es gibt aber auch viele Menschen, die ein "normales" Leben führen konnten, die ihre Erlebnisse in den Alltag integrieren konnten.

Im Herbst 2011 habe ich einen 87jährigen (nicht dementen) Mann betreut, dass über drei Wochen, von morgens 8.00 Uhr bis abends 22.00 Uhr.
Er hat mir jeden Tag zwei Stunden und länger von seinen Kriegserlebnissen, von seiner Gefangenschaft in Russland erzählt. Abends habe ich mit ihm Sendungen über den Zweiten Weltkrieg die im Fersehen liefen verfolgt und mit ihm diskutiert. Auch habe ich für ihn gegooglet und ihm alles vorgelesen.

Vor einiger Zeit habe ich für meinen Köln-Blog recherchiert und bin dabei auf das Mädchen
Judith gestossen. Zufällig habe ich einen Bericht auf WDR und Filmausschnitte von der Begegnung Judith mit dem Jungen von Schindlers Liste gesehen.
Ich habe dann darüber im Köln-Blog geschrieben. Damit mein Bericht nicht ganz untergeht zwischen den vielen Kommentaren, habe ich dem Thema einen eigenen Blog gewidmet.
Auch die Recherche zu dem Täter Amon Göth hat mich so berührt und so ergriffen und dennoch bin ich froh, dass ich das alles gelesen habe.

Es hilft mir für die Gespräche mit den sterbenskranken Menschen. Ich bin gerührt, ergriffen,
mitfühlend aber nicht erschüttert. Wenn das der Fall wäre, wäre ich für diese Aufgabe nicht geeignet und würde irgendwann das Handtuch werfen müssen.

Judith und der Junge von Schindlers Liste

anjeli

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dingo
dingo
Mitglied

Re: Ein erschütterndes Zeitzeugnis im ST
geschrieben von dingo
als Antwort auf carlos1 vom 05.05.2012, 19:46:18
wir sind dem alles endkommen
mein onkel sagte zu meiner mutter: wenn die russen in Minsk ankommen: fahre zurück nach Berlin. so haben wir Trakhenen in Ostpreussen verlassen in aller eile. mutti und drei kinder. unser vater ist erst am 8.May 1948 aus der russichen gefangenschaft endlassen.
Felide1
Felide1
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Re: Ein erschütterndes Zeitzeugnis im ST
geschrieben von Felide1

Durch das Lesen von diesem Zeitzeugnis sind bei mir wieder Erinnerungen hochgekommen. Jeder Krieg gehört abgeschafft.Leider besitzt die Rüstungsindustrie eine zu große Macht und mein Wunsch wird nur ein Wunsch bleiben.

Felide
Karl
Karl
Administrator

Re: Ein erschütterndes Zeitzeugnis im ST
geschrieben von Karl
als Antwort auf Felide1 vom 06.05.2012, 06:22:13
Felide,

man darf die Hoffnung nicht aufgeben. Immerhin ist zumindest in Westeuropa ein Krieg untereinander undenkbar geworden. Warum soll das nicht irgendwann auch weltweit gelten? Dazu müssen natürlich auch wir aufhören unsere Kriege anderswo zu führen.

Karl

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schorsch
schorsch
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Re: Ein erschütterndes Zeitzeugnis im ST
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Karl vom 05.05.2012, 16:34:20
Ich habe zu lesen begonnen. Der Stil des Verfassers ist so spannend und gekonnt, dass ich weiterlesen werde.
schorsch
schorsch
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Re: Ein erschütterndes Zeitzeugnis im ST
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Karl vom 06.05.2012, 09:29:49
So lange es noch Leute gibt, denen der Friede weniger wertvoll erscheint, als die durch Waffengeschäfte ergatterten Milliarden, sehe ich nicht mal für Europa auf Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte den garantierten Frieden.

Und so lange es noch Menschen gibt, die sich durch Bücher wie "Mein Kampf" zu Hass aufstacheln lassen, werden die Waffenlieferanten ihre dankbare Kundschaft behalten!
olga64
olga64
Mitglied

Re: Ein erschütterndes Zeitzeugnis im ST
geschrieben von olga64
als Antwort auf anjeli vom 05.05.2012, 22:40:48
Ich bin Nachkriegskind. Durch meine Eltern habe ich schon als Kind sehr viel über den Krieg
und die Gefangenschaft erfahren.

Durch mein ganzes Leben ziehen sich die Kriegserlebnisse von anderen Menschen wie ein roter
Faden durch mein Leben.


anjeli


Auch ich bin ein Nachkriegskind; meine Mutter hatte es allerdings gut, sie wurde - wie damals üblich - 1943 als sie mit mir schwanger war, von der Grossstadt München evakuiert nach Garmisch, wo sie friedlich ohne Bombenangriffe mit mir leben konnte (mein sehr aktiver Nazi-Vater liess dafür seine Beziehungen bis Kriegsende spielen). Zu essen gab es auch - sie musste ihren Schmuck dafür an die raffgierigen Bauern abtreten.
Bei allem und auch den berührenden Geschichten alter Menschen am Lebensende, die den Krieg, Flucht usw. noch erlebten, darf nie vergessen werden: dies ist der Preis für ein Volk (die Deutschen), die im vergangenen Jahrhundert zwei Kriege anzettelten und viel Leid und Mord über die Menschheit brachten. Es ist nicht richtig, wenn sich Deutsche später zu Opfern stilisieren - das sind sie nicht; sie waren die Täter. Ich habe dies als Nachkriegskind schon bald begriffen und nie wieder vergessen.
Die Belohnung dafür ist wie ein Wunder - unsere Generation lebt seit Jahrzehnten in Frieden und Wohlstand, ohne Hunger und Angriffe von aussen. Dies dürfen wir ebenfalls nie vergessen und sollten dafür sehr, sehr dankbar sein. Olga
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Ein erschütterndes Zeitzeugnis im ST
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Karl vom 05.05.2012, 16:34:20
Vorbild USA
Als möglichen Weg aus der Krise schlug der letztjährige Nobelpreisträger Thomas Sargent den Ländern der Eurozone vor, sich die Geschichte der USA zum Vorbild zu nehmen: Nach ihrer Unabhängigkeit 1776 hätten die 13 US-Gründerstaaten ihre jeweiligen Schuldenkrisen gelöst, indem sie ihre Budgets unter einer neuen Bundesregierung vereint hätten, die mit ihrer eigenen Steuerpolitik gegensteuern konnte. Dieser Schritt stelle vor allem eine mutige politische Entscheidung dar: "Wir wurden geboren mit einer entschlossenen Lösung für die Probleme, mit denen Europa heute zu kämpfen hat", sagte Sargent weiter. "Das alles geschah gleichzeitig, mit Hilfe eines Prozesses, der wie ein Wunder aussieht". Ähnliches könnte auch Europa schaffen."



Die USA hatten einen Alexander Hamilton, der diese Idee hatte und sie ummsetzte. Wir stehen heute in Europa ort, wo die späteren USA zwischen 1781 und 1789 (Inkrafttreten der US-Verfassung) standen.

Sargent schlug deshalb in seiner Rede anlässlich der Nobelpreisverleihung vor, dieses Handlungsmuster als Lösung zu übernehmen. Alle Schulden der Einzelstaaten sollten in das Budget eines föderativen europ. Bundes übernommen werden. Schuldenvergemeinschaftung also, mit dem Preis einer gemeinsamen politischen und wirtschaftlichen Führung.

Was wir in Europa dringend brauchen ist das Eingeständnis, dass die jetzigen politischen und wirtschaftliche Strukturen inkompatibel sind mit der gemeinsamen Währungsunion.

Es ist sinnlos von Dtld zu verlangen, dass es ein exzessives Ausgabeverhalten in anderen Staaten mit großen Summen finanzieren soll bei fehlender gemeinsamer Kontrolle. Vorwürfe derart, dass wir Schuld tragen an der Schuldenpolitk anderer - völlig souveräner Staaten - gehen in die falsche Richtung. Nur ein gemeinsames Vorgehen, mehr instituionelle Einigung Europas bringt eine Lösung.

c.

Link: http://wirtschaft.t-online.de/schuldenkrise-nobelpreistraeger-praesentiert-loesung-fuer-euro-krise/id_50505254/index




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