Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST

Innenpolitik 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST

Gillian
Gillian
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Re: 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST
geschrieben von Gillian
als Antwort auf lupus vom 07.10.2015, 18:40:14
Schade ums Lesen, gelle Lupus?

Zum Thema wollte ich nur noch bemerken: So "ganz eingemauert" waren wir ja auch nicht, sind ans Schwarze Meer statt ans Mittelmeer gefahren, oder an die Moldau und den Balaton, eine Kollegin machte sogar eine "Mittelasien-Reise" - nur eben nicht Richtung Westen.
Das haben wir dann vor 25 Jahren nachgeholt .
Gi.
wandersmann
wandersmann
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Re: 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf dutchweepee vom 07.10.2015, 03:51:08
@dutchweepee

Ob es nun die beste deutsche Nationalhymne aller Zeiten ist, wage ich nicht zu beurteilen, aber eine, die zu Herzen geht in jedem Fall. Gelegentlich schaue ich mir mal auf der jutube alte Sportübertragungen an, bei denen auch unsere ehemaligen Spitzensportler aufm Siegerpodest stehen. Die Hymne verursacht dann nicht nur bei denen ein Tränchen ...

Aber mal von dieser kleinen Abschweifung abgesehen, es war immerhin ein Vers aus der ersten Strophe der DDR-Nationalhymne, den die Menschen auf den Demonstrationen 89/90 riefen. Nicht "Wir sind ein Volk", sondern "Deutschland einig Vaterland" wurde gerufen.
Der Slogan "Wir sind EIN Volk" ist nachweislich die Kreation einer CDU-nahen PR-Agentur, die dem "Wir sind DAS Volk" im Hinblick auf eine mögliche Wiedervereinigung noch einen draufsetzen sollte. Eine Befragung hatte ergeben, dass es den Ruf "Wir sind ein Volk" bis auf wenige male, im Grunde nie auf Demonstrationen gegeben hat.
Das Skandieren eines Verses aus der DDR-Hymne war natürlich auch eine sehr spezielle Form des Widerstandes.
olga64
olga64
Mitglied

Re: 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST
geschrieben von olga64
als Antwort auf lupus vom 07.10.2015, 18:40:14
Und das soll eine Antwort auf meinen Beitrag sein??
Eigenartig!
lupus


Haben Sie wirklich in Ihrem Kommentar irgendeine Frage gestellt? Ich finde keine - demzufolge konnten und können Sie auch keine Antwort erwarten. Wir können alle nur das lesen, was hier "rumsteht" - oder es sein lassen. Olga

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carlos1
carlos1
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Re: 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Karl vom 03.10.2015, 09:27:34
Lieber Karl,

du schreibst in deinem Einleitungsbeitrag, dass zwei Richtungen hier im Forum dominieren: auf der einen Seite herrsche Siegermentalität, auf der anderen Seite das Gefühl, oder wie du es ausdrückst: das "Faktum, dass die DDR und die BRD nicht gleichberechtigt fusionierten". Faktum ist, die DDR wurde von der Bundesrepublik übernommen. Der Einigungsvertrag zeigt sehr wohl, dass die Menschen drüben rechtlich auf Augenhöhe ins gemeinsame Haus einzogen. An der wirtschaftlichen Misere von 1989 ändert das aber nichts. Diese Misere ist die Folge von Fehlentscheidungen. Der Staat der so genannten Ossis ist verschwunden, wobei mit Staat bei weitem nicht nur das politische System gemeint sein darf. Das ist der Knackpunkt. Der Ossi-Wessi-Konflikt ist eine Art von Phantomschmerz der verloren gegangenen Staatlichkeit. Äußere Unterschiede - also Kleidung, Haartracht, Manieren, Lebensstil - werden sich angleichen, haben sich angeglichen, so dass nach weiteren 25 Jahren noch weniger als heute jemand aufden ersten Blick als zugehörig zu einer dieser Gruppen (Wessi/Ossi) ausgemacht werden kann. Regionalpatriotismus wird es in Dtld aber immer geben. Der Württemberger wird einen scheelen Blick auf den Gelbfüßler (Badenser) werfen und umgekehrt. Bayern und Preußen (wozu alle Norddeutschen zählen), Sachsen und Berliner bzw. Anhaltiner. sind weitere Beispiele von regionalem Patriotismus.

Das Problem bei den Älteren der im ST anzutreffenden DDR-Nomenklatura scheint mir wo anders zu liegen. Partnerschaftliche Diskussion, die du anstrebst, ist für Hardliner nicht möglich. Wer bereits unglücklich ist - und dies auch ventiliert - wenn die Schienenstöße im Eisenbahnverkehr der DDR als lästig empfunden wurden, wird nicht in ein offenes Gespräch eintreten können. Sachliche Kritik oder eine Meinungsäußerung wird bei dieser Ausgangslage auch nicht verstanden als Einladung zu einem Gespräch, zu einem Dialog oder einer Diskussion, viel eher wird sie als Provokation verstanden. Eine andere Meinung als die eigene wird als Abmahnung aufgefasst, sich zu ändern und wird konsequenterweise als überheblich bezeichnet.

Zitat:
"Und etwas einsehen sollten immer nur die Ossis.
Wenn ich hier von einem Westdeutschen lese, dass er bei einer Reise in den Osten über holprige Bahngleise fuhr (oder so ähnlich), dann bin ich schon bedient.
Die DDR hat 97-98% der Reparationen nach dem 2. WK bezahlt, den ganz Deutschland verursacht hat,
es wurden -zig km Schienenstränge ausgebaut und ganze Betriebe demontiert. Das alles aus eigener Kraft ohne Hilfe von außen wieder aufbauen zu müssen, war eine Leistung, die kaum ein Westdeutscher in irgendeiner Weise in Betracht zieht.
Das alles ist hier auch schon diskutiert - und sofort vergessen - worden.
Ich bin es so was von leid, dass wir immer und ewig als die Deppen hingestellt werden und habe nicht die Absicht, hier in einem großen Jubelthread mitzumischen." Gillian


Nicht mehr bestimmte Themen (wie etwa Zustand der Verkehrseinrichtungen) ansprechjen zu dürfen, grenzt fast an Nötigung. Es geht um fehlende Eisenbahntechnik, um zweckentfremdete hohe Millionenbeträge, die vertraglich an die DDR für Erhaltungsaufwand etwa der Autobahn von Hof nach Berlin an die DDR flossen.

Zur Erinnerung: Zu dem Dt. Reich, von dem der letzte Weltkrieg ausging, gehörten auch Gebiete wie Ostpreußen, Schlesien Pommern etc. Die dort lebenden Deutschen wurden, sofern nicht geflüchtet, vertrieben. Bei der im Mai 1945 einsetzenden wilden Vertreibung, die in Potsdam dann legalisiert wurde, gab es 800 000 Opfer, Flüchtlingsopfer nicht gerechnet. Zu sagen, dass insbes. die DDR-Bürger im Nachkriegsdtld benachteiligt werden/wurden ist abwegig. Im Übrigen stellen die abgetretenen Ostgebiete einen sehr hohen wirtschaftlichen Wert dar, der bei weitem jeden näherungweisen Schätzwert der Reparationen aus den Besatzungszonen übertrifft. Die DDRler und insbesonders die Westdeutschen sind gegenüber den Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten die Privilegierten der Kriegsverlierer. Die Vorstellung, dass im Westen alles leichter gewesen sei und das Geld im Marshallplan in Strömen floss, ist Unsinn. Auch im Westen gibt es eine Geschichte der Transformation, gab es soziale und ökonomische Veränderungen, die gravierender waren als alles in der DDR erlebte.

Ich knüpfe an das oben über die Vertriebenen/Flüchtlinge an. Wenn heute der Flüchtlingsstrom einiger Hunderttausend Menschen als epochaler Einschnitt bezeichnet wird, als Caesur wie die Vereinigung 1990, dann ist das grotesk. Heute ist es kein zusamengeschlagenes, verarmtes, hungenrndes Land, in das 9 Mio ausgehungerter, besitzloser Menschen strömen wie 1945 bis 1947. Britische Offiziere berichten, dass mit den Vertriebenentransporten aus dem Osten oft mehr Tote als Lebende in den Westzonen ankamen. Sehr beliebt waren diese noch lebenden Flüchtlinge nicht, eine Willkommenskultur gab es nicht. Briten brachten sie notgedrungen in Blechhütten aus Armeebeständen unter, weil sie Seuchen und soziale Unruhen befürchteten. Wurden sie in Häusern - 1 Zimmer pro Familie - einquartiert, musste auch Militärpolizei mit gezogener Waffe behilflich sein, weil die Bewohner sich wehrten. 50% des Gesamtwohnraums in den Westzonen (Städte vor allem) waren zerstört. Im Osten sah es in der Wohnraumfrage weniger schlimm aus. Es gibt keine Gesprächsbasis, wenn keine Kenntnisse vorhanden sind und keine Vergleichsmaßstäbe. Aber welchen Sinn machen Vergleiche über das Nachkriegselend überhaupt?

So unsinnig Reparationen an sich sind, sie können heute immer noch als Totschlagargument nützlich sein. Die Rep.frage dient doch nur der Exkulpierung des eigenen ökonomischen Versagens in der DDR, Die Feststellung des Stasi-Generalmajors Falk Kupfer im letzten Teil der Filmserie "Weissensee" (DDR hat 98% der Reparationen für Dtld geleistet) ist Credo der DDR-Politik gewesen, wird von Gillian übernommen. Wegen des genannten Films und dieser Äußerung (nicht wegen der Diskussion hier im Forum) wurde womöglich bundesweit im Internet Wiki angeklickt. Übrigens: Es gibt verschiedene Versionen der Reparationenfrage. Die von Gillian und dem Stasi-General im Film genannte Zahl beruht auf den Recherchen einer Arbeitsgruppe der Humboldt-Universität Anfang der 90er Jahre. Die Angaben dazu in Wikipedia sind sehr knapp gehalten. Die Grundlagen der Bewertung sind unklar: 98% der Rep. Gesamtdtlds habe die DDR geleistet. Frage: 98% von was eigentlich? Das Beutegut, das 1945 ohne Registrierung aus Bibliotheken und Museen geholt wurde, ist nirgends verzeichnet. Ich stütze mich auf die ausführlichen und genaueren Untersuchungen des Bundesministeriums f. innerdeutsche Beziehungen, wo zumindest die einzelnen Herkunftsquellen der Reparationen genannt und mit Zahlen (auch aus der SBZ/DDR) belegt sind. Wie hoch die Entnahmen durch die SU vor Aufnahme der Registrierung sind, kann eben nur geschätzt werden. Viele Unsicherheiten bleiben bei anderen Posten. Das Bundesministerium kam zu einer Zahl von 66,4 Mrd Mark. Der Stasi-General im Film fügt im Familienstreit noch hinzu, dass der größere Wohlstand "drüben" nur "durch Ausbeutung" erlangt sei. Das war und ist die Meinung der kommunistischen Nomenklatura, die auch in Schalck-Golodkowskis Dissertation eingeflossen sind, wonach die DDR weit über ein Billion MDN (Mark der dt. Notenbank) von der Bundesrepublik einzufordern habe (z. B. für Menschenschmuggel, seit 1950 bis zum Mauerbau etc). Die Fluchtbewegung aus der DDR wird in der DDr offiziell "Menschenschmuggel"genannt (seit 1945 haben ca. 4 Mio Menschen das Gebiet der russ. Zone und der DDR verlassen). Die durch die SU demontierten Gleisanlagen machten übrigens 48% der Gesamtstreckenkilometer in der SBZ aus. Zweifellos ein gewaltiger Schaden. Die DDR hatte keine Eisen- und Stahlindustrie (Eisenhüttenstadt wurde erst später in den 50ern geschaffen).

Ebenso schlimm wirkten sich die Demontagen von bis zu 3000 Betrieben (nicht 2000). Von den direkten Entnahmen aus der Produktion (SAGs), die bis zu 30% des Sozialprodukts bis 1953 ausmachten, ganz zu schweigen. Was Reparationen sind, hängt also von der Definition ab.

Die Realgüterreparationen (Demontagen) in die SU waren ökonomisch weitgehend sinnlos. Dt. Gefangene (mein Schwiegervater) berichteten von verrosteten unbrauchbaren dt. Maschinen auf Bahnhöfen in der SU. Zu Reparationen gehören nicht nur Sachschäden, sondern auch Personenschäden. Wenn Diskutanten von monatlichen Geldzahlungen (Reparationen!) an Israel schreiben, sind damit auch Unterhaltszahlungen für KZ-Häftlinge (auschwitz) gemeint. Die DDR hatte jedoch nie ein Interesse daran gehabt sich daran zu beteiligen, sah sich sogar im Rang einer Siegermacht.

Im obigen Zitat wird zurecht festgestellt, dass die DDR eine große Aufbauleistung aus eigener Kraft erzielt hat. Falsch ist dagegen die Feststellung, dass kaum ein Westdeutscher davon Notiz nimmt. Die DDR hat auch ein Wirtschaftswunder erlebt und das trotz schwierigerer Ausgangslage infolge Krieg und Besatzung als Westdtld, trotz schlechter geopolitischer Position und trotz eines nicht gut funktionierenden Planungssystems, trotz einer Massenfluchtbewegung bis 1961von vielen ausgebildeten Leuten, die im Westen willkommen waren. Dass DDR-Menschen in Punkto Hilfsbereitschaft und im Miteinander anders sind als viele Egos im Westen, brauche ich nicht weiter betonen. Den Individualismus übertrieben wir im Westen gewaltig, im Osten wurde der Kollektivismus übertrieben.

Der 3.10.1990 ist mir in Erinnerung als ein Tag von Auseinandersetzungen mit meiner Tochter, die gegen die Einheit war (... was wollen dies Leute bei uns?). Olga hat darauf hingewiesen, dass wir im Westen nicht gefragt wurden, ob wir diese Einheit wollten. Es gilt als selbstverständlich und notwendig, dass die Einheit kommen musste. Es steht im GG, dass die Vollendung der dt. Einheit Auftrag sei. Aber das war doch in den 80ern eine Fata Morgana. Ich war seit 1986 wiederholt in der DDR und erllebte interessante Begegnungen. Ein Treffen Anfang November 1986 passt gut in diesen Zusammenhang. Angesagt war im Programm der Vortrag eines Herrn von der NVA über Sicherheitspolitik. Wir erwarteten einen schneidigen Offizier. Es kam aber ein netter älterer Herr mit Doktorgrad. Als Lektüre war auf den Zimmern Propagandamaterial ausgelegt, u. a. Gorbatschows Vorschläge in Reikjavik (Treffen von Reikjavik). Ich las diese Vorschläge und fand sie erstaunlich. Es war das "Signal von Reikjavik", wie es in der Presse genannt wurde. Die Situation im Kalten Krieg war seit dem Nato-Doppelbeschluss kritisch. Sehr gefährlich. Wenige km von unserem Ort entfernt standen öfter Pershing-Raketen im Wald. Manöver wurden abgehalten. Meine Frau traf im Wald auf Soldaten mit Gewehr im Anschlag, die ihr mit den Kindern den Weg zu einem Spielplatz im Wald versperrten und sie nicht durchließen.

Der Vortrag ging etwa eine halbe Stunde und der Tenor war, dass die US-Imperialisten keinen Schritt zurückweichen wollten und es deshalb keine Lösung in der Frage der Mittelstreckenraketen gäbe. Schuld seien die USA. Also weiter Kalter Krieg. Ich meldete mich schließlich und sagte, dass Gorb. in Reikjavik gute Vorschläge gemacht habe und dass eine Lösung der IMF-Frage (Mittelstreckenraketen) doch möglich sein müsste. Diese Vorschläge seien nicht einfach vom tisch zu wischen. Die Ablehnung Reagans dürfte nicht das letzte Wort gewesen sein. In zwei Jahren würden wir aufgrund solcher Vorschläge eine Lösung haben. De Redner war keinesfalls entzückt. Auch die Kollegen drehten sich nach mir um und blickten vorwurfsvoll. Der Vortrag war ohne Antwort zu Ende. Diskussion unerwünscht. Dazu durfte der Vortragende wohl nichts sagen. Warum nur wurde dann der Text mit Gorbatschows Vorschlägen ausgelegt?

Reagan war in Reikjavik durch Gorbatschows Vorschläge überrascht worden, er war auf den wendigen Gorb. nicht vorbereitet worden. Die SED-Führung wollte kein Tauwetter im Kalten Krieg, unterschätzte ihrerseits auch die Wendefähigkeit der US-Administration. Ich war so unverfroren noch zu sagen, dass ich spätestens in zwei Jahren ein Abkommen über die Mittelstreckenraketen erwarte. Tatsächlich war aber ein Abkommen in weniger als einem Jahr unter Dach und Fach. Wie hatte doch ein aufgewcckter junger Mann im Apparatewerk Berlin-Treptow zu uns gesagt: "Gorbi ist mein Mann." Am Abend kam noch Besuch. Der Ausbildungsleiter des Betriebs kam und wollte sich mit uns treffen. Er brachte mir ein paar Lehrbücher mit. Es stellte sich heraus, dass er aus Heimsheim stammte, der Liebe wegen in Berlin geblieben und uns fragte, ob jemand Grüße an die Verwandten in H. übermitteln könnte. Er hatte keine Verbindungen mehr in den Westen.

Der ältere Herr von der NVA blieb übrigens noch zum Abendessen da und ich setzte mich an seinen Tisch. Wir waren zu zweit, aber auf meine Fragen kamen keine Antworten. Mir wurde klar, dass er nicht mit mir reden durfte, denn ich kam aus dem "feindlichen" Ausland.

Ich könnte von vielen Begegnungen und Treffen berichten, auch in der Zeit nach dem Mauerfall. Die Zeit vor dem 9. Nov. war sehr spannend. Voraussehbar war die Maueröffnung nicht. Auch nicht die Vereinigung. Am 2. Oktober 1990 kam ich von einem Besuch der Partnerstadt in der DDR zurück. Der nächste Besuch fand dann nicht mehr in der DDR statt. Im August 1991 fuhr ich mit meiner Tochter nach Berlin, sie hatte Interesse gezeigt die Stadt zu besuchen. Wir wohnten in einer Wohnung in einem der großen Plattenbauten direkt gegenüber dem Tierpark Friedrichsfelde. Tourten durch Berlin, blieben bald in der "Topographie des Terrors" hängen, einer umfangreichen Darstellung der Hitlerzeit in Dtld und des Hitlerkrieges in der Nähe des Gropiusbaus. Den Straßennamen habe ich vergessen. Dort gegenüber dem heutigen Bundesratsgebäude (ehemals preußisches Abgeordnetenhaus waren Keller der alten Gestapozentrale "entdeckt" worden, die zu der Prinz Albrechtstraße gehörten. Man hatte sie (und damit die Vergangenheit) einfach schnell zugeschüttet. Nun tauchten die Räumlichkeiten wieder auf. Dort wurden die Gefangenen der Gestapo gequält, direkt daneben die Mauer. (ein symbolischer Ort). Eine sehr gute Ausstellung zur Hitlerzeit und zum Hitlerkrieg beschäftigte uns mehrere Tage. Meine Tochter sah sich jedes Bild an, las die Texte, wir sprachen nicht viel. Mittagessen gab es im Reichstag; dort gab es auch eine Ausstellung zur dt. Geschichte. Abends im Bett las sie weiter in den ausführlichen Katalogen. Sie kam in die 13. Klasse. Mir taten die Beine weh. Das dt-russische Museum in Karlshorst besuchten wir auch, sahen den Saal, in dem a, 8. Mai Gen.f.marschall Keitel die Kapitulation der Wehrmacht unterzeichnete.

Zurück im Ostteil. Ich telefonierte mit unserer Vermieterin. Sie hätte noch nie etwas von dieser Ausstellung gehört, käme auch nicht in den Westteil der Stadt. Berlin ist halt ein größeres Dorf. Sie wohnte in Karlshorst in einer schönen alten Villa, war Sprachdozentin an der Humboldt-Universität. Erst seit Herbst 1989. Nun sollte sie, wie sie mir erzählte vor einer Kommission erscheinen, sich rechtfertigen und sich auf ihre" moralische Integrität" hin überprüfen lassen, ausgerechnet von einem Rektor, der seit Jahren an der Humboldt-Uni war, u. der für vieles ihrer Ansicht nach verantwortlich zeichnete. Es ergeht mir oft so, dass ich Dinge höre, die unglaublich sind, aber nich daruaf reagiere. Der Verstand sträubt sich unbewusst gegen Dummheit. Ich höre sie, nehme aber das unfassbar Widersinnige nicht wahr; deshalb blieb ich ruhig. Neulich fand ich in einer älteren Studentenzeitschrift der HU ihr Bild und einen Text von ihr.

" ....im Osten eine große Empfindlichkeit gegen Kritik und im Westen Siegermentalität..." Karl


Karl, ich denke, das lässt sich nicht so vereinfacht in Schwarz-Weiß-Manier darstellen. Für mich trifft es wohl nicht zu. 1990 oder 1991 trat ich der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft bei, was m. E. nicht unbedingt für Siegermentalität spricht.

Viele Grüße
c

PS: Ich entschuldige mich für den langen Beitrag. Musste erst im Gedächtnis suchen, was ich damals alles getrieben habe. Es wurde immer mehr. Das hier ist nur ein kleiner Aussschnitt.
ehemaligesMitglied41
ehemaligesMitglied41
Mitglied

Re: 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST
geschrieben von ehemaligesMitglied41
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.10.2015, 09:28:13
die MEISTEN hat es definitiv gestört, eingemaueret zu sein.


Nun, ich möchte jetzt nicht eine Diskussion entfachen, wie viel die „MEISTEN“ sind und wie man gestört definiert.

Ich bin mir nicht sicher, ob es unbedingt die Mauer war, die als störend empfunden wurde, als vielmehr die Reisebeschränkung.

Du schreibst aus deiner Sicht und findest es absurd, dass es viele Menschen jenseits der Mauer gab, die sich mit dem arrangiert haben, was sie hatten.

Ich habe das Gefühl, dass du einfach nicht wahrhaben willst, dass es zufriedene Menschen gab.

Dutch verarscht dich sicherlich nicht, er schreibt von einer Zeit, die er als unbeschwert und glücklich empfunden hat.

Mit der Reife des Menschen und dem Verstehen der Widersprüche entstehen und reifen neue Erkenntnisse.

Irgendwie habe ich in Erinnerung, dass du zum pädagogischen Lehrkörper in der DDR gehörtest.

Mich würde interessieren, wie du mit deiner Zwiespältigkeit fertig geworden bist.

Wie kann man etwas vermitteln, von dem man nicht überzeugt ist?

ein_lächeln_

ehemaligesMitglied41
ehemaligesMitglied41
Mitglied

Re: 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST
geschrieben von ehemaligesMitglied41
als Antwort auf olga64 vom 05.10.2015, 16:59:20
Frau Olga,

eigentlich wollte ich mich zu Ihren Einlassungen nicht äußern, doch es stellt sich bei mir die Frage, was Sie eigentlich ausdrücken wollen?

Es ist Heuchelei wenn Sie schreiben, dass es Sie interessiert, wie die Menschen sich verändert haben.

Es ist genügend darüber geschrieben worden, auch von mir.

Die wirklich allseits dumme Frage:

„…was ist denn nun besser, jetzt oder früher….“,

kann ehrlich nur beantwortet werden, wenn die Vergangenheit (immerhin 40 Jahre Lebensgeschichte) mit einfließt.

Ihr Leben hat sich doch im Laufe der Jahre auch verbessert und Sie blicken auch zurück.

Zu Recht haben Sie darauf hingewiesen, dass Sie nie in der DDR gelebt haben und schildern Ihre Besuchserlebnisse.

Von der Psyche eines Menschen verstehen Sie recht wenig, ansonsten müsste Ihnen klar sein, dass das Umfeld die Verhaltensweise eines Menschen beeinflusst und ändert.

Das Umfeld BRD hat nichts unversucht gelassen, seinem Klassenfeind die schöne, heile Welt zu propagieren.
Dort, wo man es empfangen konnte, wurden Wünsche geweckt, nicht ganz ohne Absicht.

Viele Menschen in der DDR ließen sich dadurch blenden und konnten es kaum erwarten, die vollen Warenhäuser zu stürmen, abgewrackte Autos zu kaufen und vieles mehr.

Die Ernüchterung kam dann mit dem Jobverlust, der unerwarteten Selbständigkeit und der Tatsache, dass diese Glitzerwelt auch ihre negativen Seiten hat.

Es sind keine nostalgischen Gefühle wenn davon berichtet wird, dass nicht alles schlecht gewesen ist, es ist ein Stück Lebensgeschichte und zum Teil die bittere Erkenntnis, dass die Heimat ein Stück weit verloren gegangen ist.

Genau genommen muss man sagen, dass die DDR Bürger es nicht wahrhaben wollten, dass die BRD auch ihre Schattenseiten hat.

Im Fach Staatsbürgerkunde wurde das kapitalistische System mehrfach beleuchtet.

Zugegeben, die Demokratie als solche wurde nicht erwähnt, denn wir nannten uns ja auch Demokratische Republik.

Nach der Wende gab es viele Diskussionen darüber und die einhellige Meinung:

„…wir haben es ja nicht geglaubt, dass mit dem Kapitalismus, aber es stimmte..“.

Es gibt viele Verlierer im Zuge der Einheit, die können sich zwar jetzt Bananen kaufen, frei wählen (wenn sie überhaupt wollen), doch Reisen und teure Sachen, dass können sie sich nicht leisten.

Wenn Sie wirklich mit offenen Augen durch Dresden gegangen sind, muss Ihnen auch aufgefallen sein, dass es sehr viele Ramschläden mit Billigwaren gibt und dass auf Märkten sehr viel Billigkleidung angeboten wird.

Das kenne ich so nicht in meiner neuen Heimat.

Es ist beschämend davon zu schreiben, was wäre aus dem Osten geworden, wenn der Westen nicht geholfen hätte.

Auch der Osten zahlt den Soli Beitrag und die Menschen im Osten tragen mit ihrer täglichen Arbeit dazu bei, dass irgendwann die Unterschiede überwunden sind.

Gerade die noch gravierenden Lohnunterschiede belasten noch Generationen, da die Rente dementsprechend niedriger ist.

Wir sollten den verbliebenen Menschen im Osten Deutschlands dankbar sein, dass sie heimattreu geblieben sind, damit dieser Landstrich erhalten bleibt, mit der ganz eigenen Mentalität und Lebensweise, so wie es in anderen Teilen Deutschlands auch ist.

ein_lächeln_



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ehemaligesMitglied41
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Re: 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST
geschrieben von ehemaligesMitglied41
als Antwort auf dutchweepee vom 07.10.2015, 02:06:01
Wolln wir unsere Kisten mit abgeschnittenen Schuko-Kabeln zusammenschütten?
geschrieben von dutch


...war heute auf der Mülldeponie und habe mich schweren Herzens von den vielen Steckern getrennt.

Aber keine Bange, ich habe noch das „gute“ Porzellan im Schrank.

Mir ist eingefallen, dass meine Eltern immer in der Zeitung (ND) die Schiffsbewegungen gelesen hatten.

Die auslaufenden und ankommenden Schiffe waren immer aufgelistet, also wussten wir, dass Bananen und Orangen unterwegs waren.

Es war ja nicht so, dass es keine Orangen gab, die grünen Cuba Orangen konnte man schlecht essen, aber als Saft ausgepresst waren die gut.

Die gab es fasst das ganze Jahr und Grapefruit auch.

Später habe ich die Nachrichten nicht mehr so verfolgt, da ich nur die SZ und die JW hatte, sehr zum Ärger meiner Vorgesetzten.

Eins muss ich noch loswerden, da du hier unberechtigter Weise an den Pranger gestellt wirst.

Die, die in der DDR ruhig und nicht aufmüpfig waren, hatten die meisten Nachteile.

Ich bin heute noch wütend wenn ich daran denke, wie sich die Unzufriedenen teilweise aufgeführt haben.

Aus der eigenen Familie kenne ich das auch.
Ein Schwager, Mitglied in der LDPD, wollte unbedingt eine Wohnung für die Tochter, der drohte nicht wählen zu gehen, und schon bekam die Tochter eine Wohnung.

Das haben nicht wenige so gemacht und der Normalbürger hatte immer das Nachsehen.

Ich habe die ganze Prozedur des ruhigen Wartens durchgemacht, erst 1 ½ Zimmer, dann 2 Zimmer und als der Junge dann 8 Jahre war, endlich eine Wohnung mit Kinderzimmer.

Schön war das nicht, doch sollten alle sich wie ein Käfer auf den Rücken legen und strampeln?

Ich kenne jetzt auch Leute, die wohnen in einer kleinen 2 Zimmer Wohnung mit 2 Kindern, bekommen einfach keine größere Wohnung, bzw. müssen jetzt abwarten, ob der Mann seinen befristeten Arbeitsvertrag gewandelt bekommt und wenn, dann wohin.

Fazit ist, dass sie Dank der Lockerung des Kündigungsgesetztes noch 2 Jahre ausharren müssen.

Wären beide Hartz IV Empfänger, würden sie Anspruch auf ca. 100 m² haben.

Die betreffende Familie stammt aus Thüringen, dort gibt es Wohnung, aber keine Arbeit.

Nun kann sich jeder ausdenken, was in den Köpfen der Familie vor sich geht.

ein_lächeln_

lupus
lupus
Mitglied

Re: 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST
geschrieben von lupus
als Antwort auf olga64 vom 08.10.2015, 15:14:26
Sie haben doch aber auf "antworten" geklickt oder?
Für eine Bemerkung, die nicht auf einen anderen Beitrag eingeht, steht ein Butten am Anfang des Fadens zur Verfügung, sonst ergibt sich kein sinnvoller Zusammenhang.
lupus
lupus
lupus
Mitglied

Re: 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST
geschrieben von lupus
als Antwort auf lupus vom 09.10.2015, 08:02:34
Zur Vorbeugung: "Button"
lupus
Karl
Karl
Administrator

Re: 25 Jahre Deutsche Einheit und die Ossi-Wessi Debatte im ST
geschrieben von Karl
als Antwort auf carlos1 vom 08.10.2015, 20:53:59
Lieber Carlos1,

herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag. Dieser steht für sich und ist eine inhaltliche Bereicherung für diesen Thread.

Du zitierst mich aus meinem Eröffnungsbeitrag mit

" ....im Osten eine große Empfindlichkeit gegen Kritik und im Westen Siegermentalität..." Karl
und fügst an:
Karl, ich denke, das lässt sich nicht so vereinfacht in Schwarz-Weiß-Manier darstellen.

Natürlich gebe ich Dir da Recht. Es war nicht meine Absicht mit meiner Aussage alle Ostdeutschen und alle Westdeutschen in jeweils eine Schublade einzusortieren. Du weißt, dass mir eine solch vereinfachende Sicht fremd ist und ich differenzieren kann. Ich wollte damit nur eine Tendenz wiedergeben, die leider auch im Forum oft zu beobachten ist.

Mich selber möchte ich z. B. als "Wessi" auch nicht zu den Menschen mit Siegermentalität in Bezug auf Ostdeutschland einordnen. Solche Haltungen gilt es ja m. M. n. gerade zu überwinden. Überhaupt geht es m. E. jetzt darum, den Blick nach vorne zu richten. Es gibt viele neue Aufgaben, die Gesamtdeutschland jetzt zu meistern hat. Ein Blick zurück, auch auf die Vertreibung aus den Ostgebieten, kann dabei helfen, Verständnis für Flüchtlinge zu wecken und vielleicht wird auch einigen klar, dass wir heute in nicht ausgebombten Zustand sehr viel besser für den "Ansturm" an Menschen gerüstet sind als damals.

Du hast diesen Vergleich von heute mit der Nachkriegszeit erwähnt und dafür bin ich Dir dankbar.

Unsere Wirtschaft brummt und die Rentner haben 2016 eine deutliche Erhöhung der Renten zu erwarten, im Westen 4%, im Osten 5%, so lese ich heute in der Badischen Zeitung. Deutschland ist in einem guten Zustand und wir sollten mit Mut nach vorne blicken.

Karl

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