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Innenpolitik Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa

RE: Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf teri vom 21.07.2019, 22:45:49
Offen sei nur, wie viele nach der Übernahme des Lagers durch die Engländer starben, "als diese für die Versorgung der Insassen verantwortlich waren".
Schöner Satz, der aber niemanden der Realität nahe bringt! Er wirkt eher als Verantwortung abschieben, wie weiteres Verdrängen auf mich!

Wer sich wirklich mal mit den Vertuschungsmethoden auseinandergesetzt hat und vor allem mit dem weiter töten an deutschen durch deutsche nach Kriegende, der wird meinen ersten Satz bestimmt gut nachvollziehen können.

 
wandersmann
wandersmann
Mitglied

RE: Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa
geschrieben von wandersmann
Johannes R.Becher:

Kinderschuhe aus Lublin



Von all den Zeugen, die geladen,
vergess ich auch die Zeugen nicht.
Als sie in Reihn den Saal betraten,
erhob sich schweigend das Gericht.
Wir blickten auf die Kleinen nieder,
ein Zug zog paarweis durch den Saal.
Es war, als tonten Kinderlieder,
ganz leise, fern, wie ein Choral.
Es war ein langer bunter Reigen,
der durch den ganzen Saal sich schlang.
Und immer tiefer ward das Schweigen
bei diesem Gang und Kindersang.
Voran die Kleinsten von den Kleinen,
sie lernten jetzt erst richtig gehn
– auch Schuhchen konnen lachen, weinen -,
ward je ein solcher Zug gesehn?
Es tritt ein winzig Paar zur Seite,
um sich ein wenig auszuruhn,
und weiter zieht es in die Weite –
es war ein Zug von Kinderschuhn.
Man sieht, wie sie den Fubchen passten –
sie haben niemals weh getan,
und Handchen spielten mit den Quasten,
das Kind zog gern die Schuhchen an.
Ein Paar aus Samt, ein Paar aus Seiden,
und eines war bestickt sogar
mit Blumen, wie sie ziehn, die beiden,
sind sie ein schmuckes Hochzeitspaar.
Mit Bandchen, Schnallen und mit Spangen,
zwerghafte Wesen, federleicht –
und viel sind viel zu lang gegangen
und sind vom Regen durchgeweicht.
Man sieht die Mutter, auf den Armen
das Kind, vor einem Laden stehn:
“Die Schuhchen, die, die weichen, warmen,
ach Mutter, sind die Schuhchen schon!”
“Wie soll ich nur die Schuhchen zahlen.
Wo nehm das Geld ich dafur her….”
Es naht ein Paar von Holzsandalen,
es ist schon mud und schleppt sich schwer.
Es muss ein Strumpfchen mit sich schleifen,
das wund gescheuert ist am Knie….
Was soll der Zug? Wer kann ‘s begreifen?
Und diese ferne Melodie….
Auch Schuhchen konnen weinen, lachen….
Da fahrt in einem leeren Schuh
ein Puppchen wie in einem Nachen
und winkt uns wie im Marchen zu.
Hier geht ein Paar von einem Jungen,
das hat sich schon als Schuh gefuhlt,
das ist gelaufen und gesprungen
und hat auch wohl schon Ball gespielt.
Ein Stiefelchen hat sich verloren
und findet den Gefahrten nicht,
vielleicht ist der am Weg erfroren –
ach, damals fiel der Schnee so dicht….
Zum Schluss ein Paar, ganz abgetragen,
das macht noch immer mit, wozu?
Als hatte es noch was zu sagen,
ein Paar zerrissener Kinderschuh.
Ihr heimatlosen, kinderlosen,
wer schickte euch? Wer zog euch aus?
Wo sind die Fubchen all, die bloben?
Liebt ihr sie ohne Schuh zu Haus?
Der Richter kann die Frage deuten.
Er nennt der toten Kinder Zahl.
….ein Kinderchor. Ein Totenlauten.
Die Zeugen gehen durch den Saal.
Die Deutschen waren schon vertrieben,
da fand man diesen schlimmen Fund.
Wo sind die Kinder nur geblieben?
Die Schuhe tun die Wahrheit kund:
Es war ein harter dunkler Wagen.
Wir fuhren mit der Eisenbahn.
Und wie wir in dem Dunkel lagen,
so kamen wir im Dunkel an.
Es kamen aus den Landern allen
viel Schuhchen an in einem fort,
und manche stolpern schon und fallen,
bevor sie treffen ein am Ort.
Die Mutter sagte: “Wie viel Wochen
wir hatten schon nichts Warmes mehr?
Nun werd ich uns ein Suppchen kochen.”
Ein Mann mit Hund ging nebenher:
“Es wird sich schon ein Platzchen finden”,
so lachte er, “und warm ist’s auch,
hier braucht sich keiner abzuschinden….”
bis in den Himmel kroch ein Rauch.
“Es wird euch nicht an Warme fehlen,
wir heizen immer tuchtig ein.
Ich kann Lublin nur warm empfehlen,
bei uns herrscht ewiger Sonnenschein.”
Und es war eine deutsche Tante,
die uns im Lager von Lublin
empfing und “Engelspuppchen” nannte,
um uns die Schuhchen auszuziehn,
und als wir fingen an zu weinen,
da sprach die Tante: “Sollt mal sehn,
gleich wird die Sonne prachtig scheinen,
und drum durft ihr jetzt barfuss gehn….
Stellt euch mal auf und lasst euch zahlen,
so, seid ihr auch hubsch unbeschuht?
Es wird euch nicht an Warme fehlen,
dafur sorgt unsere Sonnenglut….
Was, weint ihr noch? ‘s ist eine Schande!
Was tut euch denn, ihr Puppchen, weh?
Ich bin die deutsche Marchentante!
Die gute deutsche Puppenfee.
‘s ist Zeit, ihr Puppchen, angetreten!
Was fallt euch ein denn, hinzuknien.
Auf, lasst uns singen und nicht beten!
Es scheint die Sonne in Lublin!”
Es sang ein Lied die deutsche Tante.
Strafft sich den Rock und geht voraus,
und dort, wo heib die Sonne brannte,
zahlt sie uns nochmals vor dem Haus.
Zu hundert, nackt in einer Zelle,
ein letzter Kinderschrei erstickt….
Dann wurden von der Sammelstelle
die Schuhchen in das Reich geschickt.
Es schien sich das Geschaft zu lohnen,
das Todeslager von Lublin.
Gefangenenzuge, Prozessionen.
Und – eine deutsche Sonne schien….
Wenn Tote einst als Racher schreiten
und uber Deutschland hallt ihr Schritt
und weithin sich die Schatten breiten –
dann ziehen auch die Schuhchen mit.
Ein Zug von aber tausend Zwergen,
so ziehen sie dahin in Reihn,
und wo die Schergen sich verbergen,
dort treten sie unheimlich ein.
Sie schleichen sich herauf in Stiegen,
sie treten in die Zimmer leis.
Die Henker wie gefesselt liegen
und zittern vor dem Schuldbeweis.
Es wird die Sonne brennend scheinen.
Die Wahrheit tut sich allen kund.
Es ist ein grobes Kinderweinen,
ein Grabgesang aus Kindermund….
Der Kindermord ist klar erwiesen.
Die Zeugen all bekunden ihn.
Und nie vergess ich unter diesen
die Kinderschuhe aus Lublin.
 
teri
teri
Mitglied

RE: Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa
geschrieben von teri
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 21.07.2019, 23:05:03

Zum Glück gibt es immer mehr Tendenzen in Richtung Aufklärung.

Hier ein Beispiel:

https://www.cellesche-zeitung.de/Celler-Land/Bergen-und-Lohheide/Bergen-Stadt/Bericht-zu-Bergen-Belsen-Musterbeispiel-fuer-Leugnung

17:55 05.02.2019
Bergen Stadt Bericht zu Bergen-Belsen "Musterbeispiel für Leugnung"

Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, spricht von einem "Musterbeispiel für das breite Ausmaß an Verdrängung, Leugnung und Schuldabwehr, das nach dem Krieg nicht nur Bergen, sondern die gesamte deutsche Gesellschaft prägte".


PS: So, jetzt höre ich mit diesem Thema auf. Wenn ich einmal zum Recherchieren anfange, kann ich leider nicht mehr aufhören............Zwinkern

Ein schönes Wochenende - hoffentlich bleibt uns der Frieden in Europa noch sehr lange erhalten.

teri


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RE: Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf wandersmann vom 21.07.2019, 23:16:57

Danke @ wandersmann für dieses viel sagende Gedicht! Ich kannte es noch nicht.
Wer es liest sollt eigentlich keine radikale Einstellung mehr entwickeln können! –
Selbst wenn es eigentlich, nur einen Bruchteil der Qualen beschreibt. –

 
hoffentlich bleibt uns der Frieden in Europa noch sehr lange erhalten.

@ teri genau aus dem Grund sollte man die Archive endlich „alle“ Weltweit öffnen und nicht mehr versuchen weiter zu verdrängen. Ansonsten besteht die Gefahr das so etwas (in welcher neuen Variante auch immer) wieder Fuß fasst, fassen könnte oder man nicht erkennt das es vielleicht schon in veränderter Form in Gang sein könnte! -

Mir kommt schon der kalte Kaffee hoch, zu wissen das bis heute noch Täter unter uns unerkannt leben. Deren Namen zwar bekannt ist sie aber die Möglichkeit hatten, durch das sogar noch heut vorhandene Umgehen, total abzutauchen. Weil dieses Verdrängen/Deckeln, selbst in der nächsten Generation nicht aufhört! –
Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass man einmal angefangen zu recherchieren, nicht mehr aufhören kann! Und es manchmal vorrübergehend erst einmal stoppen muss um die einzelnen Ergebnisse einiger maßen zu verdauen!
RE: Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 22.07.2019, 07:25:51
Korczak, Janusz.jpg
Wenn ich mich in dieses Geschehen hineindenke, ist es wohl leichter, in den Tod zu gehen als weiteruleben.

Clematis
 
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

RE: Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 22.07.2019, 08:16:14

Ich kann Dich verstehen, weil so ein Schmerz ist unermesslich. Auf der anderen Seite ist es aber wichtig zu berichten und zu kämpfen, dass dies nie wieder geschieht.


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dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

RE: Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 21.07.2019, 21:08:18
...Ich wollte auf diese Doku aufmerksam machen, @dutch hat dann das grausige Geschehen erweitert...
Ich habe diese Doku auch gesehen und habe dann erweitert, weil das Schicksal der "nur" inhaftierten Kinder einfach verblasst im Angesicht der Zigtausend von den deutschen Faschisten ermordeten Kinder. Man kann und darf den Terror nicht gegeneinander abwägen, aber es war nicht "Hitlers Zorn", denn Hunderttausende deutsche Parteigänger, Eisenbahner, Verwaltungsbeamte, Polizisten, Soldaten und nicht zuletzt SS-Verbrecher haben an dem Massenmord willfährig so gut sie konnten mitgewirkt. Hitler hat nie selbst Hand angelegt.

Deutscher Ordnungssinn und Untertanentum funktioniert auch als Tötungsmaschine und ich bin mir nicht ganz sicher, dass das heute nicht mehr greifen würde, wenn man den "Volksfeind" nur laut genug herausschreit. "Die Hitlers kommen und gehen, aber das deutsche Volk bleibt." ...Stalin hat dies damals nach dem Krieg zwar positiv gemeint, aber heute bekomme ich Angst bei diesen Worten, weil ich "dem Deutschen Volk" durchaus wieder eine Diktatur des Schreckens zutraue,
schorsch
schorsch
Mitglied

RE: Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa
geschrieben von schorsch

Hitler ist tot. Aber der Geist Hitlers lauert noch immer in jedem Winkel Deutschlands (und darüber hinaus) auf einen Neugierigen, der die Flasche öffnet!

RE: Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf dutchweepee vom 22.07.2019, 10:19:54
Deutscher Ordnungssinn und Untertanentum funktioniert auch als Tötungsmaschine und ich bin mir nicht ganz sicher, dass das heute nicht mehr greifen würde, wenn man den "Volksfeind" nur laut genug herausschreit. .....


weil ich "dem Deutschen Volk" durchaus wieder eine Diktatur des Schreckens zutraue,

Hast ja Recht, auch "Cäsar hatte zumindest einen Koch dabei als er in Germanien einfiehl". Ohne die vielen kleinen Helferlein geht nichts. Und darum schweige auch du nicht, damit es keine Diktatur des Schreckens wieder gibt.

"..alle Räder stehen still - wenn unser starker Arm es will.." - nur gemeinsam, nicht einsam.
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

RE: Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 22.07.2019, 10:40:40
Hast ja Recht, auch "Cäsar hatte zumindest einen Koch dabei als er in Germanien einfiehl". Ohne die vielen kleinen Helferlein geht nichts. Und darum schweige auch du nicht, damit es keine Diktatur des Schreckens wieder gibt.
O.T.: So gerne ich Dir zustimmen würde, lieber dick, aber ausgerechnet bei Cäsar stimmt das wohl nicht, denn alle Quellen und Biografen stimmen darin überein, dass Cäsar auf den Feldzügen, das selbe Gelumpe gefuttert hat, wie seine Soldaten, aber wir waren ja nicht dabei. Vielleicht hatte er ja unter seinem Feldbett noch einen Batzen Hirschbraten versteckt?

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