Forum Politik und Gesellschaft Internationale Politik Erneut schwere Krawalle in Kiew.

Internationale Politik Erneut schwere Krawalle in Kiew.

carlos1
carlos1
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Re:
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Crimmscher vom 20.02.2014, 17:00:37
"Fast alle hier haben gar keine Vorstellung von der Uraine, den Menschen und ihren Mentalitäten.
Dem Völkergemisch und den Verwerfungen nach der Neuaufteilung der Ostgebiete Polen und Ukraine nach dem Zweiten Weltkrieg.
Da wurde umgesiedelt ohne Rücksicht auf Traditionen und ethnischer Herkunft.
Am stabilsten war es dort wo die russische Bevölkerung lebt.

Jetzt werden auch alte Rechnungen beglichen, man war sich nicht immer "Freund" Crimmscher


Alte Rechnungen, crimscher? Ja, das kann gut sein.

Meine Vorstellungen über die Ukraine sind geprägt durch eigene Erlebnisse. Ich wurde geboren in einem Ort, der heute Teil der Ukraine ist. Meine beiden Eltern sprachen russisch. Sie lernten es in der Schule.

Anfang der 90er Jahre suchte ich über den Suchdienst des Dt. Roten Kreuzes nach einer Ukrainerin, die als Fremdarbeiterin auf dem Hof bei Verwandten gearbeitet hatte. Die Suche war erfolgreich. Nur ihre Kinder lebten abe noch. Mit der Tochter kam es zu einem über viele Jahre dauernden Briefwechsel etc bis zu deren Tod vor einiger Zeit. Die Dinge, die ich erfuhr haben mich sehr berührt und erschüttert. Ich kann nur andeuten.

Als junges Mädchen wurde diese "Fremdarbeiterin" nach wiederholten Razzien der Deutschen, denen sie entgehen konnte, gefangen und nach Dtld verbracht. Sie hatte es insofern relativ gut getroffen, weil sie in einer Familie aufgenommen wurde, ein Zimmer hatte und am Tisch mitaß (was streng verboten war). Sie war eine außerordentliche gute Arbeitskraft und wurde mir immer wieder als sehr intelligent geschildert. Sie lernte schnell die deutsche Sprache. Häufig wurde in den Jahren nach 1945 über sie i nder gesprochen, wie über ein Familienmitglied.

Nach der Besetzung durch die US-Armee wurde sie mit anderen Fremdarbeitern (so gen. DPs, displaced persons) in ein Lager in der nahen Stadt verbracht, konnte aber in einer Nacht nochmals die Familie besuchen und sich verabschieden. Diese hätten sie gerne behalten, boten ihr auch an, sie zu verstecken. Sie wollte aber zu ihren Eltern nach Hause in der Sowjetunion.

Sie kam aber nicht nach Hause zu ihren Eltern, sondern verbrachte zunächst viele Jahre in einem Arbeitslager. Das war die Stalinzeit. Sie starb Anfang der 70er Jahre an Lungenkrebs. Ihre Tochter schrieb uns, nachdem wir ihre Adresse ausfindig gemacht hatten, dass sie auf dem Totenbett klagte, sie hätte besser doch in Dtld bleiben sollen. Sie habe dort die schönste Zeit ihres Lebens gehabt. Zur Sklavenarbeit nach Drld verbracht. Und das waren ihre schönsten Jahre. Was für ein Leben.

Die Umstände ihres Lebens in der Heimat wurden mir klar, als ich eines Tages einen Brief erhielt, in dem eine Frau aus dem gleichen Ort mir schrieb, dass sie ihren Bruder suche. Ich sei ihr Bruder. Ich verstand nicht, erfuhr dann aber, dass hr Bruder zum gleichen Transport gehörte aus dem gleichen Ort, der die DPs (displaced persons) zurück in die Sowjetunion brachte. Er kam dort aber nie an.

Da die Frau darauf beharrte, ich müsste ihr Bruder sein, bat ich den Suchdienst des DRK nach der Suche nach ihrem Bruder. Es stellte sich heraus, dass der junge Mann offensichtlich aus dem Transport in Richtung Heimat geflüchtet war und in Belgien als Bergarbeiter lebte. Er war bereits gestorben. Er hatte ebenfalls auf einem Hof gearbeitet bei einem Bauern gearbeitet..

Ein langjähriger Schul- und Studienfreund von mir war der Sohn einer Deutschen und eines russischen Offiziers (Kommissar in der Roten Armee). Die Familie lebte in Chortiza (bei Dnjeprotrowsk). Mit diesen führte ich viele Gespräche. Der Vater fiel im Krieg. Seine Mutter musste als Fremdarbeiterin (obwohl Deutsche) in einem Rüstungsbetrieb arbeiten (sie war Lehrerin), ohne Lohn. Sie hatte sich geweigert ihren Mädchennamen wieder anzunehmen und wurde im Beisein der Kinder von SS-Leuten zusammgeschlagen. Der Sohn, den ich gut kannte, war später Lehrer in New York an einer Schule der UNO uns später in Dtld.

Crimmscher, der Satz von der Stabilität, die dort am größten sei, wo die russische Bevölkerung lebt, besagt nicht viel. Stabilität ist kein Selbstzweck, Freiheit ist auch ein Wert. Die Westukraine hat Jahrhunderte zu Polen gehört, das sich im Mittelalter und der frühen Neuzeit von Litauen bis ans Schwarze Meer erstreckte. Ein Teil gehörte nach den polnischen Teilungen zu Österreich/Ungarn. Der kulturelle Einfluss Westeuropas ist dort stärker spürbar.

Ich bin weit davon entfernt die Verhältnisse in der U. nach den eigenen "Erlebnissen" und dem Gehörten allein einzuschätzen. Für mich war entscheidend, dass ich während der ganzen Kriegszeit nie ein einziges schlechtes Wort über die Russen hörte. Für die Menschen dort spielen aber die Erlebnisse der Stalinzeit vor und nach dem Krieg eine Rolle.

Erschreckend ist die Armut und Perspektivlosigkeit für die Menschen. In den Briefen aus der Ukraine über mehr als ein Jahrzehnt wurde das überdeutlich. Eine Lösung dafür ist nicht in Sicht solange die herrschenden Kreise aus der alten Nomenklatura kommen. Die Blicke sind in der Westukraine nach Westen gerichtet. Anders dagegen die Ostukraine.

Selbst die Grausamkeit der Partisanenbekämpfung durch die Deutschen in diesen Westgebieten tun dem keinen Abbruch. Sie blicken nach Westen, nicht nach Dtld.
Crimmscher
Crimmscher
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Re:
geschrieben von Crimmscher
als Antwort auf carlos1 vom 20.02.2014, 20:36:34
Der geteilte Blick ist das Problem.

Wir haben frühzeitig ungewollt, nach der Abkehr des ukrainischen Präsidenten, ein Feuer entfacht, das eher oder später zum Lodern gekommen wär.

Die orangene Revolution brachte nur faule Orangen hervor.
Das Volk in seiner Vielfalt war total überfordert und war weiterhin leidtragende und betrogene Masse.

Crimmscher
carlos1
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Re:
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Crimmscher vom 20.02.2014, 20:45:07
"Das Volk in seiner Vielfalt war total überfordert und war weiterhin leidtragende und betrogene Masse." crimmscher


Etwas mehr Respekt vor dem Volk. Das Volk ist nicht überfordert, wenn es Forderungen stellt. Eine Masse ist es auch nicht, sondern es sind Individuen mit Schicksalen und Nöten. Keine Regierung hat das Recht auf die Bürger zu schießen.

Verschiedene Meinungen dürfen nicht zur Gewaltanwenfung führen.

Wenn ein grundlegender Dissens gegeben ist, sind freie Wahlen das beste Mittel für friedliche Lösung. Dann würde sich herausstellen, dass das Land gespalten ist.

Gewalt ist jedenfalls kein Mittel für die Lösung der strittigen Fragen.

Demokratie besteht nicht darin, dass der Wille der Mehrheit einzig und allein gilt. Demokratie ist also keine Diktatur der Mehrheit. Minderheitenrechte gelten ebenso nach unserem Verständnis in einer Demokratie.

Wir haben auch kein Feuer entfacht. Bitte keine Schuldzuweisungen.

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pschroed
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Re:
geschrieben von pschroed
als Antwort auf carlos1 vom 20.02.2014, 21:20:16
Danke Carlos.

Phil.
Crimmscher
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Re:
geschrieben von Crimmscher
als Antwort auf carlos1 vom 20.02.2014, 21:20:16
Ich sehe das nun mal anders!

Warum hat man nicht erst einmal akzeptiert, dass aus dem Beitritt der Ukraine in die EU nichts wird ?
Warum musste Klitschkow bezahlt und gefördert von Deutschen Stiftungen ins Rennen geschickt werden.

Warum hat man sich nicht mit Putin kurzgeschlossen um zu entschärfen.
Man hat die Maschinen des Kalten Krieges angeworfen.

Ich weiß ,dass ich für meine Meinung wieder Prügel beziehen werde, das wird mich aber nicht umbringen.

Crimmscher
justus39
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Re:
geschrieben von justus39
als Antwort auf carlos1 vom 20.02.2014, 20:36:34
Danke Carlos für diese Schicksalsschilderungen.

Ich habe mir Deinen Beitrag kopiert und abgespeichert, es wäre schade, wenn er hier untergehen würde.
Ich war bei Kriegsende gerade einmal sechs Jahre alt und weiß nicht mehr viel. Aber ich erinnere mich dass unser Haus, da es zu einem Energieunternehmen gehörte, von der Roten Armee besetzt war. Da war auch das Russenmädchen Katja, es soll wohl damals 17 Jahre alt gewesen sein. Katia brachte mir immer etwas Milch von ihrer Verpflegung, weil ich so dünne Arme hätte.
Meine Eltern wussten mehr über ihre Geschichte und haben mir später einiges davon auch erzählt.
Es ist schon ein von jeher geschundenes Volk, ob Russe oder Ukrainer, welches nun auch wieder leiden muss und zum Spielball wirtschaftlicher und politischer Interessen geworden ist.

Viele Grüße
Justus

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carlos1
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Re:
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Crimmscher vom 20.02.2014, 21:33:51
K
"Warum hat man nicht erst einmal akzeptiert, dass aus dem Beitritt der Ukraine in die EU nichts wird ?
Warum musste Klitschkow bezahlt und gefördert von Deutschen Stiftungen ins Rennen geschickt werden.

Warum hat man sich nicht mit Putin kurzgeschlossen um zu entschärfen.
Man hat die Maschinen des Kalten Krieges angeworfen.

Ich weiß, dass ich für meine Meinung wieder Prügel beziehen werde, das wird mich aber nicht umbringen. crimmscher


Lieber crimmscher, auf gar keinen Fall wirst du Prügel beziehen. Jeder kann irren.

Für Irrtum darf ohnenhin erst recht keine Prügel ausgeteilt werden. Nur wer unentwegt auf nicht haltbaren Meinungen beharrt, verdient Kritik. Aber keine Prügel.

So viel ich weiß hat es nie eine Diskussion um eine Mitgliedschaft der Ukraine in der EU gegeben. Das in Frage stehende Assoziierungsabkommen bedeutete keine Migliedschaft der Ukraine in der EU. Dieses Abkommen bot der U. keine wirtschaftliche Perspektive, lediglich ein Freihandelsabkommen wie es auch mit Mexiko und Tunesien existiert. Für ein europäisches Land ist das viel zu wenig.

Brüssel hat keine langfristige Strategie im Fall Ukraine. In eine solche muss Russland unbedingt eingebunden werden.

Russland hat eine solche langfristige Stategie, die auf Repression und Drohungen beruht. Rücksichtslose Machtpolitik im Endeffekt. Brüssel (nicht Berlin allein) muss dagegen halten.

Nicht der dt. Außenminister ist allein nach Kiew gefahren, sondern drei Minister des Auswärtigen taten es: Die Außenminister Frankreichs, Dtlds und Polens.

Die Sanktionen werden möglicherweise deutlich werden lassen, dass Reichtum gut ist, wenn man ihn nutzen und genießen kann. Sperrung von ukrain. Konten in Europa und Reisebeschränkungen ist nicht viel. Aber diese Maßnahme ärgert evtl. die unterstützenden Elite des Präsidenten und machen m. M. auch nachdenklich.

Gerade diese Elite der Ostukraine wird sich hüten unter die Knute von Putin zu kriechen. Sie würde verlieren. Das ist die Chance mit Putin zu Rande zu kommen. Er treibt Machtpolitk im besten Stil und hat eine langfristige Strategie.

Brüssel hat (noch) keine. Es wird Zeit.

Brüssel muss mehr bieten. Aber mit Fingerspitzengefühl. Der Kreml dar nicht total verärgert werden. Wie gesagt: Langfristige Strategie.

Eines muss klar sein, die Ereignisse zeigen es: Wer versucht die Ukraine vor die Entscheidung zwischen Ost oder West zu stellen, riskiert dort die Anarchie. Diese Entscheidung darf nicht erzwungen werden. Putin kann solche Zustände auch nicht wollen.

Es darf aber nicht vergessen werden, dass die Menschen, die gestorben sind, für Freiheit und Demokratie gestorben sind. EU, Russland und Ukraine müssen einen Weg aus der Krise finden. Dtld wird dabe eine Rolle spielen, aber nicht die führende Macht sein.

Klitschko ist übrigen nicht agent provocateur, sondern hat sich schon vo längerer Zeit politisch betätigt (Oberbürgermeister wahl in Kiew). Er hat übrigens einen Doktortitel. Er ist kein Schläger, nur Boxweltmeister.

Die Spaltung der Opposistion ist erkennbar. Sie als faschistisch zu bezeicnnen geht aber zu weit. Es fehlt die politische Erfahrung. Wenn NGOs sich in der Ukr. engagieren ist das nicht regierungsgesteuert. Es kann nicht verboten werden in einer Demokratie, wie wir im Westen sie verstehen. Du lebst jetzt im Westen, crimmscher.

Am Verhanddlungstisch in Kiew saßen gestern die drei genannten Außenminister, Vertreter der ukrainischen Regierung und Vertreter der russischen Regierung. Du siehst also, wie sie bereits "kurz geschlossen" sind.
Crimmscher
Crimmscher
Mitglied

Re:
geschrieben von Crimmscher
als Antwort auf carlos1 vom 21.02.2014, 11:00:52
Hallo Carlos!

Um ehrlich zu sein die Nachrichten des heutigen Tage lassen mich aufatmen.
Ich befürchtete schon ein zweites Syrien bei der gezeigten Hartnäckigkeit des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch.

Begründet auch durch die Vorkommnisse im Oblast Lemberg und auf der Krim, Autonomiebestrebungen stehen nicht nur in diesen Regionen in der Diskussion.

Das wird die zukünftige Politik der Ukraine mitbestimmen und beachten müssen.

Zumindest sterben erst einmal keine Menschen mehr .

Freuen wir uns aber nicht zu früh, die Ereignisse der letzten Wochen haben tiefe Wunden geschlagen und die Volksgruppen noch stärker polarisiert.

Auch wenn gegenwärtig für alle Seiten eine akzeptable Lösung gefunden scheint, sind sich die Vermittler der EU und Russlands
keinesfalls sicher, dass damit die notwendigen Schritte zur Krisenbewältigung von allen auch gegangen werden.

Bewußt sind sich jedoch alle, für eine neue Politik, bedarf es auch neuer Politiker.

Das aber sollen und müssen die Ukrainer selber entscheiden, hoffentlich in unserem Sinne demokratisch.

Das Land ist so gut wie pleite, es bedarf westlicher wie östlicher Hilfe.

Gruß Crimmscher
sittingbull
sittingbull
Mitglied

Re:
geschrieben von sittingbull
als Antwort auf carlos1 vom 21.02.2014, 11:00:52
Lieber crimmscher, auf gar keinen Fall wirst du Prügel beziehen. Jeder kann irren.


wie nobel ist das denn ?

und weil es so ist , hilft uns der herr oberlehrer natürlich
wieder auf die füsse .

die menschen auf dem maidan sterben für freiheit und demokratie
und Klitschko ist schliesslich Doktor (applaus) , keine marionette und damit über jeden zweifel erhaben .
das die freiheitlich , demokratischen "demonstranten" von straff
organisierten faschisten gelenkt werden ist zwar augenfällig ...
sie als faschisten zu bezeichnen geht dem nachhilfelehrer aber irgendwie doch zu weit .
merke : russlands rücksichtslose strategie , basierend auf repression und drohungen , muss von brüssel und berlin
beantwortet werden .

das ist demokratie , wie wir sie verstehen ... oder ?

also bitte etwas mehr respekt vor dem volke und der rolle deutschlands und der USA .

sitting bull
Re:
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf sittingbull vom 21.02.2014, 12:01:19
Wie schön das es solche Antifaschisten wie dich gibt Sitting Bull, schade nur das du nie etwas zu sagen haben wirst!! ))

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