Internationale Politik Friede in unseren Tagen

Karl
Karl
Administrator

Friede in unseren Tagen
geschrieben von Karl
Die heutige Politikverdrossenheit steht in einem krassen Gegensatz zur Lebenssituation heutiger Menschen im Vergleich zu früher. Leider werden objektive Kriterien selten für "Lebensgefühle" herangezogen, aber es macht Sinn, sich einmal Grundlegendes zu unserer Situation bewusst zu machen. Ich persönlich versuche dies derzeit mit Hilfe der Lektüre des wunderbaren Buches " Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Yuval Noah Harari zu tun. Harari ist ein junger Geschichtsprofessor in Jerusalem und sein Buch ist wirklich erstaunlich. Sehr selten habe ich ein Buch gelesen, das mir fast auf jeder Seite (es hat 526) ein Aha-Erlebnis beschert hat.

Meinen ursprünglichen Plan, zu diesem Buch eine ausführliche Rezension zu schreiben, habe ich wegen der Fülle der spannenden Inhalte deshalb auch fallen gelassen. Stattdessen werde ich diverse von Harari inspirierte Themen im Seniorentreff eröffnen und zur Diskussion stellen.

Das erste Thema, dass ich hier posten möchte, ist aus aktuellem Anlass "Friede in unseren Tagen". Auf die Idee bin ich gekommen, weil anderswo die friedenserhaltende Funktion der EU klein geredet worden ist. Das könnte doch Anlass sein, über die "Selbstverständlichkeit des Friedens" für uns einmal tiefer und grundsätzlich nachzudenken. Ist Frieden eine "Selbstverständlichkeit"?

Vielleicht würden Sie spontan widersprechen, dass wir in einer besonders friedlichen Zeit leben. ...
wir vergessen leicht, wie blutig es früher in der Welt zuging. Dazu kommt, dass Gewalt umso mehr Aufmerksamkeit erregt, je seltener sie ist. ...

um den großen historischen Bogen zu erkennen, müssen wir uns die großen Katastrophen ansehen.

Im Jahr 2000 kamen z. B. 310.000 Menschen in Folge von Kriegseinwirkungen ums Leben, und weitere 520.000 durch Gewaltverbrechen. Jedes dieser Opfer steht für den Verlust einer ganzen Welt, eine zerstörte Familie und großes Leid für Freunde und Verwandte. Doch diese 830.000 Opfer machen lediglich 1,5 Prozent aller Todesfälle des Jahres 2000 aus (in diesem Jahr starben weltweit 56 Millionen Menschen). Im gleichen zeitraum kamen 1.260.000 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben (2,25 Prozent aller Todesfälle) und 815.000 Menschen (oder 1,45 Prozent) begingen Selbstmord.
...
Dieser Rückgang der Gewalt ist vor allem der neuen Stärke des Staates zu verdanken. ... Die ersten Bauern, die über ihre kleine Gemeinschaft hinaus keine politischen Organisationen kannten, litten unter einer regelrechten Gewaltepidemie. Damals waren zwischenmenschliche Konflikte für gut 15 Prozent aller Todesfälle verantwortlich, und von 100.000 Menschen starben pro Jahr bis zu 400 eines gewaltsamen Todes. ...
Heute kommen auf 100.000 Menschen 9 Mordfälle pro Jahr. Die meisten dieser Morde entfallen auf gescheiterte Staaten wie Somalia oder Kolumbien. In Europa liegt der Durchschnitt bei einem Mord pro 100.000 Einwohner und Jahr". Quelle.
geschrieben von Yuval Harari, Seite 447 ff


Früher war also alles besser? Das ist ein großes Missverständnis. Wir sind die erste Generation, die seit über 70 Jahren in Frieden leben kann.

Karl
Allegra
Allegra
Mitglied

Re: Friede in unseren Tagen
geschrieben von Allegra
als Antwort auf Karl vom 25.06.2016, 14:48:23

...
Früher war also alles besser? Das ist ein großes Missverständnis. Wir sind die erste Generation, die seit über 70 Jahren in Frieden leben kann.

Karl
geschrieben von karl


Ja, und wir haben kürzlich darüber gesprochen, daß unser Sohn der erste in einer sehr langen Ahnenreihe ist, der kein Soldat werden musste.
Allegra
Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Friede in unseren Tagen
geschrieben von Elmos
als Antwort auf Karl vom 25.06.2016, 14:48:23
Hallo Karl,


Wir sind die erste Generation, die seit über 70 Jahren in Frieden leben kann.
geschrieben von karl


also so richtig "in Frieden" lebt unsere Generation aber nicht grade, oder?

Hier ist mal ein Link zu den Schätzungen über die Anzahl der Kriegstoten der letzten Jahrzehnte:

Kriegstote seit dem 2. Weltkrieg

Liebe Grüße
Andrea

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ehemaligesMitglied24
ehemaligesMitglied24
Mitglied

Re: Friede in unseren Tagen
geschrieben von ehemaligesMitglied24
Kann es sein, Karl, dass da mal eben ein Vierteljahrhundert unter den Tisch gefallen ist? Spätestens seit dem (im Übrigen völkerrechtswidrigen) Überfall auf Serbien, den ganz wesentlich Kriegsminister Scharping betrieben hat, ist dieses Land permanent in (heißen) Kriegen. Das "Frieden" zu nennen, nur weil im wesentlichen die anderen krepieren, heißt man "selektive Wahrnehmung".

Zweitens: Verhungern könnte man in dem einen oder anderen Fall auch als unfriedliche Todesursache herausstellen, ganz häufig vom Krieg abhängig.

So weit, so kurz.

Dooscastle
Karl
Karl
Administrator

Re: Friede in unseren Tagen
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaligesMitglied24 vom 25.06.2016, 15:45:23
Es geht um globale Entwicklungen und trotz der vielen Kriege leben die Menschen statistisch betrachtet heute sicherer als früher. Natürlich sagt diese Statistik nichts über den Einzelfall aus und wird z. B. Flüchtlinge aus Syrien nicht trösten können.

Karl
Re: Friede in unseren Tagen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 25.06.2016, 14:48:23
Wir sind die erste Generation, die seit über 70 Jahren in Frieden leben kann.Karl
geschrieben von karl

Ich glaube eher dass dies eine trügerische Sicherheit ist. Kriege finden weiterhin statt, sie werden nur in anderen Ländern geführt. Auch mit Beteiligung deutscher Soldaten.
Bruny

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arno
arno
Mitglied

Re: Friede in unseren Tagen
geschrieben von arno
als Antwort auf ehemaligesMitglied24 vom 25.06.2016, 15:45:23
Kann es sein, Karl, dass da mal eben ein Vierteljahrhundert unter den Tisch gefallen ist? Spätestens seit dem (im Übrigen völkerrechtswidrigen) Überfall auf Serbien, den ganz wesentlich Kriegsminister Scharping betrieben hat, ist dieses Land permanent in (heißen) Kriegen. Das "Frieden" zu nennen, nur weil im wesentlichen die anderen krepieren, heißt man "selektive Wahrnehmung".

Zweitens: Verhungern könnte man in dem einen oder anderen Fall auch als unfriedliche Todesursache herausstellen, ganz häufig vom Krieg abhängig.

So weit, so kurz.

Dooscastle
geschrieben von dooscastle


Moin, Dooscastle,

das ist auch meine Sicht. Wir leben (noch) ohne Krieg, aber
wir kriegen mit Bündnispartnern in anderen Ländern und erzeugen
Flüchtlingsströme, die wir gar nicht haben wollen.
Wir bereiten aber einen Krieg gegen Rußland vor.

Gruß arno
ehemaligesMitglied29
ehemaligesMitglied29
Mitglied

Re: Friede in unseren Tagen
geschrieben von ehemaligesMitglied29
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.06.2016, 15:53:20
Sehr richtig, bruny.
Wenn Deutschland noch weiter aufrüstet, besteht noch mehr Gefahr.
Deutschland liefert auch fröhlich Waffen - was soll also die
Scheinheiligkeit des *Friedens*?
pippa
pippa
Mitglied

Re: Friede in unseren Tagen
geschrieben von pippa
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.06.2016, 15:53:20
Wir sind die erste Generation, die seit über 70 Jahren in Frieden leben kann.Karl

Ich glaube eher dass dies eine trügerische Sicherheit ist. Kriege finden weiterhin statt, sie werden nur in anderen Ländern geführt. Auch mit Beteiligung deutscher Soldaten.
Bruny
geschrieben von karl

Das stimmt zwar, aber WIR durften 70 Jahre in Frieden leben.

Manchmal glaube ich, dass die Menschen, die zB den zweiten Weltkrieg nicht bewusst erlitten überhaupt nicht ermessen können, wie es ist, wenn mann es sein Leben lang für ein Wunder hält, überhaupt davon gekommen zu sein.

Ich hörte neulich die Aussage eines Kinderpsychologen, der sagte, dass nach den neuesten Erkenntnissen, die ersten drei Lebensjahre (und sogar die Schwangerschaft) ausschlaggebend für das spätere Leben sind.

Wer also in einen Krieg hineingeboren wurde und das außerordentliche Pech hatte, diesen täglich zu erleben, dessen Leben war gezeichnet. Dazu kommt dann auch noch, dass diese Generation Eltern hatte, die sogar zwei Kriege erdulden mussten und darüber selbstverständlich mit ihren Kindern sprachen.
Ich jedenfalls bin für diese 70 Jahre dankbar, denn sie sind nicht selbstverständlich.
Pippa
Re: Friede in unseren Tagen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf pippa vom 25.06.2016, 16:17:22
Nun Pippa, das WIR ist bei mir nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass durch Krieg weltweit Menschen sterben, eben auch mit deutscher Beteiligung und auch mit deutschen Waffen. Die andere Mutter weint auch bitterliche Tränen um ihr Kind und die andere Frau auch um ihren Mann.
Bruny

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