Forum Politik und Gesellschaft Internationale Politik Russland, die Macht der Strasse.

Internationale Politik Russland, die Macht der Strasse.

Michiko
Michiko
Mitglied

RE: Russland, die Macht der Strasse.
geschrieben von Michiko
Als relativ neues Mitglied hier im Portal habe ich zum Thema Russland/Opposition/Demokratie heute vormittag einen Beitrag eingestellt, der an den Holodomor in der Ukraine erinnerte. Mir wurde in etwa geantwortet, das gehöre nicht zum Thema, nicht hierher. Jetzt bin ich doch etwas erstaunt, wie weit das Thema abgedriftet ist, soll ja vorkommen und ist auch prinzipiell nicht verkehrt. Nur, dass es jetzt in persönliche Unterstellungen ausartet, vielleicht weil das Wissen um die Dinge bei manchem nicht so fundiert ist, ist schade. Olga, manches muss ich zweimal lesen, Du schreibst ja Abhandlungen, da habe ich bei den letzten Sätzen meistens schon vergessen, wie der Beitrag begann. Das mal nur so nebenbei. Eine etwas differenzierterer und sachlicherer Austausch wäre für alle Beteiligten besser, denke ich.
olga64
olga64
Mitglied

RE: Russland, die Macht der Strasse.
geschrieben von olga64
als Antwort auf Michiko vom 06.07.2020, 18:51:17

SChön, von Ihnen zu lesen. Nur seltsam, dass Sie Ihr Entrée dergestalt geben ,dass Sie versuchen , andere zu einem anderen SChreibstil zu belehren oder was auch immer. Das ist doch immer wertvoll - darauf warteten sicher viele von uns, ich eingeschlossen.
Wenn Sie persönlich bei Beiträgen der etwas komplexeren Art am Ende nicht mehr wissen, was am Anfang geschrieben war, bitte ich Sie,dies mit sich selbst zu regeln. Denn eine Rubrik "einfache Sprache" wie sie z.B. im TV Pflicht ist, sollten wir uns hier nicht wünschen wollen, oder?
Bin aber weiterhin gespannt, welche guten, gerne auch kontroversen Beiträge wir von Ihnen erwarten dürfen (wo sicher Ihr Wissen sehr fundiert sein wird) und  die hoffentlich nicht nur unter dem Tenor laufen, dass andere sich ändern müssen. Olga

Michiko
Michiko
Mitglied

RE: Russland, die Macht der Strasse.
geschrieben von Michiko
als Antwort auf olga64 vom 06.07.2020, 19:03:35
Mein Entrée habe ich schon vor Wochen gegeben Olga, und von Ihrem Schreibstil habe ich nicht gesprochen, nur vom Umfangreichtum Ihrer Beiträge. Wenn Sie nun offensichtlich am Beleidigen sind, will ich Sie nicht aufhalten. Ich kann das ab und um mein Wissen machen Sie sich mal keine Gedanken, ich muss keine ellenlangen Texte schreiben, um mich verständlich zu machen.
Im Unterschied zu Ihnen was mich angeht bin ich nicht gespannt auf Ihre kontroversen Texte.😄

Anzeige

olga64
olga64
Mitglied

RE: Russland, die Macht der Strasse.
geschrieben von olga64
als Antwort auf Michiko vom 06.07.2020, 19:15:46

Mein Entrée habe ich schon vor Wochen gegeben Olga, und von Ihrem Schreibstil habe ich nicht gesprochen, nur vom Umfangreichtum Ihrer Beiträge. Wenn Sie nun offensichtlich am Beleidigen sind, will ich Sie nicht aufhalten. Ich kann das ab und um mein Wissen machen Sie sich mal keine Gedanken, ich muss keine ellenlangen Texte schreiben, um mich verständlich zu machen.
Im Unterschied zu Ihnen was mich angeht bin ich nicht gespannt auf Ihre kontroversen Texte.😄
Pardon, da habe ich Sie leider überlesen.

WEnn Sie "den Umfangreichtum" meiner Beiträge (welch ein Wortgetüm) ansprechen, haben Sie wohl noch nie die Beiträge von Tina 1, auch von Carlos und anderen gelesen - da sind ja meine dann nur kurze und bündige Wenigzeiler.

Ob sich jemand "verständlich" macht, entscheiden ja immer die LeserInnen und eigentlich nie man selbst.

Mir persönlich kommt es aber auf den Inhalt an und da Zeit auch nicht mehr mein Problem ist, lasse ich mich gerne auch auf längere Abhandlungen ein, wenn ich etwas daraus für mich gewinnen kann. ABer das macht jede(r) so, wie er oder sie es wünschen.
Und übrigens - beleidigt bin ich nicht so schnell, weil ich die Devise schätze: wer austeilt, muss auch einstecken können. Das wünsche ich auch Ihnen - Olga
 
schorsch
schorsch
Mitglied

RE: Russland, die Macht der Strasse.
geschrieben von schorsch

Es gibt Menschen, die benötigen 10 Zeilen, um etwas verständlich auszudrücken.

Es gibt Menschen, die benötigen genau gleich viele Zeilen, um nichts zu sagen.

Und es gibt Menschen, die sagen in 1 Satz mehr, als andere in 10.......

P.S. Ich versuche Letzteres schon seit Jahren! ):-(((

Edita
Edita
Mitglied

RE: Russland, die Macht der Strasse.
geschrieben von Edita

Wer ein bißchen mehr Lust, Zeit und Interesse hat, sich mit Russland und den Menschen dort und ihrer Geschichte, zu beschäftigen, dem empfehle ich wärmstens u.a. Artikel zu lesen, den ein russischer, und immer noch in Russland lebender Soziologe verfaßt hat, ich zitiere einen kurzen (im Verhältnis zum Artikel ) Abschnitt daraus, weil es zum Thema paßt und einige Dinge klarer erscheinen lassen ......

Fatale Kontinuitäten
Vom sowjetischen Totalitarismus zu Putins Autoritarismus


" Mit der Auflösung der Sowjetunion endete das Machtmonopol der Kommunistischen Partei. Auch die zentrale Planungsbehörde wurde aufgelöst.
Aber zentrale Pfeiler der sowjetischen totalitären Herrschaft wie die Geheimdienste, die Armee, die Staatsanwaltschaft und das Gerichtswesen bestehen fort. Auf ihnen gründet der autoritäre Staat, der unter Putin entstanden ist.
Die Schule, die zentralen Medien und die Wehrpflichtarmee reproduzieren Werte und Praktiken der Sowjetunion.
Auf Rechtsnihilismus und Gewalt reagieren die Menschen wie in der Vergangenheit - mit Anpassung.
Bürokratische Willkür und Repression gelten als unvermeidlich, ja als "normal". Dies ist die typische Mentalität des Homo Sovieticus, die auch nach dem Untergang der Sowjetunion von Generation zu Generation weitergegeben wird.

.......... Erschwerend kommt hinzu, dass nach dem Zerfall der UdSSR auch die sowjetische Intelligencija abgetreten ist, die – wenn auch nicht mit allzu viel Nachdruck – eine Entstalinisierung und eine moralische Auseinandersetzung mit dem kommunistischen System gefordert hatte. Diese beiden Umstände – sowie die stillschweigende Rehabilitierung Stalins im vergangenen Jahrzehnt – haben dazu geführt, dass die schreckliche Vergangenheit verdrängt und vergessen wurde.
An die Stelle des Strebens nach einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ und einer Verurteilung der Stalinschen Repressionen, wie es für die Gorbačev-Ära charakteristisch war, ist Apathie getreten.
War es in der späten Sowjetunion für die gebildeten Schichten ein Akt der Sinnstiftung, wenn sie sich innerlich von dem totalitären System abwendeten oder – viel seltener – sich ihm aus ethischen Gründen offen widersetzen, so will heute kaum noch jemand von dem Großen Terror hören.
Es herrscht eine Unfähigkeit zu trauern, die Menschen entziehen sich der moralischen Pflicht, die Natur der Gewalt zu verstehen, sowie der Notwendigkeit, das Geflecht von Ideologie, Staat und Terror zu entzaubern.

Zum Wesen der Gewalt gehört es, dass der, der sie ausübt, seinem Opfer bewusst menschliche Eigenschaften abspricht, seinen Wert als Individuum und Teil der Gemeinschaft, seine Autonomie und Unabhängigkeit. Jegliche Gewalt, sei es psychische, soziale oder physische, bedeutet, dass der Täter das
Opfer entweder grundsätzlich entwertet oder entmenschlicht.
Daher die verbreitete Diffamierung von Opfern der Gewalt als „Lagerstaub“ oder „Material“. Es geht hier um mehr als um die bloße Einteilung in Freund und Feind.
Der Täter konstituiert sich durch die Gewalt als Subjekt der Gewalt und zementiert durch die Gewalt seine vermeintliche moralische Überlegenheit.
Daher ist die Anwendung von physischer und symbolischer Gewalt eine Voraussetzung für das psychische Wohlbefinden all jener, die auf illegitime Weise an die Macht gekommen sind, an einem Minderwertigkeitskomplex leiden, zu Aggressivität neigen, autoritäre Strukturen benötigen oder Wege der extremen Selbstdarstellung suchen.
In einer Gesellschaft, in der Gewalt als Zeichen der Stärke verstanden wird, als „angemessenes“ Sozialverhalten, ist der Besitz von Gewaltinstrumenten ein Ausweis für einen hohen sozialen Status eines Einzelnen oder einer Gruppe,
er verleiht ihm Autorität und Prestige.
Schauen wir uns dies anhand einiger Institutionen – der Armee, des Justizwesens, des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft – sowie am Beispiel des Verhältnisses zur Stalinzeit genauer an. Gewaltinstitutionen waren die Voraussetzung zur sowjetischen Staatsbildung. Sie waren das zentrale Mittel, um den Staat zu konsolidieren und die sowjetische Gesellschaft dem Staat zu unterwerfen. Die Geheimpolizei Tscheka, die Arbeiter- und Bauernarmee, die mit physischer Gewalt zusammengetrieben wurde, die Arbeitsfronten, die Säuberungen, die Entrechtung, die Enteignung der Bürger und der Bauern waren von Anfang an die fundamentalen Institutionen der Sowjetunion. Auch wenn sie natürlich vielfach umgestaltet wurden, blieben sie nicht nur bis zum Ende der Sowjetunion erhalten, sondern bestehen bis heute. Das Sowjetregime rechtfertigte sie ideologisch und propagandistisch stets als Hilfsinstrumente, die beim Aufbau einer „neuen Gesellschaft“ und der Schaffung eines „neuen Menschen“ unabdingbar seien und nach dem „Sieg des Kommunismus“ verschwänden. Die Geschichte hat jedoch gezeigt, dass die Armee, die politische Polizei, die Geheimdienste und auch die sogenannten Rechtsschutzbehörden (die Staatsanwaltschaft, das Untersuchungskomitee, die Miliz, die Gerichte) bis zum heutigen Tag die stabilsten und am wenigsten reformierten Institutionen sind. 25 Jahre nach Gorbačevs Perestrojka tritt wieder in aller Deutlichkeit zu Tage, welch zentrale Rolle diese Institutionen bis heute für die Organisation und Reproduktion der Gesellschaft spielen. Ihre Aufgabe ist es keineswegs nur, als Exekutivapparate den Staat zu schützen, sie haben eine äußert wichtige Funktion für die symbolische Integration der Gesellschaft.
Das sowjetische Gewaltsystem war extrem zentralisiert, die Ausführung der Parteidirektiven wurde auf allen Ebenen streng kontrolliert. Ideologie und Propaganda arbeiteten mit aller Kraft an seiner Rechtfertigung: Die „Umstände“ würden es unerlässlich machen, wegen äußerer Feinde und innerer Gegner des Sozialismus sei es unverzichtbar, die „ungebildete“ Bevölkerung müsse zum Aufbau einer besseren Zukunft gezwungen werden. Das heutige Gewaltsystem ist hingegen dezentral und wird von keiner Ideologie mehr gerechtfertigt. Es ist extrem korrupt, was ab und an dazu führt, dass die Bevölkerung aufbegehrt. Dass seine Funktionen die alten sind, ist spätestens deutlich geworden, seit die Unterstützung für das autoritäre Putin-Regime zurückgegangen ist. Entsprechend wurden seit Beginn der Proteste im Dezember 2011 die Ausgaben für die Staatsbürokratie als ganzes, insbesondere aber für die Gewaltstrukturen – die Armee, die Geheimdienste, das Innenministerium und andere Behörden – deutlich erhöht, sodass heute die Ausgaben für die „nationale Sicherheit“ 2,5–2,7mal so hoch sind wie jene für Gesundheit, Bildung und Wissenschaft zusammen. Entscheidend ist nicht nur, dass die zentralen Institutionen der organisierten Gewalt die gleichen wie zu sowjetischen Zeiten sind, sondern vor allem, dass sie die entscheidenden Machtinstrumente sind, ohne die alle anderen Ministerien und Behörden handlungsunfähig sind. Ohne diese totalitären Gewaltinstitutionen funktioniert Russlands Exekutive nicht.
Zu den staatlichen Zwangsanstalten sind auch die Sozialisierungsinstitutionen zu zählen, insbesondere die Schule, die bis heute der Abrichtung immer neuer Schülergenerationen dient, sowie die Propagandaagenturen, die Anhänger des Regimes produzieren sollen, also die staatlichen oder vom Staat abhängigen Medien, insbesondere das von der Präsidialverwaltung kontrollierte Staatsfernsehen.
............. "

Mein ganz persönliches Fazit - meine Vermutung, daß jahrzehntelange Unterdrückung und Drangsalierung von Menschen ihre Spuren hinterlassen und die "Befreiung" daraus mindestens so lange dauert, wie die SCHRECKENSHERRSCHAFT selber, sehe ich bestätigt.

Edita


Anzeige

pschroed
pschroed
Mitglied

RE: Russland, die Macht der Strasse.
geschrieben von pschroed
als Antwort auf Edita vom 07.07.2020, 08:55:48

Danke Edita, für diesen Beitrag
 Phil.

Michiko
Michiko
Mitglied

RE: Russland, die Macht der Strasse.
geschrieben von Michiko
als Antwort auf Edita vom 07.07.2020, 08:55:48
@edita, Dein Beitrag gefällt mir sehr. Ich möchte hier einen Hinweis auf Memorial einfügen, viele wissen vielleicht nicht, dass es diese Organisation gibt, entstanden 1987/88, als Michail Gorbatschow die Perestroika anschob. Memorial hat sich die historische Aufarbeitung politischer Gewaltherrschaft, die Einhaltung der Menschenrechte und die soziale Fürsorge für die Überlebenden des Arbeitslagersystems in Russland zur Aufgabe gemacht. Der Gründungsvorsitzende war Andej Sacharow.
 
RE: Russland, die Macht der Strasse.
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Michiko vom 07.07.2020, 09:52:09

Ich habe schon weiter oben darauf hingewiesen, dass Menschenrechtsorganisationen in Russland jetzt als feindliche Agenten eingestuft werden und deshalb quasi verboten sind bzw. ihnen die Arbeit unmöglich gemacht wird.Memorial gehört dazu, man hat diese Organistion lahmgelegt.

Habe noch einen neuen Artikel dazu gefunden: Notizen aus Moskau: Warum die Menschenrechtsorganisation Memorial gerettet werden muss

Michiko
Michiko
Mitglied

RE: Russland, die Macht der Strasse.
geschrieben von Michiko
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.07.2020, 10:45:31
Die Kulturwissenschaftlerin und Mitinitiatorin von Memorial Irina Scherbakowa hat schon oft beklagt, dass nicht nur Memorial, auch andere Organisationen in ihrer Arbeit in Russland behindert werden. 2016 etwa wurde die Menschenrechtsorganisation vom Justizministerium auf die Liste "ausländischer Agenten" gesetzt. Doch die Organisation mischt sich trotz erschwerter Bedingungen weiter ein, zur aktuellen Debatte um das Weltkriegsgedenken sagt Scherbakowa: "Aus unserer Geschichte wird von der Regierung ein Mythos gemacht. Wohlgemerkt, eine neue Art von Mythos. Er ist anders als der sowjetische aus der Breschnew-Zeit. Dieser Mythos ist viel nationalistischer und aggressiver."

Noch eine Ergänzung zu Irina Scherbakowa: 
Seit 1999 gehört sie dem Kuratorium der Gedenkstätte Buchenwald in Weimar an. Sie ist Mitglied des internationalen Beirats der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin, der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und Vorstandsmitglied der Marion-Dönhoff-Stiftung. 2004 war sie zum Internationalen Literaturfestival Berlin eingeladen. Sie war auch Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen Wien, Gastprofessorin an der Universität Salzburg sowie am Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts. Seit 2010 ist Scherbakowa Ehrenmitglied des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZfL). Im Jahre 2005 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Es tut mir leid Marina, wenn ich Deinen Beitrag zum Thema übersehen habe.

Anzeige