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Literatur Satire und Sarkasmus

qilin
qilin
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Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von qilin
als Antwort auf miriam vom 19.05.2013, 08:43:45
Danke, Miriam,

für das Zurückleiten zum Threadthema. Interessant ist die Unterscheidung zwischen Satire und Sarkasmus - da gibt es wohl einen großen 'Fließbereich' - ich kann mir kaum eine übertriebenere Verzerrung vorstellen als den 'bescheidenen Vorschlag', und doch wird der i.A. der Satire zugerechnet, ebenso wie 'Gullivers Reisen' oder 'Anweisungen für die Dienerschaft' - auch Kozyrew verzerrt sein Bild von der Hitler- und Stalindiktatur recht heftig... Das Buch von Ehrenburg kenne ich leider nicht, so dass ich keinen Vergleich habe, aber da fällt mir Bulgakovs 'Der Meister und Margarita' ein, das ich vor ein paar Monaten gelesen habe; das hat vielleicht in etwa die gleiche Atmospäre - durchaus satirisch angehaucht, aber eher Pastellmalerei, wo Kozyrew (oder Swift) massiv schwarzweiß zeichnet... Ich denke da etwa auch an Upton Sinclairs 'Das kann hier nicht geschehen', in dem er 1935 eine Nazi-Machtübernahme in den USA beschreibt - und das in Deutschland natürlich umgehend verboten wurde - satirisch oder sarkastisch?

() qilin
miriam
miriam
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Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von miriam
als Antwort auf qilin vom 19.05.2013, 10:12:35
Du hast Recht qilin mit deiner Frage:"satirisch oder sarkastisch?" - so fließend können manchmal die Übergänge sein.

Danke dir auch – ja, so langsam nähern wir uns dem schönen von dir vorgeschlagenem Thema – und dass wir dies nur allmählich tun, liegt nicht so sehr an uns, sondern an der Satire selbst, die ja so viele Facetten hat, dass man sobald man sich zufrieden in einer dieser Facetten spiegelt, entdeckt man plötzlich die vielen anderen, die fast schon darauf warten, dass man sich denen annimmt.

Leider kenne ich Kozyrew nicht – aber an dich die Empfehlung Ilja Ehrenburgs Lasik Roitschwanz zu lesen, für mich einer der wichtigen Werke Rund um die Zeit in der der Zweite Weltkrieg sich schon ankündigt.

Mir fielen natürlich noch einige sehr wichtige Namen ein, nachdem ich heute Morgen den Beitrag geschrieben hatte – so zum Beispiel Ernst Jandl, dessen Einakter "Die Akademiker" ich schon mal im Forum erwähnt hatte, aber das Beispiel welches ich damals eingesetzt habe, ist es trotzdem wert hier wiederholt zu werden – es stammt aus dem Einakter Die Akademiker:

m2: du sein gut sprechen
du haben denkenkraft
du wortengewalt
m1: ich sein ein professor
was du sein?
m2: ich sein ein kunstler
was du sein?
m1: ich sein ein universitäten professor
was du sein?
m2: ich sein ein groß kunstler
was du sein?
m1: ich sein ein universitäten professor von geschichten was du sein?
m2: ich sein ein groß deutschen und inder national kunstler
was du sein?
m1: ich sein ein universitäten professor kapazität von den geschichten
was du sein?
m2: ich sein ein groß deutschen und inder national
nobel preisen kunstler
was du sein?
m1: ich sein ein nobel preisen universitäten professor
kapazität von den deutschen geschichten
ich sein ein nobel preisen
m2: ich auch sein ein nobel preisen
m1: ich und du sein ein nobel preisen
m2: herren kollegen
m1: herren kollegen
m2: ich und du sein ein nobel preisen
m1: ich und du sein ein herren kollegen

Zitat Ende.

Liebe Grüße von Miriam (ich sein eine uralten Frauen - was du sein?)
qilin
qilin
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Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von qilin
als Antwort auf miriam vom 19.05.2013, 11:10:02
Hallo Miriam,

ich denke Kozyrew ist noch unbekannter als Ehrenburg - von dem war mir zumindest der Name geläufig

Der Dialog der Akademiker grenzt schon ein wenig an unfreiwillige Satire und hat mich spontan erinnert an einen in etwa ähnlichen, den ich in den 60er Jahren einmal in einer Innsbrucker Pizzeria mithörte (so grob nach Gedächtnis):

"Ischt då frei?"
"Aber gerne."
"Wou kimmscht'n du hear?"
"Ich komme aus Japan."
"Wås måchscht'n nåcha då?"
"Ich bin auf Urlaubsreise."
"Wås bischt'n vo' Beruf?"
"Professor an der XY-Universität."
"Ah sou - i bin a Schlossa - åber an Innschprucka Schlossa ischt aa so guat wiar a japanischa Professa, nit?"
"Ja, da haben Sie sicher recht..."

Liebe Grüße
() qilin (ich sein ziemlich altes Bücherwurm)

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Malinda
Malinda
Mitglied

Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von Malinda
als Antwort auf qilin vom 19.05.2013, 11:52:54
Die Beiträge habe ich gelesen. Offensichtlich gibt es für Satire keine allgemeingültige Regel. Ich schließe mich der Meinung an, dass es Geschmacksache ist.
Als junge Frau hab ich Kishon rauf und runter verschlungen.`Der Fuchs im Hühnerstall` hatte es mir besonders angetan.
Ich mochte die feine Ironie sehr. Sie piekste mehr als das sie stach. Jetzt hab ich Karten für Hagen Rether, auf den ich mich sehr freue. Der sticht allerdings tüchtig. Mir bleibt bei ihm oft das Lachen im Hals stecken.
Wenn ich mich nur vergnügen wollte, würde ich lieber in eine Karnevalsveranstaltung gehen. Bei Kabarett ist mein Anspruch höher. Ich erwarte, dass ich auf manche Dinge eine andere Sichtweise bekomme. Was ich damit mache, ist dann meine Sache. Zudem habe ich einen Hang zum schwarzen Humor.

Das angeführte Pamphlet hat moderne Nachfolger:
`Ein bescheidener Vorschlag zur Befreiung von dem Unsinn des Bücherlesens`
und
Ein bescheidener Vorschlag zur Lösung des Arbeitsproblems bei gleichzeitiger Sicherung der Energieversorgung.`
Beides leider nur Werke für Kindle.

Was ich traurig finde ist, dass das Medium Fernsehen meist billigste Polemik und Klamauk verbreitet. Wie findet die junge Generation noch Zugang zu Satire oder lernt den Unterschied?
Aber das ist ein anderes Thema. Doch wenn ich schon abschweife möchte ich einen Link einsetzen, den ich dank des Themas gefunden habe. Diese Seite hab ich gespeichert und wird mir Freude machen.

Forum für Literatur und Germanistik
Sorry für den Abstecher

LG Malinda
JuergenS
JuergenS
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Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf Malinda vom 19.05.2013, 16:30:58
Was ich traurig finde ist, dass das Medium Fernsehen meist billigste Polemik und Klamauk verbreitet. Wie findet die junge Generation noch Zugang zu Satire oder lernt den Unterschied?

Dieser Satz von Melinda beeindruckt mich.

!!!!!
clara
clara
Mitglied

Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von clara
als Antwort auf Malinda vom 19.05.2013, 16:30:58
Offensichtlich gibt es für Satire keine allgemeingültige Regel. Ich schließe mich der Meinung an, dass es Geschmacksache ist.

LG Malinda

Zusätzlich können auch noch kulturelle und /oder religiöse Unterschiede das Satireverständnis beeinflussen, wie es die Mohammed-Karikaturen zeigten oder die Papstverspottungen. Was für die Einen belächelt, aber vielleicht auch schadenfroh aufgefasst wird, bedeutet für Andere Blasphemie und kann Morddrohungen nach sich ziehen. Nicht immer muss und wird Satire zum Nachdenken bei der Zielgruppe führen.

Für mich ist Satire dann am besten, wenn sie einen Schuss Humor enthält, also nicht nur bitterböser Sarkasmus ist. Wobei auch Humor wieder Definitionssache ist. In dieser Hinsicht finde ich den als Schelmenroman bezeichneten "braven Soldaten Schwejk" eine Satire in meinem Sinn. Er prangert den Militarismus an, was in einer bierernsten Form m. E. nicht so viele Leser erreichen würde, von den Verfilmungen ganz abgesehen.

Clara

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qilin
qilin
Mitglied

Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von qilin
als Antwort auf clara vom 19.05.2013, 16:59:57
Ja, der Schwejk ist schon ein ganz eigenes Kaliber - 'gefährlich harmlos' sozusagen - und genau deswegen ist er auch bei den Bücherverbrennungen der Nazis mit ins Feuer gewandert...

Was die 'Fernsehkultur' angeht, kann ich nur beipflichten - ich ergreife meist schon die Flucht, wenn ich das Lachen des Publikums im Out höre, das offenbar den Grad der Lustigkeit anzeigen soll...

() qilin
qilin
qilin
Mitglied

Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von qilin
als Antwort auf qilin vom 19.05.2013, 20:02:55
Ich denke Schwejk ist insofern ein 'Grenzfall' als man ihn nicht unbedingt als Satire lesen muss - die Satire also da ist, sich aber nicht aufdrängt - da fallen mir noch mehr ein - vom (noch harmloseren) 'Papalagi' und 'Obolungwe' bis zu den gar nicht mehr heiteren Romanen von Heinrich Mann wie 'Der Untertan', 'Im Schlaraffenland' oder 'Professor Unrat'. Vielleicht liegt hier dazwischen auch irgendwo die Grenze zwischen harmloser und sarkastischer Satire...

() qilin
miriam
miriam
Mitglied

Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von miriam
als Antwort auf qilin vom 20.05.2013, 07:58:45
Wäre ich nicht so sehr in Eile, würde ich gerne jetzt eine Satire schreiben über meine FritzBox. Dieser besagten Box wird wohl mein gestriger Beitrag hier, bei diesem Thema, nicht gefallen haben - und da griff sie zum Extremsten: sie hat sich aufgehängt!

Kein Witz - sie hing und ich hatte keinen Zugang mehr zum Internet. Man kann auch sagen, dass die FritzBox sich etwas ganz Perfides einfallen liess: ich musste schweigen - und mein schlechtes Gewissen pflegen...

Ein schönes Thema Qilin - und alle die mitdiskutiert haben.

Miriam
olga64
olga64
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Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von olga64
als Antwort auf JuergenS vom 19.05.2013, 16:41:34
Was ich traurig finde ist, dass das Medium Fernsehen meist billigste Polemik und Klamauk verbreitet. Wie findet die junge Generation noch Zugang zu Satire oder lernt den Unterschied?


Das klingt ein wenig arrogant. Die jungen Leute haben - wie dies immer der Fall ist - andere Vorlieben auch in Sachen Humor. Auch wenn es uns nicht gefällt, wir sollten es akzeptieren. Jeder Fernseher hat einen Umschalt- oder Ausknopf.
Und so sehr haben wir deutsche Humor-Konsumenten uns auf diesem Feld nie mit Ruhm bekleckert - es sind und waren wenige Ausnahmen wie z.B. Loriot - der Rest war immer für den Massengeschmack, weil nur damit Geld zu verdienen war. Olga

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