Forum Politik und Gesellschaft Religionen-Weltanschauungen Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?

Religionen-Weltanschauungen Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?

RE: Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.06.2019, 19:29:46

Das seheich auch so, astrid - und Du sprichst da noch einen Punkt an, den ichals zusätzliches Argument  hinzufügen möchte zu meiner These - dass eben Religion aus der vorhandenen Kultur einer Ethnie oder eines Volkes oder Stammes stammt.

Viele Ethnologen sehen im Totemismus die Vorstufe zu jeder Religion.
Der Einfachheit halber zitiere ich mal aus dem angelinkten Artikel:


Totemismus ist ein ethnologischer (manchmal auch religionswissenschaftlicher) Überbegriff für verschiedene gesellschaftliche Konzepte oder Glaubensvorstellungen, bei denen Menschen eine mythisch-verwandtschaftliche Verbindung zu bestimmten Naturerscheinungen (Tiere, Pflanzen, Berge, Quellen u. v. m.) – den sogenannten Totems – haben, denen als Symbole eine wichtige Bedeutung für die Identitäts­findung zukommt.

Der Begriff „Totem“ steht dabei für das Symbol entweder im Sinne eines profanen metaphorischen Namens oder Gruppenabzeichens – oder eines geheiligten Sinnbildes.

Demzufolge unterscheidet man im Totemismus sowohl soziale als auch religiöse Aspekte. Die Bedeutung der Totems ist von Kultur zu Kultur sehr unterschiedlich: Bei vielen Aborigines sind (beziehungsweise waren) es krafttragende spirituelle Abzeichen, die die Menschen mit der Umwelt und der Traumzeit verbinden und die mit heiligen Orten, Zeiten, Symbolen oder Handlungen verbunden werden.

Bei vielen Ethnien anderer Kontinente werden Totems zwar magisch-mythologisch erklärt, sind jedoch im Alltag oft „nur“ profane Namen zur Klassifizierung und Wiedererkennung sozialer Gruppen in Anlehnung an die natürliche Ordnung und zur Erhaltung der kosmisch-verwandtschaftlichen Beziehungen.

Dabei ist ein Totem psychologisch betrachtet in jeder Form deutlich „wirkungsvoller und tiefer gehend“ als jegliches moderne Erkennungszeichen. Die Zuordnung und/oder Verbindung „religiös oder sozial“ ist allerdings ein häufiges Streitthema unter Ethnologen, da eine scharfe Trennung in der Regel nicht möglich ist.

Bei fast allen totemistischen Ideen sind zwei grundsätzliche Verbote verknüpft:

  • Die „verwandten“ Naturobjekte dürfen weder getötet noch beschädigt oder gegessen werden (In Zeiten großer Not dürfen Totem-Tiere bei einigen Ethnien hingegen nur von Personen getötet werden, die diesem Totem angehören)
  • Sexuelle Beziehungen innerhalb eines Totem-Clans unterliegen einem strengen Tabu

Jede totemistische Vorstellung erweitert das Konzept der Verwandtschaft auf Naturzusammenhänge, um das Fremde und Bedrohliche in die Welt des Menschen zu integrieren.
Diese „Verwandtschaft“ wird nicht im biologischen, sondern im rein mythologischen Sinn gesehen; dabei jedoch je nach Ethnie sehr unterschiedlich interpretiert: Einige australische Aborigines und die südafrikanischen Khoisan sehen im Totem zum Beispiel eine direkte gemeinsame Abstammung, während bei zentralafrikanischen Stämmen nur eine entfernte verwandtschaftliche Beziehung angenommen wird.
Totemistische Vorstellungen wurden weltweit beschrieben, vor allem bei denjenigen indigenen Völkern, die sich in verschiedene Abstammungsgruppen  oder Clans gliedern.


Ethnologen und Psychologen haben es bis heute zum Streitthema, ob Totem schon Religion war oder ob sie erst daraus hervorging-

John Ferguson McLennan brachte 1869 als erster den Totemismus mit Religion in Zusammenhang. Er sah darin ein Überbleibsel des Fetischismus.

William Robertson Smith ging noch weiter und erblickte im Totemismus den Ursprung der Religion überhaupt. Fast alle Autoren des 19. Jahrhunderts übernahmen diese Lehrmeinung oder hielten den Totemismus zumindest für die früheste bekannte Religionsform.

Alle diese Theorien basieren auf dem Evolutionismus oder haben sich in kritischer Auseinandersetzung von ihm weiterentwickelt.

Smith (und später Sigmund Freud, der allerdings keinen religiösen Hintergrund sah) führten das Opfer auf den Totemismus zurück.
 

 

Siegmund Freund schrieb zu dem Thema ein interessantes Buch, TOTEM UND TABU.
das inzwischen aber in vielen Punkten widerlegt bzw aktualisiert wurde, ins besonderem durch Claude Levi-Strauss, der dazu auch ein lesenswertes Buch verfasste. Seinen Thesen würde ich am ehensten zustimmen, da sie für mich sehr schlüssig und durchdacht sind. Er selbst hat viele Jahre unter anderem bis dahin nie besuchte indigene Stämme in Südamerika besucht und bei ihnen gelebt. Ich wies schon einmal auf sein Buch "Traurige Tropen" hin -
 
hobbyradler
hobbyradler
Mitglied

RE: Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?
geschrieben von hobbyradler

Sicherlich mussten erst mal Menschen vorhanden gewesen sein, denn ohne die gibt es weder Religionen noch Kultur. Zudem mussten sich die Menschen verständigen können. Sprache soll es etwa seit 50.000 Jahren gegeben.

Um Religiöse "Ereignisse" zu fühlen, zu denken oder sich darüber zu verständigen, hätte man vorab zumindest eine komplexe Zeichensprache erlernt haben müssen.

Entweder haben die ersten Menschen unabhängig voneinander Religion „empfunden“ oder
die Kultur des Gedankenaustauschs muss vor der Religion dagewesen sein. Ich tendiere sehr zur Kultur.

Ciao
Hobbyradler
 

teri
teri
Mitglied

RE: Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?
geschrieben von teri
als Antwort auf hobbyradler vom 09.06.2019, 15:11:09

Hätte man dann dennoch Bildhauerei und Malerei entwickelt?
 

Höhlenmalereien sind bis zu 40.000 Jahre alt. Das Judentum glaube ich 3.000 Jahre.

Jedes angefertigte Werkzeug ist Kunst.

Ciao
Hobbyradler
 
Das stimmt. Und diese Höhlemalereien  (wie z.B. in Frankreich und Spanien) sind sogar bis heute noch dreidimensional zu besichtigen.  Nach neuesten, aktuell wissenschaftlichen Erkenntnissen stellt man fest, daß sie von Frauen gezeichnet wurden.

So weit ich informiert bin, haben sich die alten Kulturen entsprechend  der Natur sowie Kosmologie orientiert. Die Göttinnen- und später die Götternamen entsprachen den Naturgewalten - d.h. sie wurden nicht vermenschlicht.

Bei den Kelten war es zum Beispiel die Göttin Holla oder Hulda. (Frau Holle)
Sie war die göttliche Kraft des Himmels und der Erde.

Besonders wichtig war den alten Kulturen der Ahnenkult und die Beziehung zur Natur, als deren Teil sie sich sahen - nicht als deren Beherrscher.

teri

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Karl
Karl
Administrator

RE: Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?
geschrieben von Karl

Die Frage heigls benötigt vor einer Beantwortung eine Definition der Begrifflichkeiten. Unter Kultur versteht man alles vom Menschen Erschaffene, das über Generationen weitergegeben, also tradiert wird.

Religionen, auch die sogenannten Naturreligionen gehören also zur Kultur. Religionen sind ein sehr wichtiges Kulturgut, aber Kultur ist mehr als Religionen. 

Karl

 

RE: Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 09.06.2019, 23:25:49
Die Frage heigls benötigt vor einer Beantwortung eine Definition der Begrifflichkeiten. Unter Kultur versteht man alles vom Menschen Erschaffene, das über Generationen weitergegeben, also tradiert wird.

Religionen, auch die sogenannten Naturreligionen gehören also zur Kultur. Religionen sind ein sehr wichtiges Kulturgut, aber Kultur ist mehr als Religionen. 

Karl

 
geschrieben von karl
Das sehe ich gerade anders herum.
In Urzeiten haben die sog. Eingeweihten die Führung ihrer Völker übernommen. Sie waren Lehrer, Ärzte und Priester.


Sie wussten den Lauf der Gestirne, die Sä- und Erntezeiten, usw.
Dies alles gestaltete die Kultur, die sich mählich aus dem Göttlichen löste und zu dem wurde, was heute kulturelle Errungenschaften sind.

Frohe Pfingsten!
Clematis



 
JuergenS
JuergenS
Mitglied

RE: Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?
geschrieben von JuergenS

Ich ahnte schon, dass es schwierig ist, diese Diskussion zu führen, ohne sie an wissenschaftliche Strukturen zu binden.

Und ich habe von euch interessante Ansätze kennengelernt.

Ich hab mir die Überschrift nochmal angesehen, und entdeckt, dass das Wort Kultur nun im Mittelpunkt steht.

Mir käme es auf den Zeitfaktor, ausgedrückt durch das Wort "gewachsen" an.

Ich meine eigentlich folgendes:

Die Basiskulturen, die vor der Entstehung von Religionen weltweit und vielfältig existierten, in endogenen Völkern heute noch weitgehend spürbar sind, haben an vielen Orten Religionen ausgelöst.

Mir persönlich geht es um die Vision, wie hätte sich die Menschheit anstelle der Bildung von Religionen dann weiterentwickelt?

Wäre, z.B. die technische Entwicklung etwa so geschehen, gewachsen wie wir sie heute vorliegen haben.

Ich lasse das Wort Kultur nun bewusst weg.


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RE: Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf JuergenS vom 10.06.2019, 09:08:39
Mir persönlich geht es um die Vision, wie hätte sich die Menschheit anstelle der Bildung von Religionen dann weiterentwickelt?

Wäre, z.B. die technische Entwicklung etwa so geschehen, gewachsen wie wir sie heute vorliegen haben.

Ich lasse das Wort Kultur nun bewusst weg.
Was erwartest du denn auf so eine Frage? Die kann man doch gar nicht beanworten. Woher sollen wir das wissen, hier könnte man doch nur ins Blaue hinein spekulieren. Was würde das für einen Sinn machen?
RE: Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 10.06.2019, 09:22:52

aber das ist doch gerade das Salz in der Suppe und die Würze einer wirklich lebendigen und guten Forendiskussion - dass man sich zu so einem Thema seine ureigenen Gedanken macht , sie mit anderen teilt und darüber diskutiert - ganz ohne zu einer tatsächlichen Antwort zu kommen - bitte würd sie nicht ab ..  Danke


 

teri
teri
Mitglied

RE: Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?
geschrieben von teri
als Antwort auf Karl vom 09.06.2019, 23:25:49
Die Frage heigls benötigt vor einer Beantwortung eine Definition der Begrifflichkeiten. Unter Kultur versteht man alles vom Menschen Erschaffene, das über Generationen weitergegeben, also tradiert wird.

Religionen, auch die sogenannten Naturreligionen gehören also zur Kultur. Religionen sind ein sehr wichtiges Kulturgut, aber Kultur ist mehr als Religionen. 

Karl

 
geschrieben von karl
Da ich der Meinung bin, daß auch die Religionen vom Menschen erschaffen wurden und Jahrtausende lang regional - heute national und international  - tradiert wurden, läßt sich eine Differenzierung bzw. Trennung schwer zu vollziehen.

Die Kultur ist ein Gesamtbegriff des uns bekannten Lebens, einschließlich der künstlerischen und mythologischen Überlieferung wie z.B. der Bibel und anderen Werken, archäologische Funden, Sagen und Mythen, Bräuchen etc.

Deshalb läßt sich das Eine vom Anderen nicht trennen, weil es eine Kulturabfolge ist.

teri

@karl, .......oder wollen wir das wie in der Wissenschaft zerstückeln? Zwinkern
teri
teri
Mitglied

RE: Wie wäre Kultur ohne Religion gewachsen?
geschrieben von teri
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 10.06.2019, 09:30:09
aber das ist doch gerade das Salz in der Suppe und die Würze einer wirklich lebendigen und guten Forendiskussion - dass man sich zu so einem Thema seine ureigenen Gedanken macht , sie mit anderen teilt und darüber diskutiert - ganz ohne zu einer tatsächlichen Antwort zu kommen - bitte würd sie nicht ab ..  Danke


 
Daumen hochDaumen hoch

Das sehe ich genauso wie du. Wir schreiben hier ja keine Dissertationen, sondern wollen uns unterhalten. Dafür steht doch das Forum?

teri

 

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