Forum Kunst und Literatur fuer Autoren und Herausgeber Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand

fuer Autoren und Herausgeber Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand

schorsch
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RE: Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand
geschrieben von schorsch
als Antwort auf JuergenS vom 12.11.2019, 15:07:20

Ein Narr, der noch am "Damals" klebt,
noch seine Hirngespinste webt
und gar im 7. Himmel schwebt.

(ICH hab` es "ohne" überlebt!)

olga64
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Mitglied

RE: Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand
geschrieben von olga64
als Antwort auf Christa Stuber vom 11.11.2019, 20:58:14

Liebe Christa,

nach meiner Rechnung sind Sie 1952 geboren, waren also für die "wirkliche" 68er Bewegung damals viel zu jung und auch für die Hippies, die ja sehr kurzlebig waren.

Wenn Sie von Anfang an dabeigewesen wären, hätte es Probleme gegeben, auch wenn Ihr Elternhaus so liberal gewesen wäre, sie schon mit 16 Jahren als Schulkind zu Demos oder in die Kneipen gehen zu lassen.
Auch die Jugendschutzgesetze waren damals sehr drastisch; ich erinnere mich gut an die Razzien in den Schwabinger Kneipen, wo reihenweise die sehr jungen Menschen rausgeholt und Busse verfrachtet wurden, um sie dann an den Polizeidienststellen den Eltern zu übergeben (die damals ja noch mit der Prügelstrafe reagierten).
Aber alles war damals Politik, so formulierten wir dies auch. Ein ganz wichtiger Punkt war der Tod des Benno Ohnsesorge (und auch das Attentat auf Dutschke). Es ging um Politik, die noch stark durchsetzt und inflitriert war von den Nazis.
Ich erinnere mich auch gut an die Leute, die z.B. uns "Gammlern" und den langhaarigen Jungs entgegentraten und als rechtschaffene deutsche Spiesser (so sahen wir sie damals natürlich) keiften, wir sollen doch "rübergehen", womit die DDR gemeint war oder schlimmer "uns hätte Hitler vergessen in seinen VErgasungsanlagen".
DAs machte eine Akzeptanz auf beiden Seiten natürlich sehr schwierig.
Sogar in meinem privaten Umfeld gab es diese Differenzen: einige meiner Freundinnen bekamen früh Kinder, ich studierte und demonstrierte. Wenn wir uns trafen, hatten wir uns bald nichts mehr zu sagen, denn die Kinderthemen interessierten mich nicht und mein Aufbruch in eine neue Zeit interessierte diese junge Mutter und Ehefrau nicht. Da gingen dann alte Schulfreundschaften schnell zu Ende.
Auch wenn es heute belächelt wird, dass wir 68er immer noch darüber sprechen,denke ich nach wie vor,dass mir das lieber ist als das, was ich in meiner Kindheit erleben musste: wenn da so ein altgedienter Nazi-Wehrmachts-Onkel kam und stundenlang seine wohl erfundenen Heldentaten "damals im Schützengraben" von sich gab und wir uns entsetzlich langweilten. Olga

Christa Stuber
Christa Stuber
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RE: Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand
geschrieben von Christa Stuber
als Antwort auf olga64 vom 12.11.2019, 19:27:41

Liebe Olga,

ich bezeichne mich ja als Spät-68er, da ich 1967/68 noch am Gymnasium war. Aber wir haben das Geschehen sehr genau verfolgt und darüber diskutiert. Und die Situation war Jahre danach noch nicht besser. So liberal waren meine Eltern nicht, ich habe mich nachts heimlich davongeschlichen und bin mit dem Fahrrad in die Disko oder zum Treffpunkt am Baggersee gefahren. Und am Faschingsball durfte man sich auch nicht vom Jugendamt erwischen lassen, wir waren ja noch keine 18. Offiziell war man natürlich "nur" bei einer Freundin. Auch die Pille gab es nur für verheiratete Frauen, nur mit Beziehungen kam man an die ran. Und illegale Abtreibungen gab es auch.
Die Hippie-Zeit war etwa von 1965-71. Da waren wir mitten drin. Natürlich konnten wir nicht nach USA oder Indien reisen, aber die Haare der Jungs wurden länger, die Röcke der Mädchen kürzer, die Musik rockiger und Drogen gab's am Schulhof problemlos, wenn man sie wollte.
Politisch war bei uns eher der Protest gegen den Vietnamkrieg aktuell. Wir haben einfach früher angefangen aufmüpfig zu sein.
Aber es war eine spannende Zeit, ich wollte sie nicht missen.

Liebe Grüße,
Christa


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hobbyradler
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Mitglied

RE: Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand
geschrieben von hobbyradler
als Antwort auf olga64 vom 12.11.2019, 19:27:41
Auch wenn es heute belächelt wird, dass wir 68er immer noch darüber sprechen,denke ich nach wie vor,dass mir das lieber ist als das, was ich in meiner Kindheit erleben musste: wenn da so ein altgedienter Nazi-Wehrmachts-Onkel kam und stundenlang seine wohl erfundenen Heldentaten "damals im Schützengraben" von sich gab und wir uns entsetzlich langweilten. Olga

Ich belächle es tatsächlich, wenn heute von „wir“ gesprochen wird.

Was in deinem Beispiel in Elternhäuser erzählt wurde ist ganz gewiss nicht zu verallgemeinern.

Nie als Kind oder Erwachsener habe ich Verwandte oder Bekannte über Heldentaten ihrer Kriegserlebnisse erzählen hören. Eher über traurige Ereignisse.

Ciao
Hobbyradler
 
Karl
Karl
Administrator

RE: Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand
geschrieben von Karl
als Antwort auf hobbyradler vom 13.11.2019, 08:34:24

Lieber Hobbyradler,

Olga schrieb von "wir 68iger" und ihre Elternhauserlebnisse sind nicht verallgemeinernd, da redet sie eindeutig von sich. 

Ich habe die damalige Zeit auch als die Zeit einer Befreiung erlebt. Ich erinnere mich noch daran, dass die Vermieterin einer gemeinsamen Freundin von Margit und mir von Nachbarn angezeigt wurde, weil diese ihren offiziellen Verlobten bei sich hatte übernachten lassen. Die Polizei kam zur Ermittlung auf die Arbeitsstelle (!) unserer Freundin. 

Erzählt man solche und ähnliche Erlebnisse heute im Kreis von jungen Leuten schütteln diese nur den Kopf. Die 68iger haben die Welt besser, toleranter in vielfacher Weise gemacht. Heute gibt es viel mehr Lebensentwürfe und deutlich weniger gesellschaftliche Zwänge als damals. 

Karl

schorsch
schorsch
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RE: Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Karl vom 13.11.2019, 09:14:39

Als meine jetzige Frau und ich (beide nach Scheidung) mal ein paar Monate auf Probe zusammen-wohnten, zeigte der Ex meiner Partnerin sie wegen verbotenem Konkubinat an. Dumm nur: In unserem Kanton war bereits straffrei, was in jenem Kanton, wo er wohnte, noch verboten war. Man sagt dem bei uns "Kantönligeist".


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hobbyradler
hobbyradler
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RE: Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand
geschrieben von hobbyradler
als Antwort auf Karl vom 13.11.2019, 09:14:39

Hallo Karl,

ich empfinde es so, dass wer heute vom „wir“ spricht, sich zum engeren Kreis der damals in der Öffentlichkeit stehenden Protestler zählt. Das waren allerdings nur sehr wenige. Vor allem in Berlin und Frankfurt, oder auch München. Beliebt ist es auch sich zur Woodstock Generation zu zählen.

In der Zeit ab Ende der 50er begann jedoch bereits in ganz Deutschland eine Veränderung der Gesellschaft. Der Schock des Krieges war langsam bei der älteren Generation überwunden und erlaubte der gesamten Jugend in Deutschland mehr Freiheiten.

Nach meinem Empfinden geschah der Aufbruch in Deutschland ab Anfang der 60er an allen Orten Deutschlands. Was die sexuelle Freiheit betrifft war sicherlich die Antibabypille und das Aufkommen der Diskotheken ein entscheidender Faktor.

Gutes und Schlechtes was man den 68ern nachsagt scheint mir gleichermaßen übertrieben.
Gleichgeartete Proteste begannen im Ausland wesentlich früher.

Ciao
Hobbyradler
 

SamuelVimes
SamuelVimes
Mitglied

RE: Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand
geschrieben von SamuelVimes

Fit wie ein Turnschuh ? Hmm - vielleicht wie ein alter Turnschuh aus 1968 -
mit kaputter Sohle - ohne Schnürsenkel aber dafür mit grossen Löchern.

LG
Sam

(Heute äusserlich - wenigstens oberhalb von Schlips und Kragen -
mit schulterlangen Haaren wieder zu einer Art Vollzeit-Blumenopa mutiert.😃)


 

JuergenS
JuergenS
Mitglied

RE: Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand
geschrieben von JuergenS

Mich würde interessieren, wer nun das Buch gelesen hat oder lesen wird.
Wahrscheinlich sollte man das, um den thread begreifen zu können, ansonsten erzählen die meisten nun nur von ihrer beobachteten oder gelebten Befreiung damals.

Ich mache immer wieder den Fehler, mich zu sehr an den Überschriften da oben zu orientieren.
Bei mir entsteht der Eindruck, dass heute noch fit sein zusammengehört zu 68 und Blumenkinder.

Ich zum Beispiel hatte damals wie heute keinen "Befreiungschlag" empfunden.
Allerdings war ich damals 1968, Vater einer dreijähigen Tochter, mit die ich sehr viel Zeit verbrachte, während die 68er hier ein paar Kilometer entfernt, 1000 Jahre Mief unter den Talaren durch spektakuläres Verhalten vertreiben wollten.
Sehr spät bekam ich erst mit, dass allzuviele Nazis in den Nachkriegsstrukturen eingewoben waren, Reformen blockierten, allerdings Motoren des Wirtschaftswunders waren.

Im übrigen, 😉, finde ich es irgendwie antipodisch, dass ich(79) fit wie zwei Turnschuhe zu sein scheine, obwohl ich 68 allenfalls mitbekommen habe, dass da in Schwabing junge Leute mit der Polizei zusammenstiessen etc.etc.

olga64
olga64
Mitglied

RE: Senioren - Fit wie ein Turnschuh, 68er und Blumenkinder im Ruhestand
geschrieben von olga64
als Antwort auf JuergenS vom 13.11.2019, 13:02:26

obwohl ich 68 allenfalls mitbekommen habe, dass da in Schwabing junge Leute mit der Polizei zusammenstiessen etc.etc.
Mit VErlaub, wenn Sie 68 erst von den sog. Schwabinger Krawallen was mitbekommen haben, die im Juni 1962 stattgefunden haben, wo lebten Sie damals? U.a. die Münchner Abendzeitung berichtete ausführlich darüber und auch die Polizei hatte in MÜnchen ihren ersten, veritablen Skandal.
Ich erinnere mich gut, weil ich damals mit Freunden als Schülerin auf der Schwabinger Leopoldstrasse eigentlich nur Eis essen gehen wollte und einen Knüppel von einem berittenen, bayerischen Polizisten ohne Grund auf den Kopf bekommen habe, weil ich in das Muster dieser von den "Bullen" verfolgten Leute passte.
Das passierte vielen von uns und dann ging das Theater so richtig los.

Wir demonstrierten übrigens nicht nur wegen "des Miefs aus den Talaren", sondern die Initialzündung war auch der Vietnamkrieg, der weltweit junge Menschen auf die Strasse trieb, um dagegen zu demonstrieren.

Übrigens, wenn ich von "wir" schreibe, waren das immer die Erlebnisse und Erfahrungen in den Gruppen, in denen ich mich damals bewegte. Wir hatten ähnliche Erlebnisse mit unseren schweigsamen Eltern und mit den Schilderungen der "Schützengräben"-ERlebnisse. Da war ich ja nicht allein; teilweise sind wir heute noch befreundet.

Ich kannte übrigens niemanden in Deutschland, der die vier Tage in Woodstock dabei war. Damals konnte man es sich nicht leisten, einfach mal über den Teich zu jetten, wenn man als StudentIn schauen musste, wie man überleben kann. Olga

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