Forum Wissenschaften Geisteswissenschaft / Philosophie Die Intrige als geschichtliches und als naturwissenschaftliches Phänomen

Geisteswissenschaft / Philosophie Die Intrige als geschichtliches und als naturwissenschaftliches Phänomen

adam
adam
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Re: Die Intrige als geschichtliches und als naturwissenschaftliches Phänomen
geschrieben von adam
als Antwort auf ehemaligesMitglied65 vom 10.08.2009, 15:04:40

Niemand wird wohl den 11. September als Intrige bezeichnen, eines der hinterhältigsten Verbrechen aus niedrigen Beweggründen der Neuzeit. Als Intrigen kann man aber die Verschwörungstheorien bezeichnen, die an dieses Verbrechen angehängt werden.

Intrigen können zu Hochzeiten führen (wenn eine Frau ihre Freundin unter einem Vorwand mit einem Mann zusammen bringt) oder zu anderen Katastrophen. War es nicht eine der geschicktest eingefädelten Intrigen der appollonischen Priester, die zum Untergang des Lydischen Reiches des Krösus geführt hat?

Intrigen haben, im Vergleich des Aufwandes zu ihrem Ergebnis, etwas Unschuldiges. Ein falsches Wort, ein falsch gesetztes Komma (Emser Depesche) und die Folgen können immens sein. Der Intrigant kann sich in der Regel mit einem Versprecher herausreden oder die Schuld durch Mißverstehen auf andere schieben. Der Intrigant zieht die Fäden an Marionetten und entzieht sich der Verantwortung. Wer könnte Hitler die Schuld am Brand des Reichstages so nachweisen, daß er vor Gericht schuldig gesprochen würde?

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adam
olga64
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Re: Die Intrige als geschichtliches und als naturwissenschaftliches Phänomen
geschrieben von olga64
als Antwort auf adam vom 10.08.2009, 15:39:00
Je nach Sicht der Betrachter (oder der Erleidenden) werde Intrigen als solche deklariert oder nicht. Ich wundere mich etwas, dass viele der Diskutanten so theoretisch einsteigen: die meisten Intrigen passieren sicherlich in der Familie, oft noch bis weit nach dem Tod, wenn der Erblasser testamentarisch hier seine Keule zum letzten Male schwingt.
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olga64
miriam
miriam
Mitglied

Re: Die Intrige als geschichtliches und als naturwissenschaftliches Phänomen
geschrieben von miriam
als Antwort auf olga64 vom 10.08.2009, 15:47:13
Die doppelte Natur der Dinge.

Wie unterschiedlich wir manches betrachten bzw. beurteilen können, das hat uns wahrscheinlich das Leben längst gelehrt. Nicht anders war es zu erwarten bei einer Diskussion um dieses Thema. Auch dass unsere Wahrnehmung sehr subjektiv ist, wissen wir mittlerweile. Ich denke, dass eines der Phänomene die sich am besten dazu eignen dies zu belegen, eben die Intrige ist. Das wäre – was mich betrifft – der Hauptgrund um die Intrige so wie sie in seinem breit gefassten Konzept Peter von Matt darstellt, als Thema so faszinierend zu finden.

Den anderen Grund erwähnte ich schon am Anfang dieses Threads: von Matt stellt inhaltlich einen festgefahrenen Begriff in Frage – zwingt uns, nein ich sage lieber: zwingt mich, etwas zu überdenken. Und dies gelingt ihm, dank der Konsequenz mit der er sein Thema behandelt, aber auch dank der Brillanz mit der er es uns präsentiert.

Ist es aber nicht auch so, dass oft das Schicksalhafte nur durch eine Intrige bekämpft bzw. besiegt werden kann? Nun, ich erlaube mir, mich in diesem Falle für die Intrige auszusprechen und nicht lammfromm ein Schicksal zu akzeptieren.

Da ich in diesen Tagen im Buch von Peter von Matt wieder des Öfteren gelesen habe, kann ich der Versuchung nicht widerstehen, Euch zum Beispiel hier den Anfang des Werkes zu zitieren:


Zitat aus Peter von Matt: Die Intrige...

Die Schöpfung lügt. Der Kosmos des Lebendigen, an dem wir uns freuen, weil es alles enthält, was schön ist, und weil er uns selbst wieder am Leben erhält, ist ein unabsehbarer Zusammenhang von Lüge, Täuschung, Tücke und todbringender Hinterlist. Jahrmillionen vor dem ersten Menschen gab es auf dem blauen Planeten schon die praktizierte Falschheit in allen denkbaren Variationen. Die Geschöpfe brauchen sie, um sich von anderen Geschöpfen zu ernähren und um sich fortzupflanzen.
Was lebt, muß Leben töten. Daher ist, was lebt, selbst immer in Gefahr, getötet zu werden, und sucht sich zu schützen. Das Töten wird dadurch schwieriger. Also muß, was lebt, Wege finden das lebenserhaltende Töten einfacher zu machen.


Ende des Zitats.

Stimmt das denn nicht? Ich meine schon, dass von Matt sehr genau von Anfang an uns den Grund nennt, warum wir uns - sogar gegen einem anfänglichen inneren Widerstand - mit dem weit verbreitetem Phänomen der Intrige befassen sollten.

Ich hoffe, dass ich heute auch noch dazu Zeit finde, den zweiten Teil des Gespräches von Andrea Meier mit Peter von Matt inhaltlich hier widerzugeben.
Zu manchen Beiträgen die hier geschrieben wurden, werde ich später auch noch einiges schreiben - vorläufig danke ich Euch.

Liebe Grüße

Miriam





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nasti
nasti
Mitglied

Re: Die Intrige als geschichtliches und als naturwissenschaftliches Phänomen
geschrieben von nasti
als Antwort auf miriam vom 10.08.2009, 17:11:43

Ich habe jetzt schon viel verstanden, inzwischen das Buch bestellt für 12.50

…..Was lebt, muß Leben töten…….

Es ist nur ein Zufall, das ich noch am Leben bin. Ich persönlich empfinde mich als Person B oder C, nie als A. Und heimlich in träume und Wachträume töte ich die Person A, lasse ich die Person A mit tausend Tote sterben, bevor ich Sie quelle noch schlimmer wie in Mittelalter.
Die Person A fürchtet sich von mir, hab ich endlich verstanden.
Mitglied_73fd35a
Mitglied_73fd35a
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Re: Die Intrige als geschichtliches Phänomen und als Praxis der Gegenwart.
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Medea vom 09.08.2009, 20:32:14
die intrigen des Menschen haben mit den "Intrigen" der Spinnen..oder Woelfe..nur bildlich zu tun.
Kriegslist wuerde ich nicht zu den Intrigen zaehlen..denn das waere den Zweig zu verurteilen und den Stamm zu uebersehen.der Krieg an sich ist abzulehnen..die Agression..die Invasion..wohl aber nicht die Verteidigung.
auf verhalten unter Tieren und Pflanzen hinzuweisen wird im Unterbewusssein gerne benutzt um " die natur der Dinge" zu preisen..aufrichtig ist das nur um einen Vorwand fuer Misshandlung und Unrecht zu propagieren:
Naturalisierung..nennt man das.
wenn das "troianische Pferd " heute gebraucht wird..dann nicht als Kriegslist..sondern in den Bereichen der Politik und der sozial Psychologie..also :beim zwischen menschlichen Verhalten..besonders in den int.Beziehungen..ich wuerde also die Biologie ausnehmen.der Verstand kann nicht die Intrigen einer..Schlange..mit den Intrigen des Rassismus .. und des Kolonialismus..
der Kapitalismus kann unmoeglich ohne Intrigen ueberleben..es sei denn,mann koennte sich einen Kapitalismus ohne Opportionismus vorstellen.
kurz:
Intrigen sind ein Phanomen des gegenwaertigen persoenlichen,gesellschaftlichen und staatlichen Verhaltens.
eine Praxis des instituts.eine Ausschreitung des kommunikativen Handelns.
--
abdu
marianne
marianne
Mitglied

Re: Die Intrige als geschichtliches Phänomen und als Praxis der Gegenwart.
geschrieben von marianne
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 10.08.2009, 23:16:40
Das glaubst du.
Ich glaube es nicht.

Marianne

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Mitglied_73fd35a
Mitglied_73fd35a
Mitglied

Die Intrige als geschichtliches Phänomen und als Praxis der Gegenwart.
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf marianne vom 10.08.2009, 23:46:22
das ist nicht was ich glaube..
das ist,was ich verstehe..
genauer: das ist selbstverstaendlich.
man kann auch gruendlicher diese Sache betrachten
aber ; das war s fuer heute..en passant .

es ist nicht mein Ziel dass du daran glaubest..oder an sonst noch was glaubest.
--
abdu
miriam
miriam
Mitglied

Re: Die Intrige als geschichtliches und als naturwissenschaftliches Phänomen
geschrieben von miriam
als Antwort auf miriam vom 09.08.2009, 23:08:48
Zweiter Teil des Gespräches zwischen der Journalistin Andrea Meier und Peter von Matt

Entschuldigt, wenn es nun so aussieht, als würde ich mir selber antworten. Für mich war es aber die einzige Möglichkeit um darauf hinzuweisen, dass dies die Fortsetzung des Gespräches mit Peter von Matt ist.

Nochmals der Hinweis: es ist keine wort-wörtliche Wiedergabe, sondern eine inhaltliche, die einige der wichtigsten Punkte der Diskussion wiedergibt.

Historisch gesehen, entwickelt sich die Intrige am Hofe der Könige, und zwar zu dem Zeitpunkt als an den großen Königshöfen die Anwendung der direkten Gewalt verboten wurde. Die Aggressionen wurden nun sublimiert und in geheimen Aktionen umgesetzt - die intrigenartig abliefen.

Im Laufe der Geschichte und zwar als Reaktion auf das Mittelalter, sprengt der Mensch im 18. Jahrhundert die Denk- und Verhaltensbefehle. Es ist die Zeit des großen Umbruchs und der Selbstbefreiung, der Mensch wird zum Selbstdenker und Selbsthandler.
Schiller setzt oft in seinen Dramen auch den Typus des Intriganten des Mittelalters ein, den er aber zutiefst verurteilt.

Auf Machiavelli angesprochen der behauptet, dass der Mensch ein Doppelwesen ist, nur zur Hälfte dem Recht und dem Gewissen gehorchend, dessen andere Hälfte aber triebgesteuert und gewalttätig ist, wies Peter von Matt darauf hin, dass diese Züge auch heute beim Betrachten der weltpolitischen Ereignissen, noch zu finden sind. Man erkennt ja darin unschwer die unmittelbar durchgeführte brutale Gewalt - deren Gegenfigur, besser gesagt: in der Politik verankerter Gegenpart, die Diplomatie ist. Für von Matt verdient diese aber nicht unmittelbar die Bezeichnung Intrige.

Wenn die Figur des schlauen Fuchses so gerne in der Literatur verwendet wird, dann geschieht dies weil er das Wesen darstellt, welches jenseits aller Moral operiert. Man hat aber andererseits gerne diese menschlichen, oft intrigante Charakterzüge durch die Figur des Fuchses verkörpert, da dieser ja nur ein Tier ist.

Andrea Meier fragte im letzten Teil ihres Interviews den Autor nach dem Einfluss von Sigmund Freud auf die Literatur und die Literaturwissenschaften. Peter von Matt antwortete darauf, dass Freud das Lesen an sich verändert hat, besser gesagt - die Aufmerksamkeit des Lesers.

Die Literatur ist ein großes Zeichensystem, dessen Elemente eine Bedeutung haben. Man kann natürlich Literatur nur als reine Handlung lesen - doch in der Geschichte des seelischen, traumähnlichen Geschehens, haben die Dinge eine andere Bedeutung als die reine Aktion. Damit öffnet Freud die Türe zu der doppelten und dreifachen Bedeutung des Geschehens.

Freud betrachtet zwar den Menschen als einen Denkenden, doch zur gleichen Zeit auch als einen der oft keine Ahnung hat was der Sinn dessen was er tut eigentlich ist.
Und so entdeckt man nun einen anderen Intriganten: das Unbewusste.

--
miriam
Medea
Medea
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Re: Die Intrige als geschichtliches und als naturwissenschaftliches Phänomen
geschrieben von Medea
als Antwort auf miriam vom 11.08.2009, 00:18:38
Menschliche Eigenschaften wurden und werden gerne auf Tiere übertragen. Das Epos Reineke Fuchs ist ja ein wunderbares Beispiel dafür. In der Tierwelt soll es nicht anders zugehen, menschliche Schwächen werden so viel sichtbarer gemacht, gewissermaßen auf die Tiere abgewälzt und es scheint, als solle damit nicht nur aufgezeigt, sondern wohl auch um Verständnis geworben werden.

M.


adam
adam
Mitglied

Re: Die Intrige als geschichtliches und als naturwissenschaftliches Phänomen
geschrieben von adam
als Antwort auf miriam vom 11.08.2009, 00:18:38
Historisch gesehen, entwickelt sich die Intrige am Hofe der Könige, und zwar zu dem Zeitpunkt als an den großen Königshöfen die Anwendung der direkten Gewalt verboten wurde. Die Aggressionen wurden nun sublimiert und in geheimen Aktionen umgesetzt - die intrigenartig abliefen.

Im Laufe der Geschichte und zwar als Reaktion auf das Mittelalter, sprengt der Mensch im 18. Jahrhundert die Denk- und Verhaltensbefehle. Es ist die Zeit des großen Umbruchs und der Selbstbefreiung, der Mensch wird zum Selbstdenker und Selbsthandler.


Grüß Dich miriam,

von der Historie gesehen, kann ich die zitierte Aussage nicht nachvollziehen. Das Denken war meiner Ansicht nach immer frei. Schon in der Bibel ist die Intrige erfolgreich. Josef leidet unter den Intrigen seiner Brüder, die Schlange intrigiert gegen Gott.

Besonders die Schlange war das Sinnbild der bösen Intrigantin, wurde sie doch als die eigentlich Schuldige an der Erbsünde dargestellt und als warnendes Beispiel an den Menschen, nicht auf die Kritiker Gottes zu hören. Da wird die Intrige zum Mittel des Teufels und nur zu gerne haben sich Kirche und Adel Jahrhunderte lang unter diesen Schutzschirm begeben, mit der Behauptung, aus Gottes Gnaden zu herrschen.

Heute kann ich aber gerade an diesem Beispiel für die Berechtigung der Intrige argumentieren als positives Mittel des Schwachen gegen den Starken. Als Raffinesse bezeichnet, ist sie sogar positiv zu bewerten. Immerhin entspringt auch die Intrige dem menschlichen Geist und ist in ihrer Kreativität der Definition des Göttlichen näher als die rohe Gewalt.

--

adam

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