Geisteswissenschaft / Philosophie Haben wir einen freien Willen?

carlos1
carlos1
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Re: Haben wir einen freien Willen?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf hafel vom 12.10.2007, 00:52:08
"...das dualistische Weltbild von Kant zur Rettung dessen, was er unter freiem Willen verstanden hat, ist Humbug und nicht nötig." Karl

@hafel: Ich wandte mich gegen dieses angeblich von Kant stammende "dualistische Weltbild", wie Karl es formuliert. Kant hat dies nicht gesagt, nicht in dieser Form. Er spricht zwar von den Dingen, die wir als Erscheinungen wahrnehmen und dem "Ding an sich" ,das für uns im Dunkeln, weil nicht erkennbar, bleibt. Ich zitiere: "Die Kausalität nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige. Es ist noch eine Kausalität durch Freiheit anzunehmen notwendig. (KdrV Seite530f.). Weiterhin: Seite 603f: "Denn sind Erscheinungen Dinge an sich selbst, so ist Freiheit nicht zu retten. Alsdann ist Natur die vollständige Ursache jeder Begebenheit." "Freiheit kann ich als Eigenschaft eines Wesens nicht erkennen doch denken" (Seite 30/31). Gälten im Bereich der "Dinge an sich" dieselben Gesetzmäßigkeiten wie bei den uns erkennbaren/sichtbaren Dingen dieser Welt, gäbe es keine Freiheit. hafel, "zwingend", wie du meinst, kann diese Argumentation wirklich nicht genannt werden. Es sind Annahmen, dass etwas so ist, so sein sollte.

Karl spricht von der "erbärmlichen Diskussion", die darüber geführt wird, ob unser Verhalten kausal begründet sei. Einverstanden, aber bitte dann auch sagen, dass wir von den biologischen Wurzeln der Moral nicht absehen können (Karl wies darauf hin), die in der biologischen Evolution des homo sapiens verankert sind. Andererseits müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass die Moral aus der genetisch-organischen Evolution nicht ableitbar ist. Unsere genetisch determinierte Neigungsstruktur - eine artspezifische Leistung des menschlichen Bewusstseins - kann und wird epigenetisch überlagert: Wir sind zu kulturellem Lernen fähig. Es gibt also somit auch eine soziokulturelle Entwicklung der Moral. Diese ist allerdings mit unseren kognitiven Leistungen nur lose gekoppelt, und so können den Steigerungen unserer Erkenntnisfähigkeiten auch neue Dimensionen des Guten und Bösen eröffnet werden. Findet sich alles in der anregenden Diskussion wieder, ohne dass ich Namen nenne. Muss ich deshalb den alten Kant einfach auf den Müll werfen?

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c.
Karl
Karl
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Re: Haben wir einen freien Willen?
geschrieben von Karl
als Antwort auf carlos1 vom 12.10.2007, 22:53:20
Danke Carlos für deine interessanten Antworten. Ich verspreche zu antworten, aber heute und am Wochenende habe ich Stress mit anderer Arbeit. Ich bitte um Geduld.
--
karl
dutchweepee
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Re: Haben wir einen freien Willen?
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf carlos1 vom 12.10.2007, 22:53:20
ich bewege mich mein leben lang in einem Kokon, in einem system von begrenzungen. einige kann ich nicht verändern (naturgesetze), einige konnte ich verändern (die "mauer"), einige muss ich akzeptieren (strassenverkehrsordnung), bei den meisten bin ich hoffnungslos chancenlos, sie zu verändern (BGB, StGB). ...zum glück habe ich keine religiösen beschränkungen und darf schweinefleisch essen und fremdgehen, wenn ich will.

haben wir die chance unseren trieben zur selbstverteidigung zu widerstehen, wenn wir in notwehr einem angreifer den kehlkopf aus dem hals ziehen? war es mein "freier wille" diesen unbekannten chinesen zu töten, der mich jenseits vom Amur mit einer AK-47 ansprang?

ich bin kein mensch, der andere tötet und bin trotzdem überzeugt davon, daß in unserem hirn reflexe lauern, die keiner von uns haben will und braucht. vielleicht fehlt bei trieb-tätern einfach die barriere, die wir "normalen" menschen haben, um diese reflexe auszuleben?

einen omnipotenten "freien willen" wird es nicht geben - nicht nach KANT, nicht nach LENIN, und sowieso nicht nach GOTT. sonst könnten wir menschen einfach nicht in solch großen massen zusammenleben.

p.s.: ich bin gespannt, was KARL uns erzählen wird, aber ich weiss, daß wir menschen in gewissem maße durch uns selbst in notsituationen "ferngesteuert" werden.

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dutchweepee
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Re: Haben wir einen freien Willen?
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf dutchweepee vom 13.10.2007, 04:03:06
ich möchte noch hinzufügen, daß ich damit kein höheres wesen, oder gar schicksal als "fernsteuerung" meine, sondern ein konglomerat aus erziehung, genen und trieben.

manchmal agieren wir und manchmal reagieren wir nur.
hafel
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Re: Haben wir einen freien Willen?
geschrieben von hafel
als Antwort auf dutchweepee vom 13.10.2007, 04:03:06
@dutch: p.s.: ich bin gespannt, was KARL uns erzählen wird, aber ich weiss, daß wir menschen in gewissem maße durch uns selbst in notsituationen "ferngesteuert" werden.






Ich bin auch auf Kals Antwort sehr gespannt. (Der arme Karl bei soviel Erwartungshaltung).
--
hafel
rolfwalter
rolfwalter
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Re: Haben wir einen freien Willen?
geschrieben von rolfwalter
als Antwort auf dutchweepee vom 13.10.2007, 04:18:11
erlaube mir hier eine kleine Korrektur der Begriffe, Dutch: Wille und Reflex haben nichts miteinander zu tun. Sehr viele Reflexe kommen nicht mal aus dem Gehirn sondern aus den oberen Bereiche des Rückenmarks. Das ist es wohl, was du als innere "Fernsteuerung" bezeichnest.In einer Diskussion über "Freien Willen" haben diese Reflexe aber nichts zu suchen, denn sie erfolgen zwangsläufig.
--
rolfwalter

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schorsch
schorsch
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Re: Haben wir einen freien Willen?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf hb730 vom 02.10.2007, 17:52:49
Wie es aussieht haben nur jene Menschen einen freien Willen, die nicht an die Allmacht und All-Anwesenheit Gottes glauben (
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schorsch
longtime
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Re: Haben wir einen freien Willen?
geschrieben von longtime
als Antwort auf schorsch vom 13.10.2007, 18:38:19
... Sschorch - das ist der intelligenteste, einfachste Satz, den man zu dieser Frage formulieren kann, die immer das Gefangensein durch die eigene sprachliche Begrifflichkeit und die Bedinungen seine Gefühlswelt und sozialen Erfahrungsfahrunge und seiner Verdrängungen mitreflektieren muss.

Zu diesen Grundauffassungen über sich, seine Eitelkeit und die Dummheit der anderen als eigene, unerkannte Blödigkeit sind in den CT-Bildchen, wo es blinkert und farbig blitzert und schlaue Professorchen ihre vorher eingestellten Fragen und Operationsmöglichkeiten als ersehnte Ergebnisse abrufen - und auch vor den tropfenden Lichtern am Weihnachtsbaum - keine Wahrheiten zu erwarten.

TIPP:

Homers Gehirnchen
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longtime
carlos1
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Re: Haben wir einen freien Willen?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf longtime vom 14.10.2007, 09:46:02

"Wie es aussieht haben nur jene Menschen einen freien Willen, die nicht an die Allmacht und All-Anwesenheit Gottes glauben" schorsch


"...das ist der intelligenteste, einfachste Satz, den man zu dieser Frage formulieren kann ...." longtime


Nietzsche meinte, dass Gott tot sei. Dostojewski vertrat die Auffassung, dass wenn Gott tot sei, alles erlaubt ist. Wirklich alles. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Vergesst dann auch die Menschenrechte, ebenso das Gefasel von der Würde des Menschen, von Gerechtigkeit und Verantwortung ..... Wo wäre dann die Instanz, die Verantwortung einfordert? Woher bezöge der Mensch die Rechtfertigung für Mord und Totschlag? Woher bezieht dann der Mensch die Einzigartigk seiner Stellung in der Welt? Ich brauche nicht an die Allmacht und All-Anwesenheit Gottes zu glauben, im Sinne eines Für-wahrhaltens seiner Realität etwa. Aber als Instanz ist Gott eine gute Erfindung. Wo der Name veschwindet, tritt bald etwas Ähnliches an seine Stelle, etwa der Allmächtige, die Vorsehung, die Blutfahne, mit der Standarden durch Berührung geweiht werden, der Tempel mit den Toten der Bewegung, die Partei, die immer Recht hat, der Generalsekretär und das Konzil der Partei (Parteitag).
c.
hugo
hugo
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Re: Haben wir einen freien Willen?
geschrieben von hugo
als Antwort auf carlos1 vom 14.10.2007, 11:08:26
carlos schreibt oder meint: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt

so nimmt sich hugo mal die Freiheit zu dencken, das der Mensch nicht das Optimale, das Maximale und schon gar nicht das Wünschenswerteste für diese Welt ist.

Vielleicht erfüllen wir aber doch irgendeinen Zweck?
Vielleicht werden wir tatsächlich auch nur benutzt ?
(und wenns auch nur als abschreckendes Beispiel ist)

vielleicht übt irgend so eine Mikrobe, ein Virus ein Sonstwas, Macht über uns aus, benutzt uns für seine Zwecke, baut uns in seinen Plan ein, benötigt uns als eine Art Wirtstier und sieht dabei großzügig und gönnerhaft über unsere selbseingeredete Überheblichkeit und unseren Größenwahn hinweg,,, ?*g*
--
hugo

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