Internationale Politik Kinderarmut in Deutschland?

RE: Kinderarmut in Deutschland?
geschrieben von ehemaliges Mitglied

Was mich ein wenig stört an dieser Diskussion hier, das verglichen wird wie schwierig doch die eigene Kindheit war, man musste doch auch hungern und man hatte trotzdem oder vielleicht gerade deshalb Erfolg im Leben. Das ist nur ein schwacher Trost für die Kinder die in der heutigen Zeit, wo es doch den meisten gut geht (zumindest noch), hungern müssen oder vieles nicht tun können was Geld kostet. Ja man kann Zuschüsse für vieles bekommen. Oft schämen sich aber die Eltern, auch die Kinder ab einem bestimmten Alter, diese Zuschüsse in Anspruch zu nehmen.

Die Eltern werden doch viel zu schnell abgestempelt selber Schuld zu haben. Natürlich gibt es das, die fallen auch eher auf. Es gibt aber auch die (oft alleinerziehende Mütter), die aus Scham versuchen den äußeren Schein zu wahren und nicht zu zeigen dass sie arm sind. Es kann doch schnell passieren unverschuldet (gerade in der heutigen Zeit) in diese Armut zu rutschen.
Es ist auch nicht immer einfach (zumindest hier auf dem Land) diese Armut in der Nachbarschaft zu erkennen, wenn man nicht in einer sozialen Einrichtung tätig ist.

LG Heidrun
RE: Kinderarmut in Deutschland?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.07.2020, 12:02:08

Danke, Heidrun. Das ist der beste Beitrag in diesem ganzen unsäglichen Thread.
Mir ist von Anfang an die Lust dazu vegangen, mich daran zu beteiigen, als ich wieder lesen musste, wie toll sie alle ihre eigene Armut gemeistet  haben und dass die Eltern der Kinder, die heute in Armut leben, alle selber schuld sind.
Mal über die eigene Nasenspitze hinausdenken und -sehen können, das scheint für einige unglaublich schwer zu sein. Als ob man unsere Kindheit früher mit der heutigen vergleichen könnte! Unsere Armut war eine nachkriegsbedingte und betraf fast alle, das alles ist nicht vergleichbar mit armen Kindern heute, die immer zu den Benachteiligten in der Gesellschaft gehören und nicht zu einem Gros, wie es damals war. Dadurch erleben sie ihre Stigmatisierung und Ausgrenzung umso stärker.
Und wer behauptet, die Eltern könnten alle nicht mit Geld umgehen und wären selber schlud, der/die sitzt auf einem reichlich hohen Ross.
Der oder die soll einfach mal versuchen, mit Hartz IV zu leben oder sich in einem gewissen Alter eine neue Stelle zu suchen, weil die Pleitefirma oder der Pleitekonzern einen vor die Tür gesetzt hat. Und man weiß, wie schnell heute die Firmen mit Hire und Fire umgehen.
Alle selber schuld? Und das gerade jetzt, wo Corona die Unterschiede noch vertieft? Schlimm, solche dummen Pauschalurteile!
Armutsverschärfer Corona

P.S. Ich stelle mal einen Kommentar ein, der unter dem Artikel zu lesen ist und die Sachlage genau trifft:
"An der Armut ist die Arbeitsmarktpolitik zu einem großen Teil beteiligt. Der Niedriglohnsektor ist zu groß, es gibt zuviel unfreiwillige Teilzeit und unfreiwillige Minijobs. Es gibt zuviel Scheinselbstständigkeit und prekäre Beschäftigung sowie Werkverträge bei Beschäftigten, die eigentlich einen Arbeitsvertrag mit Tarifbindung verdient hätten. Außerdem ist der Mindestlohn zu niedrig."

Edita
Edita
Mitglied

RE: Kinderarmut in Deutschland?
geschrieben von Edita
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.07.2020, 12:25:43

Protest Euer Ehren, ganz so unsäglich ist der Thread nicht gelaufen, denn was Du jetzt beanstandest habe ich schon auf Seite 3 beanstandet und ausgeführt!      😉

Edita   


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RE: Kinderarmut in Deutschland?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Edita vom 23.07.2020, 12:40:27

Ihr habt recht, Euer Ehren, Entschuldigung! 😉
Ich habe Euer Ehren aber auch ein Herzchen dafür gegeben. Zum Ausgleich bekommen Euer Ehren jetzt noch ein paar dazu. 💗💙💚💛💜 😉

Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Kinderarmut in Deutschland?
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.07.2020, 12:25:43

So sehe ich das auch, marina, zumal wir in den späten 1940er und den 1950er Jahren ja berechtigte Hoffnungen hatten, dass alles besser würde. Nicht zu vergessen, dass damals die Mehrheit der Bevölkerung nichts oder nur sehr wenig hatte.

Hinzu kommt, dass ich es beschämend finde, dass immer noch das Vorurteil in manchen Köpfen zu existieren scheint, dass derjenige, der arm ist, selbst Schuld sei. Ich habe in meinem (pädagogischen) Berufsleben auch immer wieder mit Kindern aus sogenannten "Unterschichten" gearbeitet. Der Prozentsatz derer, die sich freiwillig in ihrer Situation "eingerichtet" haben, war sehr gering. Das war zwar in den 1990er bis 2000er Jahre, aber ich denke, viel anders ist es heute auch nicht.

 

jeweller
jeweller
Mitglied

RE: Kinderarmut in Deutschland?
geschrieben von jeweller

Herzlichen Dank für euere recht interessanten Beiträge.
Eigentlich wollte ich keine Lebensläufe, sondern nur ein JA oder NEIN.
Ich hätte vielleicht noch erwähnen sollen, Vergleiche die ihr euch aus dem Internet reinzieht brauch ich auch nicht. Da ich glaube keiner von den Teilnehmer hat eigene Afrika Erfahrung. oder? 

LG Hubert

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JuergenS
JuergenS
Mitglied

RE: Kinderarmut in Deutschland?
geschrieben von JuergenS

JA.


Ich habe kaum hier gelesen, beschränke mich auf folgendes für Jeweller(gelesen auf der Malteser-Website):


"Arm sind diejenigen, die nur auf 40 bis 50 Prozent des mittleren Nettoeinkommens kommen"

Servus

olga64
olga64
Mitglied

RE: Kinderarmut in Deutschland?
geschrieben von olga64
als Antwort auf Der-Waldler vom 23.07.2020, 13:27:37
 

Hinzu kommt, dass ich es beschämend finde, dass immer noch das Vorurteil in manchen Köpfen zu existieren scheint, dass derjenige, der arm ist, selbst Schuld sei. Ich habe in meinem (pädagogischen) Berufsleben auch immer wieder mit Kindern aus sogenannten "Unterschichten" gearbeitet. Der Prozentsatz derer, die sich freiwillig in ihrer Situation "eingerichtet" haben, war sehr gering. Das war zwar in den 1990er bis 2000er Jahre, aber ich denke, viel anders ist es heute auch nicht.

 
DAs ist ein schwieriges Thema, da man auch definieren muss, was jemand als "arm" empfindet. Oft ist es auch so,dass das Leute sagen,die z.B. bei Nachbarn vermuten,dass diese so viel mehr hätten als man selbst, obwohl man auch das meist nicht weiss.
Ich möchte das aber ein wenig umdrehen: ich gehe davon aus, dass niemand mit Freuden arm sein möchte; aber es ist auch ein FAkt,dass jeder für sein Leben selbst verantwortlich ist und Hilfeleistungen der Solidarmeinschaft in Ländern wie Deutschland wünschenswert und angebracht sind, aber nicht als Dauerlösung.

Ob die Situation vor 20 Jahren anders war als heute, kann ich nicht beurteilen. ABer ich denke, die finanziellen Zuwendungen werden oft nicht denen gerecht, die es bräuchten und das sind die Kinder in unserem Land.
Ich plädiere schon lange dafür, dass z.B. das Ehegattensplitting, das einzigartig in Deutschland schon lange nicht mehr in unsere Zeit passt und wovon nur gutverdienende Ehemänner profitieren, wenn sich ihre Frauen bereiterklären, zu Niedriglöhnen oder auf Minijob-Basis zu arbeiten. Umgekehrt sind zwei Menschen, die ohne Trauschein zusammenleben jeder für sich steuertechnisch verantwortlich.
Genau so verhält es sich mit der gesetzlichen Krankenversicherung: da partizipieren Ehefrauen und Kinder an der Prämie des Ehemannes; bei Paaren ohne Trauschein zahlt jeder seinen KV-Beitrag.
Und es gibt sie natürlich die Politiker, die vor Wahlen ihre Giesskannen wieder über Familien (und Senioren) ausgiessen, weil sie ihre Wähler nicht verlieren wollen. Aber ob das dann wirklich den Familien hilft, wenn zwar wieder eine staatliche Transferleistung etwas steigt, umgekehrt dann aber Menschen keinen Sinn mehr darin sehen, einer Arbeit nachzugehen, wenn ihr Einkommen dann auf gleicher Höhe wäre wie Hartz IV? Da stimmt einiges nicht im System, wie ich befürchte und es kann schon sein, dass auch die individuelle Energie und die Ambitionen des Einzelnen davon blockiert werden, wenn "der Staat" ja sowieso bezahlt.
Ich habe mich zwar noch nicht intensiv damit befasst, aber mir erschiene eine Grundsicherung für Kinder positiv,die aber dann ausschliesslich diesen zugutekommen müsste. Wie das zu handhaben wäre - siehe oben, habe mich noch nicht so richtig damit befasst. ABer vielleicht fällt ja jemanden dazu was Konkretes ein. Olga
Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Kinderarmut in Deutschland?
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf olga64 vom 23.07.2020, 17:17:11

Hallo, Olga,

ich denke, man kann, muss und sollte von der Definition von "Armut" ausgehen, die all diesen Studien zugrunde liegt, ich denke, sie wurde hier im Forum schon mal niedergeschrieben. Wenn jeder seine eigene Definition einbringt, wird es schwierig.

Ansatzweise sehe ich es wie Sie: dass man zu einem gewissen Teil für sein Leben verantwortlich ist, zumindest wenn man erwachsen ist.

Aber es gibt auch so viele Unwägbarkeiten, so viel Leid, das einem durch andere oder auch durch das Schicksal zugefügt wird, dafür kann man die Verantwortung gar nicht vollends übernehmen, das geht oft über die Kräfte dessen, dem das widerfährt.

Ich hatte es in meinem Beruf manchmal am Rande auch mit Obdachlosen zu tun (ich arbeitete damals in einer Beratungsstelle eines karitativen Verbandes), da gab es Geschichten, die kaum fassbar waren. Gut situierte, charakterlich starke Menschen wurden durch Schicksalsschläge, Verlust oder Trennungen zu körperlichen und seelischen  Wracks, die in kurzer Zeit sozial absackten und die nicht mehr die Kraft hatten, sich da selbst rauszuziehen. Ich habe Menschen kennengelernt, die durch schwere Krankheiten völlig aus ihrem Leben heraus gerissen wurden, das habe ich sogar selbst ansatzweise erlebt, als ich 1995 lebensbedrohlich erkrankte, was mich fast mein Leben gekostet hat, und meine Frau und mich an den Rand des finanziellen, psychischen und sozialen Kollaps brachte. Ich hatte und habe nun das Glück, einen stabilen, sedhr hilfsbereiten, liebenswerten Familien- und Freundeskreis zu haben, der uns auffing, vor allem auch seelisch, aber auch das Gefühl gab, finanziell notfalls Hilfen zu erhalten.

Aber ich habe mehr als nur einen Menschen kennengelernt, der niemanden hatte, der stark genug war, und daran ist so mancher zerbrochen.

Klar, manche Menschen lassen sich hängen, was ganz fürchterlich ist, auch für die Behörden und Beratungsstellen, die helfen WOLLEN. Und es gibt auch Menschen, die meinen, einen Anspruch zu haben, dass der Staat sie schon "durchbringt", ohne dass sie sich anstrengen müssen. Ja, so etwas gibt es.

Aber ich denke nicht, dass das die Mehrheit ist. Und ich denke auch nicht, dass alle Menschen in der Lage sind, für ihr eigenes Leben die Verantwortung "zu haben" (und schon gar nicht für grosses Leid, wenn es ihnen widerfährt).

Aber all das wird sekundär, wenn man nur die Kinder in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt. Kinder sind an ihrer sozialen Situation niemals "Schuld" und auch nicht verantwortlich dafür. Und da finde ich Ihren Gedanken gut und richtig: Es müsste eine Art Grundsicherung für Kinder geben. Wie man das kontrolliert, ob man eine Art "Helfer" dem Kind zur Seite stellt, und wie man das mit den Eltern der betreffenden Kinder regelt, darüber müsste nachgedacht werden, vor allem von den Familienministerien in Bund und Ländern, von den örtlichen Sozial- und Jugendämtern, evtl. von Forschungsstellen, die sich damit schon beschäftigt haben. Ich bin zu lange aus dem Job raus, um noch zu wissen, was aktuell alles möglich ist und was nicht. Aber dieser Vorschlag von Ihnen hat meine Sympathie.

Schönen Abend

DW

RE: Kinderarmut in Deutschland?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Der-Waldler vom 23.07.2020, 22:03:16
 Wie man das kontrolliert, ob man eine Art "Helfer" dem Kind zur Seite stellt, und wie man das mit den Eltern der betreffenden Kinder regelt, darüber müsste nachgedacht werden, vor allem von den Familienministerien in Bund und Ländern, von den örtlichen Sozial- und Jugendämtern, evtl. von Forschungsstellen, die sich damit schon beschäftigt haben.
Es gibt Familienhelfer die vom Jugendamt eingesetzt werden können. Das hängt aber vom Jugendamt der Region ab, in der die Familie / Alleinerziehende wohnt. Diese Hilfe geht auch über mehrere Jahre. Die Jugendämter reagieren da sehr unterschiedlich. Aber wann kann das Jugendamt unterstützend eingreifen. Die wenigsten richten sich ans Jugendamt, sie versuchen es alleine in den Griff zu bekommen.
LG Heidrun

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