Internationale Politik Tyrannenmord

qilin
qilin
Mitglied

Re: Tyrannenmord
geschrieben von qilin
als Antwort auf sittingbull vom 21.07.2013, 11:07:19
das hinrichten von austauschbaren "charaktermasken" wie z.b. heydrich mag in letzter
konsequenz nichts bringen ... ausser seinem verdienten tot .
allerdings war der deutsche faschismus nie verlegen , wenn es um hanebüchene vorwände für
massenmorde in osteuropa ging .
insofern kann die "heimführung" heydrichs nicht als auslösendes fanal für etwaige
massaker angeführt werden , ausser man unterstellt den faschisten ein reaktives ,
möglicherweise sogar nachvollziehbares moment .

für die widerständigen partisanen aber , bedeutet die erfolgreiche hinrichtung eines
exponierten schweines wie heydrich , die scheinbare unangreifbarkeit der systemlogik
zu unterlaufen und deren verwundbarkeit aufzuzeigen .

D.h. es ist jedenfalls gut und richtig, austauschbare Charaktermasken dieses Kalibers [gibt's die nicht auch bei anderen Regimes?] von einem ausländischen Geheimdienst umbringen zu lassen ['hinrichten' ist da ein seltsamer Euphemismus - und ausführendes Organ war in diesem Fall wohl eher das englische Secret Service], wenn nur den 'rechtgläubigen' Partisanen dadurch Mut eingeflößt wird? Lidice hätte die SS ja sowieso plattgemacht, aus reiner Mordlust, denn denken konnten die Faschisten ja noch nie - da hätten sie eben einen anderen hanebüchenen Vorwand gefunden...

Genau diese Art von Haltung ist es, die mich auch an dem 'gerechtesten' politischen Mord zweifeln lässt...

() qilin
sittingbull
sittingbull
Mitglied

Re: Tyrannenmord
geschrieben von sittingbull
als Antwort auf qilin vom 21.07.2013, 12:25:01
Genau diese Art von Haltung ist es, die mich auch an dem 'gerechtesten' politischen Mord zweifeln lässt...


ich denke , du wählst bewusst den juristischen begriff "mord" , der initial einen "niederen beweggrund" vorraussetzt ... um letztendlich schuldfragen zu relativieren .

da du dich einer eigenpositionierung versperrt hast , gehe ich nach wie vor davon aus , dass
du ein zumindest rechtspopulistisches anliegen verfolgst .

deine einlassungen zielen , wenn auch geschickt verpackt , objektiv in diese richtung .

sitting bull
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Tyrannenmord
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf sittingbull vom 21.07.2013, 13:06:28
Lieber Häuptling ...ich denke nicht, dass qilin dem Rechtspopulismus nahe steht. Das hat er in einer Vielzahl von Beiträgen bewiesen. Dus solltest aber auch verstehen, dass er sich zum Thema Attentate einfach nicht festlegen will - gib doch einfach Ruhe und lasses Sonntag sein.

:)

Anzeige

sittingbull
sittingbull
Mitglied

Re: Tyrannenmord
geschrieben von sittingbull
als Antwort auf dutchweepee vom 21.07.2013, 13:49:42
gib doch einfach Ruhe und lasses Sonntag sein.
geschrieben von dutch


ok dutch ... für heute .

sitting bull
qilin
qilin
Mitglied

Re: Tyrannenmord
geschrieben von qilin
als Antwort auf sittingbull vom 21.07.2013, 13:06:28
Die Tötung eines Menschen mit Vorbedacht und Planung, ohne formalrechtliche Handhabe, ist IMHO Mord - gleichgültig ob das Opfer Nazi, Kommunist, Christ, Muslim, Atheist, schwarz, weiß oder grün/lila gestreift ist. Ob der aus 'höheren' oder 'niederen' Beweggründen stattfindet, kann die Frage nach persönlicher Schuld vermutlich relativieren - darum geht’s aber hier nicht. Ob Du darin jetzt 'objektiv' ein 'rechtspopulistisches Anliegen' siehst, ist mir ziemlich Powidl, und wenn Du meinst, deshalb nicht mehr argumentieren zu brauchen - so what... http://www.my-smileys.de/smileys3/dontknow.gif[/img]
Worum's mir ging war eben [i]nicht
die Frage nach Schuld und Moral, sondern nach der tatsächlich nachweisbaren Wirkung solcher Handlungen in der Geschichte.

() qilin
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Tyrannenmord
geschrieben von carlos1
als Antwort auf dutchweepee vom 21.07.2013, 10:51:56
" ....den König haben selbst die damals todgewohnten Franzosen erst nach einem ordentlichen Prozess geköpft." dutch


Kein ordentlicher Prozess gegen den Bürger Capet. Es war Krieg (seit 1792). Prozess u. Hinrichtung erfolgten im Januar 1793

Der König und seine Familie hatten sich auf die Flucht begeben zu den Feinden der Revolution am Rhein. Es gab belastende Dokumente, die belegten, dass der König konspiriert hatte. Sein Schicksal war besiegelt.

Der Krieg radikalisierte die Revolution.

Nach der ersten Verfassung von 1791 war der König Verfassungsorgan. Durch sein Verhalten (flucht, Verrat) wurde eine neue Verfassung erforderlich.

Wieso waren die Franzosen damals todgeweiht?

Anzeige

carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Tyrannenmord
geschrieben von carlos1
als Antwort auf myrja vom 20.07.2013, 19:11:59
"So wird Staufenberg eben überbetont unter dem Motto: "Schaut her, wie wir gegen Hitler gekämpft haben", dabei hatten die Putschisten keinesfalls das Ziel, am System selbst etwas zu ändern oder den Krieg zu beenden. Man wollte nur Ruhe im Westen, um weiter Richtung Ural marschieren zu können." dutch


Stauffenberg und der militärische Widerstand wurden noch nie überbetont, vielmehr wird ihre Tat in der Öffentlichkeit wenig gewürdigt, nicht verstanden und lange Jahre nach dem Krieg gar nicht wahrgenommen. Erst in den 60ern kam es durch das Buch von Eberhard Zeller zu einer intensiveren Beschäftigung mit dem Widerstand.

Einige Fakten:
Der Krieg im Westen war im Juli endgültig verloren. Der Durchbruch der Alliierten in der Normandie durch die deutsche Front konnte binnen Tagen und Stunden erfolgen. Im August war es dann soweit: Im Kessel von Falaise wurden die deutschen Streitkräfte in der Normandie aufgerieben. Zwischen den Alliierten und der Reichsgrenze standen nun keine nennenswerten Reserven mehr. Der Weg an den Rhein und nach Berlin stand offen. Die Alliierten nutzten die Gunst des Augenblicks nicht. Im Osten war der Feldzug genau so verloren.

Dort erfolgte nach dem 6. Juni (Landung der Alliierten) die Vernichtung des Mittelabschnitts der Ostfront. Auf breiter Linie schob die Rote Armee die Front nach Westen bis an die Weichsel vor. Eine schlimmere Niederlage als Stalingrad.
"Ruhe im Westen, um weiter Richtung Ural marschieren zu können", wie hier jemand schreibt ist Unsinn. Ich habe keine seriöse Quelle gelesen, die diese Aussage stützt. Hier reißen Ignoranten ihre große Klappe auf und haben keine Ahnung von geschichtlichen Ereignissen und Zusammenhängen.

Eine Unterscheidung von guten und bösen oder weniger werten Widerständlern ist nur noch peinlich. Wer gestorben ist im Kampf gegen Hitler, verdient Achtung ungeachtet seiner Herkunft und Denkweise. Die Offiziere um Harro Schulze-Boysen gehören dazu. Sie bildeten die im Reichsluftfahrtministerium eine Widerstandsgruppe (Rote Kapelle) und lieferten Planungen an die Moskauer Zentrale und gingen dafür 1943 in den Tod. Mildred Harnack gehörte dazu und viele andere.

Erfolgreich Widerstand und ein Attentat auf die den Diktator konnte nur leisten, wer in der Diktatur eine Funktion ausübte, Zugang zu Waffen, hatte, über die militärische und politische Entwicklung genauestens Bescheid wusste und überhaupt eine Chance hatte ins Führerhauptquartier zu gelangen. Das war unter den Verschwörern allein Stauffenberg möglich als Stellvertretender Chef des Ersatzheeres unter Gen.ob. Fromm. Er war dort mit der Neuaufstellung, Organisation und Bewaffnung neuer Einheiten beauftragt. Stauffenberg war Invalide. Auf einem Auge blind, an der rechten Hand hatte er nur zwei Finger, der andere Arm fehlte (Schwere Verwundung in Tunesien).

Stauff.berg kannte die Notstandsplanung für den Fall innerer Unruhen (Walküre) und hatte Zugang zu ihnen. Konnte sie auslösen.

Die Planung der Verschwörer ging dahin den Befehlskopf bei einem ausgelösten inneren Notstand (Tod des Führers durch Attentat, SS plant Machtübernahme) für einen Umsturz zu usurpieren und die nationalsozialistische Machtelite festzunehmen.

Ein gelungenes Attenat war Voraussetzung für das Gelingen des Staatsstreichs, weil der Soldateneid unmittelbar jeden Soldaten an die Person des Führers band. Ein absolutes Novum in der modernen Geschichte. Die Soldaten der Bundeswehr dienen der Bundesrepublik Detuschland. In der DDR wohl dem sozialistischen Vaterland, keinesfalls aber einer Person. Das "System" von dem hier einige reden, gründete sich auf die Person Hitlers. Eine Weltanschauung wirkte als Drapierung. Wie es R. Hess einmal auf dem Parteitag in Nürnberg ausdrückte: Vor uns marschiert Hitler, in uns ist Hitler, hinter uns kommt Hitler (sinngemäß zitiert). In Hitler verkörperte sich der Staat dnd der Volkswille. Keinesfalls wollten die Verschwörer dieses "System" weiterführen.

Es hat eine Vielzahl von Attentatsversuchen gegeben, u. a. eine Bombe in Flugzeug Hitlers im März 1943, als Hitler von einem Besuch in Winniza (Ukraine) zurückflog. Ein weiterer Versuch scheiterte bei einer Waffenausstellung im Zeughaus in Berlin, wo ein Pistolenattentat durch einen Offizier vorgesehen war. Der Diktator verließ aber die Ausstellung wegen Unwohlsein ein wenig früher. Elsers genialer Plan und sein akribisches Tüfteln wurde nicht belohnt. Der Diktator verließ den Bürgerbräukeller einige Minuten vor der Explosion der Bombe im November 1938. Viel Unheil wäre der Welt und uns allen erspart worden, wäre dieser Plan gelungen.

Die deutschen Verluste an Menschen seit dem 20. Juli 1944 waren ebenso hoch wie die Verluste im Krieg von 1939 bis 20. Juli 1944. Städte wie Dresden, Würzburg, Pforzheim waren noch nicht bombardiert etc.

Etwa 6000 Menschen aus dem Umkreis der Verschwörung wurden verhaftet und zum Tod verurteilt. Maßgebende Verschwörer wurden in Plötzensee an Drahtschlingen aufgehängt, der Todeskampf für Hitler gefilmt.

Wer sich aus Kenntnis der Untaten des Regimes und des Diktators zum Tyrannenmord entschließt, handelt m. E. richtig und ethisch unanfechtbar. Die Tötung eines Gewaltherrschers, um Mio von Menschenleben zu retten ist Pflicht, zumal es keine andere Abhilfe gab (worauf das Grundgesetz im § über das Widerstandsrecht verweist). Es gibt übrigens in der europ. Tradition des Staatsrechts die Theorie der Monarchomachen (Monarchiebekämpfer), die eine gewaltsame Beseitigung durch Tötung des Tyrannen begründet oder fordert.

Monarchomachen: s. Link

http://zwergenblick.wordpress.com/2010/02/06/monarchomachen/
silhouette
silhouette
Mitglied

Re: Tyrannenmord
geschrieben von silhouette
als Antwort auf carlos1 vom 22.07.2013, 22:03:41


Stauffenberg und der militärische Widerstand wurden noch nie überbetont, vielmehr wird ihre Tat in der Öffentlichkeit wenig gewürdigt, nicht verstanden und lange Jahre nach dem Krieg gar nicht wahrgenommen.
............
Im Osten war der Feldzug genau so verloren.

"Ruhe im Westen, um weiter Richtung Ural marschieren zu können", wie hier jemand schreibt ist Unsinn. Ich habe keine seriöse Quelle gelesen, die diese Aussage stützt. Hier reißen Ignoranten ihre große Klappe auf und haben keine Ahnung von geschichtlichen Ereignissen und Zusammenhängen.
.............................

Eine Unterscheidung von guten und bösen oder weniger werten Widerständlern ist nur noch peinlich. Wer gestorben ist im Kampf gegen Hitler, verdient Achtung ungeachtet seiner Herkunft und Denkweise. Die Offiziere um Harro Schulze-Boysen gehören dazu. Sie bildeten die im Reichsluftfahrtministerium eine Widerstandsgruppe (Rote Kapelle) und lieferten Planungen an die Moskauer Zentrale und gingen dafür 1943 in den Tod. Mildred Harnack gehörte dazu und viele andere.
................

Erfolgreich Widerstand und ein Attentat auf die den Diktator konnte nur leisten, wer in der Diktatur eine Funktion ausübte, Zugang zu Waffen, hatte, über die militärische und politische Entwicklung genauestens Bescheid wusste und überhaupt eine Chance hatte ins Führerhauptquartier zu gelangen.
......................

Ein gelungenes Attenat war Voraussetzung für das Gelingen des Staatsstreichs, weil der Soldateneid unmittelbar jeden Soldaten an die Person des Führers band. Ein absolutes Novum in der modernen Geschichte. Die Soldaten der Bundeswehr dienen der Bundesrepublik Detuschland. In der DDR wohl dem sozialistischen Vaterland, keinesfalls aber einer Person. Das "System" von dem hier einige reden, gründete sich auf die Person Hitlers.

/


Danke, Carlos, für diese Klarstellung! Ob es diejenigen, die es angeht, auch vollständig lesen???

Eigenes Erleben: vor ca. 3 Wochen war ich u.a. in der "Wolfsschanze" (viele große, überwucherte Betontrümmer). Es hat mich sehr beeindruckt und positiv berührt, wie Polen diese und andere Etappen der deutsch-polnischen Geschichte dieser Region darstellen. Hart und aufrichtig in den Fakten (auch und besonders gegenüber der Roten Armee und ihrer Greueltaten dort), mit großer Achtung für die geschichtliche Leistung der Deutschen die etlichen Jahrhunderte davor, aber auch mit der festen Überzeugung, dass eine erneute Änderung der Gebietsverteilung nur durch einen erneuten Krieg möglich wäre, worin ich ihnen voll zustimme. Mit anderen Worten: sie sind an einer "Normalisierung" und Vertiefung der Beziehungen nach dem Vorbild der deutsch-französischen Freundschaft sehr interessiert.
clara
clara
Mitglied

Re: Tyrannenmord
geschrieben von clara
als Antwort auf carlos1 vom 22.07.2013, 22:03:41


Stauffenberg und der militärische Widerstand wurden noch nie überbetont, vielmehr wird ihre Tat in der Öffentlichkeit wenig gewürdigt, nicht verstanden und lange Jahre nach dem Krieg gar nicht wahrgenommen. Erst in den 60ern kam es durch das Buch von Eberhard Zeller zu einer intensiveren Beschäftigung mit dem Widerstand.


Carlos, nicht nur Stauffenberg und sein Verschwörerkreis wurden lange missachtet, sondern überhaupt die ganze Nazigeschichte lange "nicht bewältigt". So erfuhr der Durchschnittsbürger auch lange nichts über den Attentatsversuch des Einzeltäters Georg Elser, obwohl dieses Attentat schon sehr früh stattfand und vielleicht wesentlich wirksamer hätte sein können, als das von Stauffenberg. Aber wenn ich mich nicht täusche, wurde dann ab den 60er nur des gescheiterten Attentats von Stauffenberg gedacht. Durch einen sehr guten Film über Elser erfuhr dieser eine späte Würdigung.

Du erinnerst Dich sicher an die Diskussion vor 2 Jahren, die sich aus dem Thema "Adel und Bürgertum" hin zu einer über Stauffenberg entwickelte, in deren Verlauf auch verschiedene konträre Sichtweisen auftauchten. Ab S. 3 etwa, auch hier wieder passend:

http://community.seniorentreff.de/forum/board/Adel-und-Buergertum;tpc33,317330,3#__

Clara
qilin
qilin
Mitglied

Offtopic
geschrieben von qilin
als Antwort auf silhouette vom 22.07.2013, 22:33:16
Es hat mich sehr beeindruckt und positiv berührt, wie Polen diese und andere Etappen der deutsch-polnischen Geschichte dieser Region darstellen. Hart und aufrichtig in den Fakten (auch und besonders gegenüber der Roten Armee und ihrer Greueltaten dort), mit großer Achtung für die geschichtliche Leistung der Deutschen die etlichen Jahrhunderte davor, aber auch mit der festen Überzeugung, dass eine erneute Änderung der Gebietsverteilung nur durch einen erneuten Krieg möglich wäre, worin ich ihnen voll zustimme. Mit anderen Worten: sie sind an einer "Normalisierung" und Vertiefung der Beziehungen nach dem Vorbild der deutsch-französischen Freundschaft sehr interessiert.

Das dürfte aber nicht immer so sein, besonders in der breiten Bevölkerung - mir ist da die Erzählung einer Freundin in Erinnerung, die hervorragend polnisch spricht und in Polen meist für eine Inländerin gehalten wird. Sie war auf einer Urlaubsreise in einem Lokal wo Deutsche und Polen verkehrten, und unterhielt sich mit einer deutschen Gruppe. Später kam sie mit einigen Polen ins Gespräch - und wurde prompt gefragt, wieso sie sich denn überhaupt mit 'deutschen Schweinen' unterhalte - auch das kommt vor...

() qilin

Anzeige