Religionen-Weltanschauungen Pro Ethik gewinnt in Berlin

Medea
Medea
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Re: Pro Ethik gewinnt in Berlin
geschrieben von Medea
als Antwort auf ehemaligesMitglied451 vom 27.05.2009, 18:21:38
Eine "evangelische Hölle" gibt es bei den
Protestanten nicht, auch kein Fegefeuer als
Vorstufe dorthin... gg
Da hast du aber Glück gehabt.

M.

Allerdings kann man/frau sich schon auf Erden,
eine Hölle bereiten - soll gar nicht mal so selten sein.


carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Pro Ethik gewinnt in Berlin
geschrieben von carlos1
als Antwort auf ehemaligesMitglied451 vom 27.05.2009, 18:21:38
"Ich erinneren mich noch an Religionsunterricht, wo Glaubensfragen als "Tatsachen" abgefragt wurden." donaldd

Ich erinnere mich an kein Abfragen. Nie wurde eine Klassenarbeit geschrieben. Es war von allen Fächern der interessanteste Unterricht. In den letzten Klassen erfuhr ich viel über Philosophie: Nietzsche, Hegel, Fichte, Karl Marx, Freudu u.a. wurden behandelt. Karl Marx wurde einmal von mir in einem Deutsch-Aufsatz zitiert. Der Deutschlehrer war verblüfft. In Geschichte, das er auch unterrichtete (er endete vor dem 1. Weltkrieg), war davon nie die Rede gewesen. Der Römerbrief und die Stellung des Apostel Paulus zur Obrigkeit, die Rolle des Paulus im christlichen Denken überhaupt, ist mir noch gut in Erinnerung. Den besten Geschichtsunterricht erhielt ich in Religion. Textkritik, die Entstehung der Bibel aus verschiedenen Texten, die Funde auf Sinai wurden schon in der 8. Klasse behandelt. Kein Muff, viel Rationalität. In der Mittelstufe haten wir einen dynamischen Pfarrer. Der kam, setzte sich ans Pult und entwickelte ein Lehrgespräch. Die Klasse war beteiligt. Alle.

Das Beste an der ganzen Penne war der Religionsunterricht. Die Pfarerr hatten auch mehr an Allgemeinbildung drauf als der Rest. Ich denke da an den idiotischen Mathematkunterricht. Erst später im Zusammenhang mit der Philosophie wurde mir bewusst, dass Mathematik mit Denken zusammehängt und nicht nur mit Rechnen und Wiederkäuen von Formeln.

Schade, wenn das heute anders sein sollte.
c.
Karl
Karl
Administrator

Re: Pro Ethik gewinnt in Berlin
geschrieben von Karl
als Antwort auf carlos1 vom 27.05.2009, 20:05:23
Guten Morgen Carlos,


hier in Kyoto ist es gerade 5 Uhr morgens und ich lese Deinen Beitrag mit Interesse. Ich kann Deine persönlich-subjektive Erfahrung sehr gut nachvollziehen. Diese Erfahrungen sind lehrerabhängig und ich selbst hatte ebenso - zumindest in der Oberstufe des Gymnasiums - einen sehr intelligenten und aufgeschlossenen Religionslehrer, mit dem wir über Gott und die Welt diskutieren durften. Es gab keine Tabus und er animierte mich, eine Jahresarbeit über die Menschwerdung zu schreiben. Als diese Jahresarbeit doch eher biologisch-naturwissenschaftlich ausfiel, anstatt religiös, obwohl ich Rahner und Teilhard de Chardin verarbeitet hatte, war es auch gut und er konnte sich damit abfinden. Würde ich gefragt, wer meine besten Lehrer gewesen seien, ich würde diesen Religionslehrer fast im gleichen Atemzug wie meinen Biologielehrer nennen, bei allen anderen Lehrern hätte ich Probleme mich an die positiven Aspekte zu erinnern.

Was ich damit sagen will: Die Qualität eines Unterrichts ist immer vom Lehrer und weniger vom Lehrplan bestimmt. Ob ein Lehrer nun Religion oder Ethik unterrichtet, wird nicht entscheidend sein, sondern seine intellektuelle Redlichkeit, sein Engagement für das bessere Argument, seine Bildung und sein Wissen und vor allem sein didaktisches Gespür und die Liebe zu seinem Beruf.
--
karl

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adam
adam
Mitglied

Re: Pro Ethik gewinnt in Berlin
geschrieben von adam
als Antwort auf Karl vom 27.05.2009, 22:16:09
Das war keine Unterrichtung sondern ein (bei mir leider erfolgloser*)Versuch einer religionsbekehrenden Indoktrination. Zum Glück gabs nur ein "teilgenommen".

donaldd

Das Beste an der ganzen Penne war der Religionsunterricht. Die Pfarerr hatten auch mehr an Allgemeinbildung drauf als der Rest.................................................

Schade, wenn das heute anders sein sollte.
c.

Die Qualität eines Unterrichts ist immer vom Lehrer und weniger vom Lehrplan bestimmt. Ob ein Lehrer nun Religion oder Ethik unterrichtet, wird nicht entscheidend sein, sondern seine intellektuelle Redlichkeit, sein Engagement für das bessere Argument, seine Bildung und sein Wissen und vor allem sein didaktisches Gespür und die Liebe zu seinem Beruf.
--
karl
geschrieben von donaldd, carlos1 u. karl


Da sich niemand mehr zum Thema äußert, kann ich ja auch ein wenig aus der Schule plaudern.

Als ich als evangelischer Knirps Mitte der 50er eingeschult wurde, geschah dies in die Volksschule einer erzkatholischen, bayrischen Kleinstadt. Stand Religionsunterricht auf dem Stundenplan, wurden wir vier evangelischen Hanseln wie Aussätzige hinaus auf den Schulhof geschickt. Die vier Jahre in der Volksschule kam ich also nicht in den Genuß von Religionsunterricht. Das anfängliche Gefühl des "Andersseins" verflog schnell und als Kind hat man, bei Gott, in einer Freistunde besseres zu tun als tiefschürfend über das Warum zu philosophieren.

Besserung versprach der Religionsunterricht im Gymnasium und ich war wirklich neugierig darauf, was so alles in vier Volksschuljahren an mir vorübergegangen war. Aber schnell erfuhr ich, daß es wohl ein Kelch gewesen sein mußte, denn schon in der ersten Relistunde schmiß mich der unterrichtende Pfarrer wegen einer flapsigen Bemerkung ("Im Zweifelsfall war es eben der Liebe Gott!") aus der Klasse. Und dem nicht genug, er wiederholte dies auch die folgenden Stunden. Er kam in die Klasse, schmiß mich raus und begann dann den Unterricht. Das war der Beginn meiner Karriere als Renegat.
Nach drei Wochen merkte ich, daß ich nicht wieder in die Klasse geholt wurde und weil es mir nicht ratsam erschien, die ganze Stunde auf dem Gang aufzufallen, ging ich in die der Schule gegenüber liegende Bäckerei. Dort segnete ich in Gedanken den Bienenstich und fraß mich träumend durch einen Scheiterhaufen aus süßen Stückchen.
Nach einem halben Jahr süßen Bienenstichs und anderer leckerer Sachen, machte mir der Pfarrer das Angebot wieder am Unterricht teilzunehmen, allerdings müßte ich den verpaßten Stoff in nachmittäglichen Stunden bei ihm nachholen. Irgendjemand hatte ihm wohl gesagt, daß er nicht einfach einen Schüler aus dem Unterricht verbannen konnte. Ich bat um Bedenkzeit und in meiner Verzweiflung über den drohenden Verlust einer süßen Freistunde, vertraute ich mich meinem Vater an. Merke: Damals standen die Eltern noch grundsätzlich hinter dem Lehrer, wenn der Sproß ihrer Lenden eines Vergehens gegen die Schuldisziplin angeklagt war.
Zu meiner Überraschung blieb mein Vater ganz ruhig, ja er lächelte! Heute weiß ich, daß ihn seine Erfahrungen mit dem Pfarrer in der Nazizeit und seine Erlebnisse als Jugendlicher im Krieg, nicht geradewegs in die Arme der Kirche getrieben hatten. Er versah mich mit einem Schreiben, in dem er dem Pfarrer mitteilte, daß er als Vater bestimme, ob sein Sohn am Religionsunterricht teilnimmt oder nicht und er sich dazu entschlossen hätte, daß sein Sohn an solch unsäglichem Unterricht nicht mehr teilnehmen werde. Daß ich den Brief gerne überbrachte und mich mit einem zackigem Lebewohl vor der ganzen Klasse aus dem Religionsunterricht, hin zu meinem geliebten Bienenstich, verabschiedete, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen Ein gleicher Brief ging mit der Post an das Rektorat meiner Schule.
Wenige Tage später erschien der besagte Pfarrer wütend bei mir zu Hause, um meinen Vater in`s Gebet zu nehmen. Er stand schneller wieder vor dem Haus als er "Amen" sagen konnte.
Soll ich noch vom Konfirmandenunterricht erzählen, der darin bestand, daß der Pfarrer seinen Zöglingen mit dem Geigenbogen auf die Köpfe schlug? Es tat höllisch weh und bewog mich dazu, meine Sachen zu packen und zu gehen, allerdings unter dem Hinweis, der Herr Pfarrer möge doch bitte bei meinem Vater Rücksprache nehmen). Ich wurde ohne Kopfschmerzen, allerdings auch ohne Überzeugung für die Kirche konfirmiert. Als ich Anfang Zwanzig war, schnappte ich mir die Bibel meiner Oma (Stuttgarter Ausgabe 1907), las sie fasziniert zweimal und trat aus der Kirche aus.

Religionsunterricht: Nein! Weder christlicher, noch islamischer, buddhistischer, hinduistischer oder welcher auch immer.
Ethikuntericht: Ja! Möglichst von einem pädagogisch, psychologisch und philosophisch geschulten Renegaten.

Möge jeder nach seiner Fasson selig werden, ich werde ihm nicht dreinreden. Das gleiche Recht verlange ich auch für mich und für irgendwelche religiösen Institutionen bin ich für alle Zeiten verloren.

--

adam
cecile
cecile
Mitglied

Re: Pro Ethik gewinnt in Berlin
geschrieben von cecile
als Antwort auf adam vom 29.05.2009, 11:14:44
[
Religionsunterricht: Nein! Weder christlicher, noch islamischer, buddhistischer, hinduistischer oder welcher auch immer.
Ethikuntericht: Ja! Möglichst von einem pädagogisch, psychologisch und philosophisch geschulten Renegaten.

Möge jeder nach seiner Fasson selig werden, ich werde ihm nicht dreinreden. Das gleiche Recht verlange ich auch für mich und für irgendwelche religiösen Institutionen bin ich für alle Zeiten verloren.

--

adam
geschrieben von adam



Sehr gut, Adam!
Ich unterschreibe deine Schlußsätze mit beiden Händen.

Und von meiner Zeit als freigeistiger Fremdkörper in einer von Ordensschwestern geführten Schule (um entsprechenden Fragen zuvorzukommen: es gab keine andere Möglichkeit!) mag ich, auch nach so vielen Jahren, immer noch nicht sprechen


Gruß
--
cecile
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Pro Ethik gewinnt in Berlin
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf adam vom 29.05.2009, 11:14:44
@adam

Wie soll ich es formulieren - ich nähere mich dem Thema von der anderen Seite. Ich wurde auf der EOS (Gymnasium) aus dem Staatsbürgerkunde-Unterricht rausgeworfen, weil ich unbequeme Antworten gab. Ich hab meine Flasche Milch aus dem Kasten im Flur genommen und bin nach Hause gegangen.

Von da an wurde registriert, wie oft ich auf dem Schulhof geraucht habe (Ich war 18, aber es war uns trotzdem verboten). Es gab eine Elternversammlung und mein Stabü-Lehrer erklärte den versammelten Eltern, daß diese vermeiden sollten, daß wir Schüler das Westfernsehen anschauen.

Mein Vater stand auf und erklärte, daß er seit 1949 in der SED Mitglied sei und jeden Sender ansieht, den er will und seinen Sohn keinesfalls dabei raus schickt. Der Lehrer ist fast umgefallen und die anderen Eltern haben Beifall geklatscht. Am nächsten Tag kam der blöde Stabü-Lehrer zu uns nach Hause, um meinen Vater zu erklären, daß ich verbotener Weise auf dem Schulhof rauche.

Mein Vater hat selbst lange Jahre geraucht und große Schwierigkeiten gehabt, damit aufzuhören. Deshalb hat er es mir immer veboten. An diesem Tag kam ich vom Volleyballtraining zurück und auf dem Tisch in meinem Zimmer stand ein Aschenbecher. Den hatte mein Vater hingestellt, demonstrativ vor den Augen meines Stabü-Lehrers, weil der mich wegen der Qualmerei angeschwärzt hatte.

Von da an durfte ich zu Hause rauchen - mein Vater hat immer ein wenig gelächelt, weil er wusste, daß es meinen Stabü-Lehrer ankotzt.

p.s.: stabü = staatsbürgerkunde

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