Traum und Wahrheit


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Ein neuer Morgen begann. Helga wachte schweißgebadet auf, ständig bedrängte sie dieser merkwürdige Traum. Zuerst waberte ein gleißendes Licht und kurz danach tauchte aus dem Schein heraus eine Gestalt auf, welche nicht genau zu erkennen war. Fünf Monate ging das schon so, fast jede Nacht, immer der gleiche Hergang und allzeit wurde Helga durch eine Geste zum Näherkommen aufgefordert.
Licht und schemenhafte Konturen, anfangs war Helga nicht bewußt gewesen, dass eine Verknüpfung zwischen jeglichen Traumsequenzen bestehen könnte, erst im Nachhinein erkannte sie, es gehörte alles irgendwie zusammen. Seit ein paar Tagen nämlich, waren die Schemen konkreter geworden. Die Umrisse einer Frau zeichneten sich jetzt deutlich ab, ganz in Weiß war sie gekleidet und um ihren Kopf wallte langes Haar. Das Gesicht der Frau, welches sich allmählich immer klarer zu erkennen gab, konnte sie jedoch nicht zuordnen, die Person war ihr völlig unbekannt.
Heute nun, nach all der vergangenen Zeit, fragte Helga sich, was dieser Traum ihr sagen wollte, welche Bedeutung er haben könnte, aber ihr fiel keine passende Erklärung ein. Traumdeutung, zu diesem Thema mußte in einem ihrer Bücherregale eine Lektüre schlummern, sie wußte genau, dass sie solch einen Unterhaltungsstoff vor langer Zeit erstanden hatte. Ihr suchender Blick fand, zwischen einem Schriftgut mit Redensarten und einem über Sternzeichen, das gewünschte Buch, sofort blätterte sie zum Inhaltsverzeichnis. Es gab aber kein passendes Stichwort, diese Lektüre brachte sie auch nicht weiter.
Als Helga das Buch zurück an seinen Platz stellte, kräuselte sich ihre Stirn und sie knabberte an ihrer Unterlippe. Es konnte doch nicht sein, dass man ohne Grund immer das Gleiche träumte, irgendetwas steckte doch bestimmt dahinter. Nur, was konnte das sein?

Helga mußte zur Arbeit und verließ ihre Wohnung, aber das Grübeln blieb.
An der Straße, die zu dem Bürogebäude führte, in welchem sie beschäftigt war, wurde mit schwerem Gerät, einem großen Bagger, im Erdreich gegraben. Schon fast vierzehn Tage dauerten diese Bauarbeiten und Helga war genervt, denn durch diese Behinderung kam sie nur durch einen Umweg zu ihrem Parkplatz.
„Mann, werden die denn nie fertig, langsam könnten die ja mal zu einem Ende kommen“, sprach sie zu sich selbst.

Im Büroraum angekommen, bereitete Helga sich erst einmal einen Kaffee zu. Um richtig wach zu werden, war der für sie jetzt bitter nötig und trotzdem, selbst nach dem köstlichen Gebräu ging ihr die Arbeit schwer von der Hand. Sie war ziemlich unkonzentriert und das bemerkte auch Sandra, ihre Kollegin.
„Was ist denn nur los mit dir?“
„Ach, du weißt doch, dieser Traum, von dem ich dir schon öfters erzählt habe, der läßt mich einfach nicht in Ruhe.“
„Das wird ja langsam unheimlich“, meinte Sandra. „Vielleicht solltest du mal zu einer Traumdeuterin gehen.“
„Ach, die kann mir doch auch nicht helfen. Bevor ich da mein Geld verschleudere, ertrage ich lieber diesen Traum.“

Zum Feierabend hin bekam Helga andere Sorgen, denn ihr Chef wollte mal wieder, dass sie länger bleiben sollte.
Sie sprach es nicht aus, aber sie dachte:
„Verdammt, ständig haut der mich an, die anderen können doch auch mal Überstunden machen. Schließlich sind wir zu sechst in diesem Büro, doch immer fragt er mich.
Ja, ja, wenn man so etwas erst einmal anfängt, dann meinen die Chefs, dass man kein Privatleben besitzt und man sich höchstwahrscheinlich in seiner Freizeit langweilt.“

Helga gab ihr Einverständnis, aber beim nächsten Mal wollte sie ablehnen, das nahm sie sich fest vor.
Die Kollegen gingen heimwärts und sie blieb, um die „paar“ Rechnungen abzuarbeiten. Laut ihrem Chef wären nur wenige wichtige Forderungen zu erledigen, aber einen ganzen Stapel hatte er vor ihr aufgebaut. Sie fühlte sich ausgebeutet, fügte sich aber diesem Arbeitspensum, schließlich blieb ihr, nach ihrer Einwilligung, auch nichts anderes übrig.

Still war es im Büro. Helga, völlig in den Rechnungen vertieft, bemerkte urplötzlich einen kalten Luftzug in ihrem Nacken, sie fröstelte. Aus dem linken Augenwinkel heraus meinte sie eine Gestalt im Türrahmen zu erblicken und nachdem sie den Kopf in diese Richtung drehte, erschauerte sie. In einem weißen Dunstgebilde erkannte sie die Frau aus ihrem Traum, diese winkte ihr auffordernd zu. Vor Schreck erstarrt, war Helga nicht mehr in der Lage sich zu bewegen. Das konnte doch alles nicht wahr sein, was ging denn hier vor? Sie war hellwach und nicht am Schlafen, aber der Traum schien real zu werden.
Plötzlich kam wieder Leben in Helga, sie sprang von ihrem Stuhl auf, so dass dieser nach hinten überschlug und auf die Erde polterte.
„Die schnappe ich mir", dachte sie.
Aber so leicht war das nicht, denn im selben Moment, als sie zur Tür lief, entfernte sich die schemenhafte Gestalt in Richtung Ausgang. Helga rannte mutig hinter ihr her, konnte sie aber nicht erreichen.
Als sie draußen vor dem Gebäude ankam und in cirka fünf Meter Entfernung von der Eingangstür nach der Frau Ausschau hielt, gab es eine wahnsinnig laute Detonation. Helga reagierte sofort und hechtete in die Blumenrabatten, die sich vor dem Haus befanden.
Wie in Zeitlupe, so kam es ihr jedenfalls vor, sackte der ganze Gebäudekomplex in sich zusammen.
Helga drückte sich in die Blüten und legte schützend ihre Hände über den Kopf. Staub und Asche regneten auf sie hernieder, aber sie blieb wie durch ein Wunder unverletzt. Als nichts mehr auf sie hinabstürzte und sie ihren Kopf anhob, sah sie in einiger Entfernung die weiße Gestalt, diese lächelte sie an, winkte ihr noch einmal zu und entschwand.
Jetzt wußte Helga, dass all ihre Träume einer Vorsehung gleichkamen. Diese Frau war wahrscheinlich nur wegen dieser Gefahr in ihr Leben getreten und hatte sie nun gerettet. Aber, wie konnte sie wissen, dass so etwas passieren würde?

Nach Auskunft der Polizei wurde, durch die Bauarbeiten im Erdreich, eine Gasleitung beschädigt. Unbemerkt ausströmendes Gas, welches sich im Keller des Bürogebäudes gesammelt hatte, war durch einen Funken explodiert.

Helgas Traum, der mit der weißen Frau, er kam nie wieder.

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Urheberrecht Uschi Pohl

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Kommentare (8)

uschipohl meine Mutter träumte früher immer von Wasser, welches aus der Wand kam, vielleicht lag das an einer Wasserader im Erdreich, aber sie wohnte im zweiten Stock . Das mußte dann wohl etwas mit der Prinzessin auf der Erbse zu tun haben.

In einer anderen Zeit war ich noch nie, aber mir sind schon Menschen begegnet, die ich gar nicht kenne, vielleicht lerne ich die ja dann im nächsten Leben kennen

hab Dank für dein Verweilen
herzliche Grüße
uschi
werderanerin können schön sein aber auch belasten, wenn sie sich in Albträume verwandeln.
Sicher hat jeder schon mal solche Art von Träumen gehabt...man erwacht schweißgebadet und versucht ihn schnellstens abzuschütteln, doch oft gelingt es nicht.

Was wollen uns Träume damit sagen..., stellt man sich oft die Frage und kann doch keine Antwort finden.

Bemerkenswert finde ich immer solche Träume, wo Personen & Zeiten regelrecht durcheinander geschmissen werden, passen sie im "wahren Leben" so garnicht zusammen...Alles manchmal ominös.
uschipohl belächelt soll es natürlich heißen, kann mal einer das "ich" da dran streichen

muß wohl an der Hitze liegen
uschipohl du sagst es, oftmals wird man, wenn man solche Träume erzählt, schief angschaut und belächeltich, aber ich sage immer, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die lassen sich mit dem gesunden Menschenverstand nicht erklären. Wer weiß schon so genau, wer unsere Strippen in der Hand hält...

bedanke mich
herzliche Sonnengrüße
bei uns scheint sie, ist mir aber echt schon zu warm
uschi
uschipohl diese Geschichte ist eine reine Erfindung, aber es gab und gibt immer mal wieder Träume, wo ich dann im Nachhinein sage, langsam werde ich mir selbst unheimlich.
Es ist sogar schon einmal passiert, dass ich eine Situation, welche später eintraf, vorher haargenau geträumt hatte. Wie zum Beispiel die Ankündigung meines Bruders, dass er Vater würde, die stimmte exakt so, wie ich sie einst träumte oder der Traum, in dem ich einige meiner Familienmitglieder in Schwarz gekleidet sah und ein paar Tage später starb mein Schwiegervater... .
Da kann einem schon mal die Gänsehaut erreichen, ihr sagt es.
Und dann war da noch das traurige Gedicht, welches nicht so recht fertig werden wollte und das war ganz gut so, denn wenn es vorher, vor dem Herzinfarkt meine Mannes, zum Ende gekommen wäre, wer weiß, ob er diesen dann überlebt hätte. Er hat ihn Gott sei Dank überlebt! Aber, das sind dann so Sachen, wo der Mensch, wie ihr es ja auch hier benannt habt, ins Grübeln gerät

herzliche Dankesgrüße
uschi
christl1953 Ich selbst bin zwar nicht so gläubig in so etwas aber
mir passierte es schon oft,dass sich irgendwelche Situationen ereignen die ich lange vorher genauso im Traum gesehen und erlebt habe. Nur man geraut sich nicht darüber zu reden,weil man Angst hat als bescheuert zu gelten.
Auch ich wünsche einen schönen Restsonntag noch und bald schöneres Wetter. christl1.....
indeed Obwohl ich immer wieder versuche, Träume eher als eine Art der Verarbeitung von Tageseindrücken und daraus resultierenden Erfahrungen einzustufen, kann ich eine Geschichte bestätigen, die meine Mutter mir sehr aufgeregt erzählt hat. Wir beschwichtigten sie seinerzeit und versuchten sie zu beruhigen. Das Geschehene ist aber eingetroffen - ca. 6 Wochen später und 11tausend Kilometer weg von ihr. Es war eine traurige Nachricht, die uns alle hier in Deutschland erreichte . . .

Ich weiß nicht, ob deine Geschichte auf Tatsachen beruhte oder ob es Fiktion war. Jedenfalls war sie sehr interessant zu lesen. Übrigens haben schon viele Menschen von so einer Vorahnung oder von ihrem 6. Sinn profitiert.
Man hört es immer mal wieder.

Ich selber hatte einmal einen Traum von meiner verstorbenen Großmutter und erlebte ihn im Traum so wahrhaftig und konnte ihn nicht deuten. Es hat mich lange beschäftigt - eben weil er so real schien. Heute meine ich zu wissen, aber ob es wirklich stimmt?

Dein Traum hat mich daran erinnert.

Ich wünsche dir ein gutes sonniges Wochenende und sei gegrüßt von
Ingrid
nnamttor44 ist meistens irgendwie unheimlich! Ich war 1970 mit meiner Familie in eine neue Stadt gezogen. Ein Jahr später bekam unser Sohn ein Schwesterchen. In dieser Zeit träumte ich immer wieder den gleichen Traum: mein Sohn balancierte über ein Mäuerchen und fiel - in ein Loch! Diese Straße und ihre Umgebung war mir irgendwie bekannt, aber ich konnte sie so noch nicht real sehen. Und jedes Mal wachte ich schweißnass auf.

Täglich brachte ich ihn zum Kindergarten und auf dem Weg dorthin balancierte er gern auf einem Mäuerchen am Gericht der Stadt vorbei, bis er eines Tages stolperte und von dem Mäuerchen herunter sprang, fast fiel. Der knapp Vierjährige blieb unverletzt, weil ich im letzten Moment seine Hand genommen hatte.

Der Traum tauchte nie wieder auf. Heute denke ich, dass ich von der schweren Geburt unserer Tochter noch nicht wieder ganz erholt war und in solch körperlich schwächeren Situationen spielt einem das Hirn im Schlaf manchmal etwas vor ...

Deine für mich etwas gruselige Geschichte fand ich sehr spannend!! Ich hab sie gern gelesen.

nnamttor44 - Uschi

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