Auch Schafe können sich irren



Auf einer Harzwanderung vor vielen Jahren, wir wurden noch von unserer Freundin Bibi, einem Afghanen-Mädchen, ebenso eingebildet wie schön, begleitet, befanden wir uns mitten im Wald auf einem Wirtschaftsweg, der zwar breit war, aber links von einem steilen Hang und rechts von einem noch steileren Abhang begrenzt wurde, als wir plötzlich ein mehrstimmiges Mäh, Mäh, Mäh vernahmen.

Schon bald sahen wir eine Schafherde, angeführt von einem Forstbediensteten mit Schäferhund, wie sie uns gemessenen Schrittes entgegen kam.

Was nun? Wohin sollten wir nur ausweichen? Unsere Bibi war kein Kind von Traurigkeit, denn afghanische Windhunde sind Hetzhunde und Schafe sind nun mal Fluchttiere, ganz abgesehen von dem Problem mit dem Schäferhund. Und bald konnte ich erkennen, dass als Schlusslicht noch ein Mann mit grüner Joppe in Begleitung eines Schäferhundes marschierte.

Nun gab es an der Abhangseite ab und zu Ausbuchtungen zum Ausweichen. Mein Mann blieb an der nächsten Ausweichstelle mit unserer Bibi stehen und ich lief so schnell ich konnte der Herde entgegen.

Als wir uns dann aber Aug' in Aug' gegenüber standen, geschah das Unfassbare. Die Schafe scharten sich um mich und waren weder durch Hunde noch durch Menschen davon zu überzeugen, weiter zu gehen. Die hinteren Schafe drängelten sich nach vorn, schließlich wollten sie mich ja alle sehen. Nun stand ich da, hinter mir ein steiler Abhang und von den anderen drei Seiten von Schafen umgeben, die mich erwartungsvoll ansahen. Ich schaute zu meinem Mann und unserer Bibi hinüber und musste erkennen, dass ich von dort keine Hilfe zu erwarten hatte. Alle waren einfach sprachlos, die grün gekleideten Männer, ihre Hunde, mein Mann und sogar unsere sonst so überhaupt nicht schüchterne Bibi saß einfach da und schaute dem Treiben fassungslos zu.

Die beiden Forstbeamten riefen, drohten, ja, sie bettelten, aber nichts geschah. Die Schafe standen dicht gedrängt im Halbkreis um mich herum und himmelten mich an. Auch die Hunde waren keine Hilfe, denn die konnten natürlich nicht los gelassen werden. Dann wäre mit Sicherheit ein schreckliches Chaos entstanden.

Nun konnte ich ja nicht bis zum Einbrechen der Dunkelheit dort stehen bleiben und mich von Schafen bewundern lassen, so ungewöhnlich die Situation auch war. Irgend etwas musste ich unternehmen, denn eines war ganz offensichtlich, die Schafe hörten und sahen, warum auch immer, nur noch auf mich. Also fasste ich einen kühnen Entschluss.

All meinen Mut zusammen nehmend drängte ich mich vorsichtig durch die Menge, stellte mich an die Spitze und rief leise, aber so verlockend ich konnte: "Koooommmmt, koooommmmt, koooommmmt" - und das Wunder geschah. Der Zug setzte sich in Bewegung, mit mir als Leittier vorweg. Langsam ging ich an meinem Mann und meinem Hund vorbei und wagte nicht, sie anzusehen. Die Schafe aber trotteten zufrieden hinter mir her. Sie bemerkten die beiden nicht einmal und unsere Bibi sagte kein einziges Wort.

Ein Jägersmann mit seinem Hund gesellte sich zu mir und sagte ganz leise, ich solle nach der nächsten Wegbiegung langsam zurück bleiben. Die ersten zwei Versuche schlugen fehl. Blieb ich stehen, taten es mir die Tiere nach. Beim dritten Versuch ließ ich mich dann einfach ganz langsam zurück fallen, gleichzeitig rückte ich immer näher zur Hangseite und das klappte schließlich. Endlich sah ich nur noch Hinterteile von Schafen, Hunden und Begleitern. Die Grünbejoppten winkten mir noch einmal erleichtert lächelnd zu und der Spuk war endlich vorüber.

Etwas aufgelöst erreichte ich nun Mann und Hund und fragte mich, ob ich in einem anderen Leben vielleicht SchäferIn oder gar ein Schaf gewesen war.



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Kommentare (21)

elise52 gibt es zufällig ein Video davon
Die Kommentare von den Schäfern hätte ich gerne
gehört und welche Erklärung sie dazu hatten.

Schmunzelnde Grüße, Gerda
pippa stell Dir doch bloß mal vor, das hätte einer gefilmt!
Ich habe mich über Dein Lachen gefreut. Lies es doch mal Deinem Mann vor.
Ich mach das immer, wenn ich komische Geschichten finde.

Liebe Grüße
Deine Heidi
ehemaliges Mitglied was für eine herrlich komische Geschichte! Ich kann es mir genau vorstellen, wie die Schafe Dich anblickten und dann hinter Dir her zogen! Ich habe laut gelacht beim Lesen!

Danke für diese Erheiterung am Abend, die ich bisher noch gar nicht bemerkt hatte!
Ich warte auf Deine nächste komische Geschichte!

Liebe Grüße
Deine Beate
pippa bist Du schon mal von ca 50 Augenpaaren erwartungsvoll angesehen worden, ohne zu wissen, was die eigentlich wollten? Also, "gemolken werden" (ja, ich habe Deine Kühe gesehen), wollten sie bestimmt nicht.
Lach mich kaputt!

Gruß Pippa
pippa die allergrößte Angst hatte ich wegen unserer Bibi, die uns schon so oft ausgetrickst hatte.
Danke für Deine netten Worte.
Gruß Pippa
pippa Hallo Samti,
Du hast mit dem Leithammel ganz Recht, denn ich habe es selber so gesehen.
Danke für Deinen netten Kommentar.
Gruß Pippa
caya was für eine Situation......

eine herrliche Story zum Lesen, aber Aug in Aug mit den Schafen hätte ich die nicht erleben mögen.

Zum Kichern komisch geschrieben!!!

Lieben Gruß
Caya

2.Rosmarie deinen Bericht habe ich mit großem Vergnügen gelesen! Himmel, ist das komisch - obwohl mir natürlich klar ist, dass du dich mitten im Geschehen einfach schrecklich gefühlt haben musst!

Aber so im Nachhinein ist dein Erlebnis ein großes Vergnügen für mich!
Danke!
samti mir fällt spontan "Leithammel" ein Aber bitte nicht abwertend verstehen. Zum Lesen wirklich köstlich. schafe sind sehr sensibel, vergessen nicht. solltest du ihnen nochmals begegnen, wirst du sicher herzlich begrüßt. Solchen Situationen ist man ja selten ausgesetzt, also eine besondere Erinnerung. Schön, dass du darüber erzählt hast. Noch immer ein Lächeln im Gesicht, sag ich Danke mit einem Gruß. Samti
pippa wie schön, dass auch Du lachen konntest. Danke für Deinen netten Kommentar.

Liebe Grüße
Heidi
ehemaliges Mitglied herzerfrischend geschrieben hast du auch mich zum Lachen gebracht. Mit wenigen Worten hast du die Situation so trefflich beschrieben, dass ich mich - wie andere Kommentatorinnen zuvor, in deine damalige Lage versetzt fühlte.

Liebe Grüße
Gerd
pippa liebe Malene,

dass ich Dich zum Lachen bringen durfte. Ich muss ja selber immer noch lachen, wenn ich daran denke.
Solche Dinge passieren aber immer nur solchen Menschen, die über sich selbst am besten lachen können.
Was meinst Du wohl, wie bedeppert erst die beiden Forstbeamten geschaut haben?

Liebe Grüße
Heidi
pippa Liebe Omagisi,
vor Ochsen habe ich eine höllische Angst, selbst, wenn ein Zaun zwischen uns ist.
An der Ausstrahlung ist vielleicht was dran. Eine Cousine hat mir mal erzählt, dass unsere Vorfahren (väterlich) alle samt Schäfer gewesen seien. Ob sich so etwas vererbt?

Liebe Grüße
Pippa
pippa nein, ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt Schafherden immer nur in der Ferne oder hinter Maschendraht gesehen.
Leider hatte ich auch später nie die Gelegenheit. Meine "Anziehungskraft" bestand sicher darin, dass der oder die eigentliche SchäferIn nicht dabei war, es waren ja zwei Forstbeamte und den Schafen vielleicht völlig unbekannt.

Liebe Grüße
Heidi
pippa ich danke Dir für Deine guten Wünsche und werde mir Mühe geben.
Danke für Deinen Kommentar.

Liebe Grüße
Pippa
sissismam ...wisch...muss erstmal die lachtränen abwischen, sonst seh ich nicht was ich schreibe
liege hier am frühen morgen lachend vor dem pc...eine herrliche geschichte!!!
und toll beschrieben, wenn ich mit vorstelle, wie du geschaut hast...ups...taschentuch...wisch..
du hast meinen tag gerettet
lg malene
omasigi Unsere Ochsen, sind zwar keine Schafe, doch egal wo auf der Weide mein Mann auftaucht kommt die Herde zu ihm.
Vielleicht ein schlechtes Beispiel, denn er ist oft auf der Weide. Schaut nach ob bei den Tieren alles in Ordnung ist.
Geht er weiter gehen sie mit. Ist sehr angenehm wenn man die Tiere behandeln will. Sie laufen meinem Mann nach bis in den Koral oder sonst wohin.
Es klappt immer. Du musst irgend eine Ausstrahlung haben,die auf die Tiere wirkt und sie sich dann so verhalten. Probiers mal aus was Koala sagte.
Waere sicher ein interessanten Expiriment.
grussle
omasigi
koala Das war ein unglaubliches Erlebnis!
Hast Du mal bei einer anderen Schafherde ausprobiert, wie sie auf Dich reagieren?
Ein lieber Gruss
Anita/Australien
selena und dann lese ich deine erzählung-
und kann mir alles bildlich vorstellen,
so gut hast du die situation beschrieben.
ich glaube, so etwas :unglaubliches ! erlebt man
nur sehr, sehr selten.
viele glückliche wanderungen-möglichst störungsfrei-
wünscht dir, liebe pippa
selena
pippa Liebe Ingrid,
wenn ich heute daran denke, muss ich auch immer lachen. Damals allerdings war ich doch ziemlich aufgelöst.

Liebe Grüße
Heidi
indeed aber deine innere Aufregung und Fassungslosigkeit kommt in deiner Geschichte gut zum Tragen. Wie gut, dass du so besonnen reagiert hast. Vergiss deine Grübeleien ob der Frage Schäferin oder Schaf in einem früheren Leben.
Es war sicherlich auch kein Spuk.
Für mich eine schöne Geschichte. Danke dir dafür.
LG
indeed

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