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Aktuelle Themen Skrupelloses Erzeugen von Angst vor Flüchtlingen als politische Strategie

margit
margit
Administrator

Skrupelloses Erzeugen von Angst vor Flüchtlingen als politische Strategie
geschrieben von margit

Menschen, die  sich in ihrem engeren und weiteren Umfeld sicher fühlen, sind  mit der politischen Lage zufrieden und nicht empfänglich für Veränderungen oder Radikalisierung.

Das einfachste Mittel, den Wunsch nach grundlegenden politischen Änderungen zu erzeugen, ist ein Klima der Unsicherheit und Angst zu schaffen. Dies geht offenbar leicht über unzulässige Verallgemeinerungen, indem man den Fokus auf Kriminalität lenkt und diese mit dem Thema Zuwanderung oder Deutsche mit Migrationshintergrund verbindet.

Diese Strategie scheint zu funktionieren, obwohl bei uns die Straftaten seit Jahren deutlich zurückgehen und die allgemeine Sicherheit zugenommen hat. 

Wie geschickt sich populistisch ein Klima der Verunsicherung durch Fake-News erzeugen lässt, haben die Prof. Dr. Thomas Hestermann und Prof. Dr. Elisa Hoven anhand von 242 Pressemitteilungen der AfD zur Kriminalität untersucht und die Manipulationsversuche entlarvt: Kriminalität in Deutschland im Spiegel von Pressemitteilungen der Alternative für Deutschland (AfD)

Ich fand die Publikation äußerst lesenswert. Den Versuch einer Kurzfassung habe ich aufgegeben, weil dadurch die gründliche Analyse der Autoren zu stark vereinfacht würde.

Ein Beispiel sei hier genannt: Während nach der Polizeilichen Kriminalitätstatistik 65,5 % der Tatverdächtigten Deutsche sind und 34,5 % Ausländer, bleibt in den untersuchten Texten der AfD, in denen Tatverdächtige konkret benannt werden, deren Nationalität mehrheitlich unbestimmt (50,7 %) oder es geht vorrangig um Ausländer (46,8 %). Nur 2,5 % der erwähnten Tatverdächtigen sind Deutsche, deren "Deutschsein" dann aber relativiert wird.

"Auffällig ist die von der Kriminalstatistik deutlich abweichende Verteilung der nichtdeutschen Nationalitäten. Mutmaßliche Straftäter aus Syrien, Afghanistan und Irak gehen mit insgesamt 5,2 % in die Kriminalstatistik ein, während sie bei der AfD 47 % der Nennungen ausmachen. Fünf der polizeilich am häufigsten registrierten Nationalitäten (Rumänien, Polen, Serbien, Italien und russische Föderation) werden in den untersuchten AfD-Texten nicht thematisiert."

Aus dieser  Fehlinformation über die "Gefährlichkeit" von Syrern, Afghanen und Irakern werden dann weitere (falsche) Schlüsse gezogen.
 
Die Autoren zeigen deutlich auf, wie durch Weglassen oder Hervorhebung und Filtern von Informationen die Wirklichkeit  verzerrt und versucht wird, die Leser zu Misstrauen und Angst gegenüber Flüchtlingen zu manipulieren. Und dazu wird gleichzeitig Politikern Untätigkeit  oder gar Mitschuld an Verbrechen vorgeworfen, um sich selbst (die AfD) als Retter zu positionieren.
 
Die beiden Wissenschaftler kommen zu dem Schluss:

"Eine übertriebene Kriminalitätsfurcht ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in hohem Maße schädlich; sie beeinträchtigt nicht nur die Lebensqualität des Einzelnen, sondern beschädigt den Gemeinsinn und führt zu einem Verlust des Vertrauens in staatliche Institutionen. Populistische Kriminalpolitik birgt zudem das Risiko, dass kriminologische Befunde ignoriert, Langzeitfolgen ausgeblendet und kurzfristige Lösungen komplexeren Konzepten vorgezogen werden."


In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf den Blog "Fakes and News" von unserem Mitglied @Pan hinweisen.

Margit
Karl
Karl
Administrator

RE: Skrupelloses Erzeugen von Angst vor Flüchtlingen als politische Strategie
geschrieben von Karl
als Antwort auf margit vom 05.08.2019, 18:06:36

Ich habe diesen interessanten Bericht in der Kriminalpolitischen Zeitschrift auch gelesen. Das große Problem ist, wie die Autoren feststellen:

"In der politischen Debatte entscheidet aber womöglich nicht die messbare, sondern die gefühlte Kriminalität über Erfolg und Scheitern der Verantwortlichen, über Machtgewinn und Machtverlust."
Leider ist die Klientel der potentiellen Wähler der AfD wohl besonders anfällig für die Angstkampagnen. Spannend ist es aber, nun schwarz auf weiß nachlesen zu können, dass die Partei, die den Slogan der "Lügenpresse" pflegt, selber die größten Manipulatoren sind.

Karl
olga64
olga64
Mitglied

RE: Skrupelloses Erzeugen von Angst vor Flüchtlingen als politische Strategie
geschrieben von olga64
als Antwort auf margit vom 05.08.2019, 18:06:36

DAnke Margit für den sehr guten Beitrag.
Ich selbst beschäftige mich seit längerem mit diesem Thema, weil es mir nachgerade so unbegreiflich erscheint, wie eine aufgeklärte und liberale Gesellschaft wie unsere diesen Populisten in immer stärkeren Masse folgen kann.

Populisten jeglicher Couleur zeichnen sich dadurch aus, dass sie ungemein selbstsicher  auftreten. Sie halten hartnäckig auch dann noch an Aussagen fest, wenn die Fakten gegen sie sprechen.
So z.B. die Leugnung des menschengemachen Klimawandels, die gesundheitsschädliche Wirkungvon Feinstaub und die BEhauptung, Zuwanderung gefährde Arbeitsplätze.
Wissenschaftliche Evidenz ziehen sie grundsätzlich in Zweifel, auch wenn sie auf unzählige Studien gestützt sind und nicht widerlegt wurden. Statistiken ebenso - dahinter vermuten sie Verschwörungen fremder Mächte usw.
Populisten lernen nichts hinzu und sind der Ansicht, dass sie nicht irren können. Man kann ihnen mit Gegenargumenten nicht begegnen.
Und da die Welt in einem derart schnellen Wandel begriffen ist, haben viele Menschen Angst vor dem, was da kommen mag und erleben die Welt als gefährlichen Ort, in dem die derzeitige, persönliche Lebensweise bedroht ist. 
Und zwar von Muslimen, Flüchtlingen,bzw. dem Fremden schlechthin. Sie alle muss man fürchten, meiden und bekämpfen - weil sie uns die Heimat und unsere Werte wegnehmen wollen.
Da hilft es Populisten, jeden BEdroher als potentiellen Vergewaltiger und Mörder anzuprangern und wird dadurch immer erfolgreich bei denen sein, die sich in heimatlicher Identität nach einer verklärten Geborgenheit sehnen, die es nie gab und nie geben wird.
ABer wie soll man gegen Populisten und ihre Anhängerschar angehen, wenn sie immun gegen ARgumente, Erkenntnisse usw sind und diese auch gar nicht hören wollen, sondern in ihrer selbstgebastelten einfachen Welt verharren und sich fürchten (wollen)? Olga


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Karl
Karl
Administrator

RE: Skrupelloses Erzeugen von Angst vor Flüchtlingen als politische Strategie
geschrieben von Karl
als Antwort auf olga64 vom 05.08.2019, 18:41:50

Olga64:
"ABer wie soll man gegen Populisten und ihre Anhängerschar angehen, wenn sie immun gegen ARgumente, Erkenntnisse usw sind und diese auch gar nicht hören wollen, sondern in ihrer selbstgebastelten einfachen Welt verharren und sich fürchten (wollen)? "

Das ist in der Tat die wichtige Frage. Letztlich kann man nur hoffen, dass die empfängliche Klientel für populistische Angstmeldungen eben doch nicht die Mehrheit ist, dass die Mehrheit sich einen kühlen Kopf bewahrt und weiß, wie man Fakenews erkennen kann. 

Karl
Monja_moin
Monja_moin
Mitglied

RE: Skrupelloses Erzeugen von Angst vor Flüchtlingen als politische Strategie
geschrieben von Monja_moin

Ich denke, die meisten Personen, die diesen sogenannten "Rattenfängern" hinterher laufen,  ist es in erster Linie nicht die Angst vor Flüchtlingen, Fremden, Ausländern oder Menschen mit einer anderen Kultur oder Religionszugehörigkeit.
Viele von ihnen arbeiten im Alltag auch mit ausländischen Kollegen zusammen und es klappt prima.
Das wird dann als Ausnahme dargestellt.

Es ist wohl für diese eine Möglichkeit von den eigenen Unzulänglichkeiten, Fehlern abzulenken, es wurden Schuldige gefunden warum sie nicht das erreicht haben, was sie selbst gewollt / geplant haben oder von ihnen erwartet wird.
So können sie sich selbst als Opfer darstellen.
 
Monja.

Pan
Pan
Mitglied

RE: Skrupelloses Erzeugen von Angst vor Flüchtlingen als politische Strategie
geschrieben von Pan
als Antwort auf margit vom 05.08.2019, 18:06:36

Ich erinnere an das Sommer-Interview von Theo Koll mit dem Herrn Meuthen, in dem dieser auf Fragen stets mit Gummi-Antworten kontertet. Es geschah nach dem gleichen Muster wie schon immer:
Auf Radikalismusvorwürfe kam von ihm ein sinngemäßes »Naja«, »ein Einzelfall« eben. Als Ausländerkriminalität das Thema war, dann das natürlich das völlige Gegenteil, nur Verallgemeinerung.

     Dass der Frankfurter Täter in der Schweiz als gut integriert galt, war für den Herrn Professor gleich der Beleg, dass Integration immer ein Wunschtraum bleiben werde:
»Aber mit Verlaub, was wir hier haben ist eine kulturfremde Einwanderung, die selbst da, wo es den Anschein hat, als würde Integration gelingen, erkennbar nicht gelingt.«
(Zitat Meuthen)

 
     Womit dann sofort zwei Dinge gesagt sind: Dass die AfD nach dieser Aussage grundsätzlich keine Einwanderung aus Ländern will, die sie als „kulturfremd“ begreift.
Und zweitens, dass auch bei denen, die integriert sind, nur von einem „Anschein“ ausgegangen werden kann und einer schlafenden Gefahr, die bis zum Kindesmord wie in Frankfurt reicht. 
Wie bitte, kann solchen Aussagen beim Normalbürger entgegnet werden? Es ist schier unmöglich, mit Vernunftmitteln etwas dagegen zu setzen,
meint Horst


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Karl
Karl
Administrator

RE: Skrupelloses Erzeugen von Angst vor Flüchtlingen als politische Strategie
geschrieben von Karl
als Antwort auf Pan vom 05.08.2019, 19:51:53

Lieber Pan,

dazu passt, dass psychische Erkrankungen wegdiskutiert werden, wenn es Flüchlinge sind, aber entschuldigend benützt werden, wenn von Rechtsradikalen gemordet wird (das sind dann die Taten von Irren, lies z. Trumps Rede zu El Paso). 

Karl

RE: Skrupelloses Erzeugen von Angst vor Flüchtlingen als politische Strategie
geschrieben von ehemaliges Mitglied

so passiert das ---

wandersmann
wandersmann
Mitglied

RE: Skrupelloses Erzeugen von Angst vor Flüchtlingen als politische Strategie
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 05.08.2019, 21:32:34
so passiert das ---

Diese Anschuldigung, vor allem die ihr innewohnende Pauschalität, verstehe ich jetzt nicht ganz.
Karl
Karl
Administrator

RE: Skrupelloses Erzeugen von Angst vor Flüchtlingen als politische Strategie
geschrieben von Karl
als Antwort auf wandersmann vom 05.08.2019, 22:09:55

@woschi
@wandersmann_1

Ich glaube nicht, dass es die Gleichen sind, die ihre Eltern immer gefragt haben. Ich glaube eher, es sind mehrheitlich diejenigen, die nie gefragt haben.

Karl

 


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