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Aktuelle Themen Tag der deutschen Einheit

clara
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Re: Tag der deutschen Einheit
geschrieben von clara
als Antwort auf silhouette vom 04.10.2012, 10:27:47

War es nicht so, dass besagte Premiere exakt an dem Abend stattfand, an dem bei den Verantwortlichen (siehe Aussage Berghofer) über Panzer oder Nichtpanzer (beim Großen Bruder anfragen) diskutiert wurde? Soo weit von "Prag 21.8.68" war das gar nicht entfernt

Auszuschließen ist das natürlich nicht. In einem Interview berichtet Berghofer aus seiner Sicht . Man spürt sein Bemühen, sich möglichst unschuldig darzustellen, Zuständigkeiten auf Andere zu schieben, auch Animositäten gegenüber Modrow kann er nicht verbergen.

Zitat: "Wichtig: Modrow war zum Zeitpunkt der entscheidenden Auseinandersetzungen bei „Fideleo“ in der Semperoper. Handys hatten wir nicht, also telefonisch unerreichbar. Berghofer saß im Rathaus, den ganzen Nachmittag und überlegte: Was müsste man denn tun? Wenn der erste Schuss fällt, ist ja alles vorbei. Wenn der erste sowjetische Panzer rollt, ist 17. Juni....... Ich hatte nur eine einzige große Angst: Gewalt bricht aus und dann läuft es aus dem Ruder. Meine Frau, die mich verabschiedet hatte, vormittags war das, so gegen 11 Uhr, ich wohnte ja in unmittelbarer Nähe auf dem Altmarkt, zu Fuß nur 150 Meter und ihr hatte ich gesagt: „Heute fallen Entscheidungen."

An anderer Stelle im Interview meint er, dass die Sowjetunion genug eigene wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte, was darauf hin deutet, dass er bei diesem Aufstand kein Eingreifen oder Hilfe seitens der Sowjets erwartete.
Trotzdem - brenzlig war die Situation allemal!

Clara
hugo
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Re: Tag der deutschen Einheit
geschrieben von hugo
als Antwort auf clara vom 04.10.2012, 12:50:55
An anderer Stelle im Interview meint er, dass die Sowjetunion genug eigene wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte, was darauf hin deutet, dass er bei diesem Aufstand kein Eingreifen oder Hilfe seitens der Sowjets erwartete.
Trotzdem - brenzlig war die Situation allemal!


zu hans modrow nur so viel: Er ist derzeit für mich der mit Abstand seriöseste und realistischste und der Wahrheit am nächsten kommende Chronist aus Sicht der damaligen Führungsriege

-weil 1. Insider, Beteiligter und ehemaliger Mittäter
und weil 2. er mit dem Abstand einiger Jahre zu den damaligen Ereignissen bei persönlichen Beteiligungen Zusammenhänge und Details z.T recht wertneutral aber auch aus damaliger Sicht sehr verständlich widergibt. (seine eigenen Schwachstellen nicht ausklammernd, jedoch z.T an damaligen Zielstellungen festhaltend)

bei mehreren Podiumsdiskussionen in letzter Zeit konnte ich mich (und nicht nur ich) davon überzeugen.

übrigens stell ich mal aus meinem Fundus zum Thema meinen Lieblings-Link ein (leider eine etwas längere jedoch für Interessenten sicher zumutbare Fassung) der nach meiner Meinung die damaligen Geschehnisse und Zusammenhänge bezüglich Politbüro und SED-Führungsriege ohne große Emotionen, dafür sehr sachlich, widergibt.
Christian Wilhelm Das Ende der Ära Honecker

hugo
olga64
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Re: Tag der deutschen Einheit
geschrieben von olga64
als Antwort auf hugo vom 04.10.2012, 15:43:08
ES liefen ja nun wieder viele Dokus im TV über den Untergang der DDR. So wie sich mir dies darstellte, war Herr Modrow (von dem sich westliche Politiker als Interimslösung ja viel versprachen) schon ein "schlimmer Finger". Er erzählt ja in den Dokus, dass er der Aufführung des Fidelio in der Semper-Oper praktisch nicht lauschen konnte, weil er mit den Gedanken "draussen" bei den Demonstranten war. Wie ich auch erfuhr, war gerade diese Fidelio-Inszenierung eine mutige Tat, da sie die Zustände im DDR-Staatsknast auf der Bühne zeigten.
Auch im jetzt laufenden Zweiteiler der Turm wird Herr Modrow "gezeichnet" - nach meinem Empfinden auch nicht sehr schmeichelhaft.
Aber das dürfte alles normal sein: solche Leute, wie auch Krenz, erhofften sich noch gute neue Jobs bei der Nachfolgeregierung - hat nicht geklappt und das ist wirklich gut so. Alles ist übrigens mehr als 20 Jahre vorbei - also eine ganze Generation! Olga

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clara
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Re: Tag der deutschen Einheit
geschrieben von clara
als Antwort auf hugo vom 04.10.2012, 15:43:08
Hugo, als Wessi kann ich natürlich Leute wie Modrow kaum beurteilen, was seine Rolle und seine Einflussnahme im Zentralkomitee und anderen politischen Ämtern betraf. Ob das DDR-Bürger konnten, bezweifele ich. M. wirkt in seiner ruhigen Art besonnen und seriös, vielleicht wurde er deshalb für die Agitation eingesetzt. Die Jahre in der Sowjetunion mit seiner Umerziehung dort sind ja auch nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. Sicher war es enttäuschend für ihn, dass sein Wunsch und Plan, die DDR zu erhalten, nicht aufging, d. h., er sich Gorbatschow beugen musste, der ein vereinigtes Deutschland wollte.

Deinen Link habe ich erstmal überflogen, werde ihn aber noch genauer lesen.

Clara
justus39
justus39
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Re: Tag der deutschen Einheit
geschrieben von justus39
als Antwort auf hugo vom 04.10.2012, 15:43:08
In Sachsen war Hans Modrow eigentlich relativ beliebt. Er hatte ein Ohr für die Probleme der Bürger und wohnte auch ganz bescheiden in einer Plattenbaumietwohnung. Er soll es auch gewesen sein, der uns den Empfang des Westfernsehens ermöglichte.
Er war Kommunist aus seiner persönlichen Lebenserfahrung und ist seiner Einstellung treu geblieben.

Deinen Link bin ich gefolgt und habe mir diese Abhandlung kopiert und gespeichert.

justus
hugo
hugo
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Re: Tag der deutschen Einheit
geschrieben von hugo
als Antwort auf justus39 vom 04.10.2012, 19:03:20
Er war Kommunist aus seiner persönlichen Lebenserfahrung und ist seiner Einstellung treu geblieben.
geschrieben von justus

ja, justus, genau diesen Eindruck macht er auf mich bisher auch.
Dazu sagen die Einen Standhaftigkeit,
die Anderen Sturheit/Starrsinn und die Dritten hätten ihn gerne als Wendehals erlebt und missbraucht,,

nachdem was ich von ihm hörte und las, schätze ich ihn als einen Mann, der sehr wohl weiß wovon er spricht der nicht auf den Putz haut oder beschönigt keine unbegründete oder übertriebene Kritik über andere bzw ehemalige seiner Weggefährten abläßt und der als einer der gaaaanz wenigen der damaligen Oberen und Halboberen sehr realistische Einsichten durchgehen ließ und vertrat, bis hin das ihm heutzutage bestätigt wird, das er zumeist nicht vehement und sinnlos gegen den Lauf der Geschichte stellte, sondern aufs Mitgestalten (natürlich zu seinen Vorstellungen)

Das man Ihm seine -immer noch gepflegten- guten Kontakte zu ehemaligen und z.T noch aktiven Kadern in Südamerika, in China, Japan usw gerne zur Last legt und damit Geschichtsklitterung unterstelltliegt in der Natur und der üblichen Vorgehensweise seiner heutigen Kritiker.

Er ist nicht makellos, nicht ohne frühere Fehleinschätzungen und Entscheidungen (gibt er ja selber zu) aber im Vergleich zu allen anderen aus dieser ehemaligen Gilde wohl noch derjenige den es auch mal positiv hervorzuheben gilt.

interessant fand ich neulich seine Darstellung/Schilderung über seinen letzten Kontakt zu Ceausescu im Rahmen einer Ministerkonferenz (wo alle Beteiligten schon mehr oder weniger wussten wie es um den bestellt sei, und entsprechend auf Distanz gingen)

wer will und danach sucht wird im Internet jede Menge Kritisches, Wahres, Falsches, Interessantes, aber auch bösartig bis Vernichtendes über Modrow finden.

hugo

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loretta
loretta
Mitglied

Re: Tag der deutschen Einheit
geschrieben von loretta
als Antwort auf hugo vom 04.10.2012, 19:50:45
Oh, hier gibt's wieder Lieblingsthema.

Auf meinem Spaziergang durch Wismar habe ich u. a. auch diese Dinger aus vergangenen Zeiten entdeckt und geschmunzelt.

Ob sie wohl bei der nächsten Fassadenrenovierung abgebaut werden? Oder doch zur Erinnerung dran bleiben?



loretta
aurora
aurora
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Re: Tag der deutschen Einheit
geschrieben von aurora
als Antwort auf circe vom 02.10.2012, 18:16:35
Im ehemaligen Grenzgebiet ist dieser Tag mit besonderen Erinnerungen verbunden. So gibt es seit einigen Jahren gemeinsame Wanderungen von benachbarten Städten hier aus Bayern und Thüringen entlang des grünen Bandes





vorbei an markanten Punkten (hier war die Straße praktisch zu Ende)



weiter auf den Mupperg



- früher für uns sehr nah und doch unerreichbar-
wo man vom Prinz-Regenten-Turm eine wunderbare Aussicht nach Thüringen und Bayern bei herrlichem Wetter genießen konnte



und den Abschluss gab es bei Musik, Bratwurst, Kaffee, Kuchen und interessanten Gesprächen.
Am Abend gab es im Fernsehen den Abschluss mit dem "Turm" im Fernsehen...So endete ein schöner Tag mit den verschiedensten Erinnerungen und Emotionen, in dem Bewusstsein, dass es gut so ist, wie es ist...was die Einheit im Besonderen betrifft
Es grüßt aurora
adam
adam
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Re: Tag der deutschen Einheit
geschrieben von adam
als Antwort auf aurora vom 04.10.2012, 23:11:11
Am Abend gab es im Fernsehen den Abschluss mit dem "Turm" im Fernsehen...


@aurora,

ich nehme mal Deine Erwähnung des Turms als Aufhänger.

Der zweite Teil des Fernsehfilms über die DDR war mir zu gestaucht. Das ging alles zu schnell und die Handlung wirkte mir oft zu erzwungen. Um wirklich glaubhaft zu wirken, wäre ein dritter, wenn nicht sogar ein vierter Teil notwendig gewesen.

Mir fehlte z.B. im Film der Alltag der Menschen, die ein Gros der Bürger in jedem Gemeinwesen stellen. Die Menschen, die fern ab von Politik leben, die vom System kaum berührt werden, die nicht ans Reisen denken, weil sie nicht einmal aus ihrem Städtchen raus wollen. Mir fehlte die Darstellung von Menschen, die im Alltag ihre Freuden oder Probleme haben und die bewältigen oder nicht, wie Menschen es in aller Welt tun. Was war mit dem Arbeitsalltag? Es wäre wichtig gewesen, hier wenigstens eine Gegenüberstellung der Arbeiterklasse der DDR und der Bundesrepublik zu wagen, die Probleme der Uneffektivität der einen, mit den Problemen der Überproduktion auf der anderen Seite für die Menschen darzustellen.

Wie ich es immer wieder erlebe, kam und kommt es garade zwischen Menschen der einfacheren Art zu den meisten Mißverständnissen. Menschen, die mit dem einen oder dem anderen System praktisch nichts zu tun hatten und plötzlich mit großen Problemen konfrontiert wurden. Plötzlich gehörten die einen zu den "Siegern", die anderen zu den "Verlierern" und beide wußten eigentlich nicht warum, weil weder der eine etwas besonders richtig, noch der andere etwas absichtlich falsch gemacht hatte. Sie hatten sich nur um ihre Angelegenheiten, in ihrer kleinen Welt, gekümmert.

Es wird in den Diskussionen immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß die DDR nicht nur aus Stasi und Dissidenten bestand, sondern ihren Alltag hatte. Natürlich waren es entschieden zu viele, die ihre nächste Umgebung bespitzelt haben, aber die meisten hatten damit nichts zu tun. In diesem Sinn war mir die Darstellung des Zweiteilers um die Familie eines Arztes zu wenig.

--

adam
Lollo
Lollo
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Re: Tag der deutschen Einheit
geschrieben von Lollo
als Antwort auf adam vom 05.10.2012, 09:40:53
ich schlage dir vor, das buch vom turm zu lesen, dann wirst du den film
vielleicht etws anders sehen,
gruss lollo

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