Innenpolitik Die Hooton-Plan-Verschwörungstheorie
Marina - mir geht es auch so, habe mich zwar nicht geärgert, aber kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie man im Zusammenhang mit Hooton-Plan-Verschwörungstheorie auf eine so wohlwollende Interpretation von "Rassisten" kommen kann!
Edita
Hmm Adam, das hört sich so an als ob du fragen wolltest was ist ein Rassist oder welche Arten von Rassismus es gibt? Ich verstehe nicht, was du sagen möchtest. Kannst du mich aufklären?https://www.vice.com/de/article/mv4kgp/wir-die-migranten-sind-nicht-weniger-rassistisch-774
Bruny
Wir Migranten sind nicht weniger rassistisch!
„Wenn ich als dunkelhäutiger, volltätowierter Iraner einen Club betrete, komme ich mir manchmal vor wie Tony Montana aus Scarface, weil mich die anderen Gäste so oft nach Drogen fragen."
Ich lebe seit über 20 Jahren in Deutschland—ich könnte wahrlich ein ganzes Buch über Rassismus in der BRD schreiben. Ein Beispiel? Ich hatte als Kind aufgrund meiner Hautfarbe viele Namen: Paki, Brownie, Rosenverkäufer und so weiter.
Das hat mich wirklich sehr belastet—sogar so sehr, dass ich mit neun Jahren in eine Apotheke ging und den Mann an der Theke nach Bleichcreme fragte. Ich wollte meine Haut unbedingt heller bekommen und endlich zu den Weißen gehören! Was ich unbedingt wollte, habe ich natürlich nicht bekommen.
Klar ist es manchmal ziemlich ärgerlich, aber man gewöhnt sich irgendwann daran und lernt damit umzugehen. Heute weiß ich, dass Rassismus ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellt und, was viele nicht wissen, auch unter uns Migranten weit verbreitet ist ...
Das Problem beim Thema Rassismus ist häufig, dass es einem manchmal nicht bewusst ist. Es ist wie ein automatisierter Vorgang, der im Kopf stattfindet. Z.B, wenn eine dunkelhäutige Person in der Bahn neben einer weißen Person Platz nimmt und diese dann reflexartig ihre Tasche weiter zu sich heranzieht; wenn eine weiße Frau mit einem Schwarzafrikaner spazieren geht und einige Menschen genauer hinsehen; oder wenn eine der deutschen Sprache mächtige Person gebrochenes Deutsch mit einer augenscheinlich „ausländischen" Person spricht, nur weil man dieser nicht zutraut, Deutsch zu können. Auch wenn es von den meisten nicht böse gemeint ist und unbewusst passiert, muss man sich dennoch darüber im Klaren sein, dass dies auch eine Form von Rassismus darstellt und für die jeweilige Person, die so behandelt wird, extrem herabwürdigend und diskriminierend ist—denn keiner möchte als Mensch zweiter Klasse behandelt werden.
Doch wer wirklich meint, dass Rassismus in Deutschland ausschließlich von Bio-Deutschen ausgeht, der irrt sich gewaltig—denn bei uns Migranten ist es leider nicht besser . Bei uns kommen noch Faktoren hinzu wie z.B. Kriege in Ursprungsländern, auch die Religion oder einfache Klischees gegenüber anderen Kulturen, die tief im Kopf verankert sind: Türken gegen Kurden. Griechen gegen Türken. Araber gegen Juden. Serben gegen Kosovo-Albaner. Kosovo-Albaner gegen Roma. Das Problem bei uns „Kanaken" ist, dass Rassismus anders wahrgenommen wird.
Es ist leider vielen Migranten nicht bewusst, dass sie die anderen so behandeln, wie sie es selbst bei ihren deutschen Mitbürgern ja eigentlich kritisieren.
In meinem Freundeskreis finden sich so gut wie alle Nationen, die in Deutschland vertreten sind. Mein libanesischer Freund verliebte sich mal in eine eritreische Frau—sie war wunderschön. Er musste aber die zweijährige Beziehung beenden, da es dann doch zu ernst wurde. Für ihn wäre es an der Zeit gewesen zu heiraten und Kinder zu kriegen. Doch das kam für ihn als Libanese überhaupt nicht in Frage „mit einer schwarzen Frau". „Wie würden dann die Kinder aussehen?" Was bei ihm in der Familie los wäre? „Sie ist schwarz und meine Familie würde das niemals akzeptieren".
Warum gerade er—als jemand, der in einer multikulturellen Gesellschaft aufgewachsen ist—nicht zu seiner Liebe hielt, habe ich nie verstanden. Wir als Freunde mussten es akzeptieren—es war seine Entscheidung! Es machte mich aber, um ehrlich zu sein, sehr traurig, dass junge Menschen ihre Liebe aufgeben mussten und müssen, nur weil man nicht die gleiche Hautfarbe hat oder an einen anderen Gott glaubt. Oft habe ich mir die Frage gestellt, wie laut der Aufschrei wäre, wenn er sich in eine deutsche Frau verliebt hätte und er derjenige gewesen wäre, der von den Eltern seiner Frau nicht akzeptiert worden wäre.
Ein türkischer Freund hat sich vor acht Jahren in eine Griechin verliebt. Seine Eltern wollten das nie akzeptieren. Ich kann mich noch gut erinnern, wie er sich immer darüber beschwerte, dass seine Eltern ihn vor ein Ultimatum stellten. Doch im Gegensatz zu unserem libanesischen Freund, stand er zu ihr! Heute sind sie verheiratet und haben zwei wundervolle Kinder, die ihre türkischen Großeltern bis heute nicht kennen gelernt haben. Denn die Mutter ist eine Griechin und Griechen sind nicht gut genug für einen Türken, so die Meinung seiner Eltern.
Ein jamaikanischer Freund sagte einmal, dass weiße, deutsche Frauen nur fürs Vergnügen gut sind. Aber zum Heiraten muss es eine „Schwester" sein. Es ist nun mal so, denn „Schwarze müssen untereinander bleiben", sagte er.
Das ist natürlich totaler Blödsinn—Rassismus ist Rassismus! Egal von wem und wo man herkommt. Selbstverständlich leben die meisten Deutschen und Migranten in unserem Land friedlich miteinander, ABER: Es wird eine Weile dauern, bis unsere multikulturelle Gesellschaft es lernt, mit sich selbst umzugehen.
Manche Dinge im Leben brauchen einfach etwas mehr Zeit, um von den Menschen verstanden zu werden—denn über eines müssen wir uns im Klaren sein: Es gibt keinen Weg, einem Kind beizubringen, dass es nicht willkommen ist, nur weil es eine andere Hautfarbe oder Kultur hat. Es kann keinen Weg geben, Rassismus zu verteidigen.
Hallo Elbwolf,
vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für Deinen ausführlichen Beitrag der Arbeitshypothese genommen hast, denn es handelt sich hier um die politische Psychologie von Gruppen (Zmerli / Feldmann).
Wie sind sie strukturiert? Welche Analysen, Interpretationen und kritische Reflektionen ergeben sich daraus? Wie kann man eine nicht bewiesene Behauptung zu einem Thema versuchen zu belegen, bzw. widerlegen?
Für ein theoretisches Konstrukt sind verschiedene Vorgehensweisen möglich, um einen möglichst hohen Informationsgehalt zu bekommen.
Deshalb habe ich das vorgegebene Thema hier eingesetzt, in der Hoffnung, darauf viele Ideen und konstruktive Antworten zu erhalten. Einige User haben mir daraufhin auch mit informativen und sachlichen Beiträgen geantwortet. Herzlichen Dank dafür.
Leider habe ich aber bei der Titeleinstellung nicht erahnen können, dass das Thema eine so große Unruhe auslösen würde, und der Haussegen in diesem Tread jetzt schief hängt. Das bedauere ich sehr, denn es lag absolut nicht in meiner Absicht.
Rosi65
Marina - mir geht es auch so, habe mich zwar nicht geärgert, aber kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie man im Zusammenhang mit Hooton-Plan-Verschwörungstheorie auf eine so wohlwollende Interpretation von "Rassisten" kommen kann!@marina,
Edita
@edita,
wir haben Schubladen für Menschen, "Rassisten" ist eine davon, aber wir sind uns doch eigentlich einig, dass Schubladendenken schlecht ist.
Rassismus ist eine besondere Form des Schubladendenkens, das die Menschen auf Grund ethnischer Besonderheiten einteilt und sehr oft in ein "oben" und "unten" Schema presst. Im 3. Reich sortierten sich die "Arier" als überlegen ein und begangen unaussprechlich grausame Verbrechen an als niedriger angesehenen Gruppen. Lasst uns nicht darüber streiten! Ich sehe keinen hier im ST, der nicht diese Taten und dieses Denken mit Abscheu betrachtet.
Aber gehört jeder, der schon einmal missverständliche Sätze formuliert hat, in die gleiche Schublade wie die Naziverbrecher? Gibt es da keine Differenzierung? Hat sich nicht jeder von uns schon einmal bei einem rassistischen Gedanken ertappt? Jeder Mensch ist vieldimensional und dehnt sich (wie Adam bemerkt hat) zwischen Gut und Böse, in einer Sache oder zu einem Zeitpunkt ist er mehr gut, in einer anderen Sache oder einem anderen Zeitpunkt eher böse.
Ich habe keine wohlwollende Interpretation für Rassismus, aber ich bin dafür, jedem Diskutanten zunächst einmal Wohlwollen entgegenzubringen und zu versuchen zu verstehen, was er meint. Wenn sich jemand zu Rassismus explizit bekennt, werde ich der Erste sein, der ihm widerspricht.
Ich schrieb bereits, dass m. E. rassistisches Denken in der menschlichen Natur verankert ist und es der Kopfarbeit bedarf, um dagegen anzugehen. Deshalb sollte man Menschen nicht gleich verdammen, wenn sie sich missverständlich äußern, sondern man sollte an ihre Vernunft appellieren. Niemand kann sich gegen seine "Gefühle" wehren, aber jeder kann seine "Gefühle" beherrschen, wenn er es denn einsieht.
Und es ist nun mal so: Es gibt nicht nur "gut" und "böse", sondern sehr viel dazwischen.
Ich hoffe, ich werde jetzt nicht wieder missverstanden. Mir liegt viel daran, bei diesem Punkt zu überzeugen und bei Fragen, werde ich antworten.
Karl
Ein Rassist ist einer der, weil niemand ihn höherstufen kann oder will, andere als minderwertig bezeichnet.
Andersrum: Im Grunde genommen halten sich Rassisten selbst für minderwertig. Wenn sie sich aber zusammenrotten, fühlen sie sich übermächtig - und damit berechtigt, hilflose Minderheiten als minderwertig zu bezeichnen.
Richtig schorsch. Du hast hier auch einen der Gründe formuliert, warum rassistisches Denken so tief in den Menschen verankert ist (@tina1, in allen Menschen, auch in Migranten und Einheimischen, wie du richtig geschrieben hast).schorsch:
"Wenn sie sich aber zusammenrotten, fühlen sie sich übermächtig - und damit berechtigt, hilflose Minderheiten als minderwertig zu bezeichnen."
Rassismus schafft Distanz zu "denen da draußen", aber Nähe und Zusammenhalt in der eigenen Gruppe. Diese Ambivalenz von Gruppenzusammenhalt und Feindschaft gegenüber den anderen Gruppen da draußen ist ein Erbe unserer tierischen Vorfahren, das wir, die Menschen, überwinden müssen, wenn wir in dem modernen globalen Dorf stressfrei überleben wollen.
Karl
Sicher ist eine Genomanalyse aufschlussreicher als irgend eine Notiz im Kirchenbuch.
Ein Wort übrigens noch zu den klassischen Stammbäumen, die mit Kirchenbüchern erstellt wurden. Die genetischen Analysen zeigen, dass ein sehr hoher Prozentsatz der Vaterschaften (etwa 10%) nicht stimmen können. Also sollte man den Stammbäumen, je weiter sie zurückreichen, nicht wirklich trauen. Viel aufschlussreicher sind heutzutage Genomanalysen und es ist sehr interessant zu sehen, wo z. B. meine Verwandtschaft heutzutage zuhause ist.
Karl
Aber um ehrlich zu sein, so ganz genau, will ich es eigentlich gar nicht wissen.
Die Vaterschaft hatte ich übrigens in meinem Beitrag gar nicht erwähnt. Urgroßvater
in jungen Jahren, mit den Eltern, wegen der Kartoffelkrise aus Irland ausgewandert. Die wollten
zwar in die USA, waren aber auf Jamaika gelandet. Dort hatte er dann eine Maya kennengelernt,
die aus Yucatan geflüchtet war, die hatten dort immer wieder irgendwelche Konflikte mit
der Regierung. Deren Sohn ist dann in die USA umgesiedelt. Dort hat er eine Amerikanerin
mit irischen Wurzeln geheiratet, naja dann kam dort mein Papa und seine Schwester auf die
Welt. Da habe ich doch jetzt schon so einige, wohl auch ganz verschiedene Gene gesammelt.
Väterlicherseits bin ich also etwa sowas, wie ein irischer Bastard
Pat
Und ich ....... väterlichseits ein(e) ukrainisch-polnisch(e) - und mütterlichseits eine jugoslawisch-slowenisch(e) Bastard(in)!
Väterlicherseits bin ich also etwa sowas, wie ein irischer Bastard
Pat
Und da bin ich unheimlich stolz drauf, weil das eine supertolle Mischung ist!
Mit meinem Mädchennamen bin ich immer gefragt worden, wo ich herkomme, aber mit meinem Ehenamen hat das aufgehört!
Jetzt - seit 47 Jahren bin ich komplett eingedeutscht!
Edita
Na, das ist doch schon mal ein guter Anfang, liebe Edita, oder?
Ich bin eine bayerisch-österreichische Bastardin mit einem sehr kurzen, aber etwas seltsamen Nachnamen (Mädchenname, den ich sofort nach meiner Scheidung wieder angenommen habe) und auch norddeutschem Vornamen.
Ich fühle mich seit Jahrzehnten als Europäerin/'Bayerin/Deutsche (in dieser Reihenfolge).... Olga
Schlimm wird es nur wenn zwischen den „Gruppen“ Rassismus entsteht. Und genau diese Lage haben wir weltweit. Die Sunniten hassen die Schiiten, die Tutsi hassen die Hutu usw. Wenn sich dieser Hass in einem Land abspielt, dann gibt es unweigerlich einen Bürgerkrieg ohne Sieger, denn wenn das Land vernichtet ist, hat der Überlebende keine Chance.Rassismus schafft Distanz zu "denen da draußen", aber Nähe und Zusammenhalt in der eigenen Gruppe. Diese Ambivalenz von Gruppenzusammenhalt und Feindschaft gegenüber den anderen Gruppen da draußen ist ein Erbe unserer tierischen Vorfahren, das wir, die Menschen, überwinden müssen, wenn wir in dem modernen globalen Dorf stressfrei überleben wollen.
Karl
Oder wenn wir an Ex-Jugoslawien denken. Jahrelang heirateten Kroaten und Serben, während des Krieges brachte man sich gegenseitig um. Es war also kein Rassismus vor dem Krieg, denn sonst hätte man nicht geheiratet. Der Hass wurde also fremderzeugt, was der These widerspricht, dass Rassismus in uns allen lebt. Oder?
Bruny