Forum Soziales und Lebenshilfe Lebenshilfe Wie ich tatsächlich starb...

Lebenshilfe Wie ich tatsächlich starb...

RE: Wie ich tatsächlich starb...
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf margit vom 15.01.2021, 14:39:43

Hallo Margit,

ich finde es echt schön, wie du eine vollkommen andere Meinung vertrittst, dabei aber auch so fair und sachlich bleibst.
Ich kann dich beruhigen, was die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland angeht, bin ich alles andere als ein Experte, aber auch nicht gerade ganz unwissend.
Meine Abschlussarbeit hatte sogar, dieses freiwillig von mir gewählte Thema.

Als Kind hatte ich mal ein Erlebnis, mit einem dieser ominösen und unbelehrbaren Nazis.
Ich führte die Hunde Älterer und Behinderter Bewohner eines Heimes aus. Da gab es auch einen alten Mann, der mir ständig das Gefühl gab, von mir angewidert zu sein.
Er beachtete mich so gut wie kaum und wenn unsere Blicke uns mal trafen, ließ er mich spüren, dass er absolut nichts von mir hielt. 
Das ging die ganze Zeit so.
Aber eines Tages, er war damals schon weit über 90 Jahre alt, konnte er seinen alten Hund nicht ausführen, zumal es auch schneite und war wohl gezwungen, mich darum zu bitten. Aber er bat mich nicht darum, sondern fragte nur, in dem er mich nicht einmal ansah, ob ich seinen Hund auch ausführen würde.
Ich bejahte natürlich und fing ab diesem Tag an, auch seinen Hund mit auszuführen.
Es dauerte einige Wochen, aber irgendwann fing das Eis zu schmelzen an und wir unterhielten uns auch, wie mit den anderen Bewohnern des Heimes. Es waren keine langen Gespräche und fast immer ging es irgendwie um die Hunde.
Aber mit diesem Mann wurden die Gespräche immer intensiver und länger und er fragt mich regelrecht aus. Bald schon wusste er mehr über mich und meine Familie, als ich selbst.
Und noch etwas länger fing er plötzlich an, mir von sich zu erzählen. Er erzählte mir, dass er überzeugter Nazi sei und was ich dazu dache. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, was ein Nazi war und deshalb kamen wir uns als Menschen trotzdem näher. Ich fing sogar an, ihn und Teile seiner Ansichten zu bewundern. Er war ein aufrechter und ehrlicher Mann. Doch als er mir später erzählte, dass er aktiv getötet hätte, ängstigte er mich anfangs. Aber er sagte auch genau, weshalb und wieso. Er war nun einmal Soldat in einem Krieg gewesen, dachte ich mir und verdrängte alles andere.
Und weil ich den Rest wohl so gut verdrängen konnte, offenbarte sich mir mit der Zeit ein Mann, der in seinem Wesen alles andere als schlecht, sondern vielmehr ein Kind seiner Zeit war.
Er war nicht grausamer als andere, er trachtete niemanden aus niederen Beweggründen nach dem Leben. Es waren die Umstände, die Zeit und die politische Lage, die ihn zu dem gemacht hatten, was er war. Aber als Mensch, wenn man fähig war, dies alles bei seiner Betrachtung zu berücksichtigen, war er nicht weniger gut oder schlecht als jeder andere auch.

Das, was die politischen Umstände, die Zeit, in der lebte und vor allem auch die Umstände waren verantwortlich für das, was er getan hatte. Und das noch viel mehr, als man ihm als einen Menschen einen Vorwurf machen konnte.
Ich erkannte in seinen Augen die gleichen Sehnsüchte nach Liebe und Anerkennung, nach Geborgenheit und Hoffnung, wie bei jedem anderen auch.
Und das, was politische Systeme oder gesellschaftliche Umstände aus Menschen machen können, tun Religionen mit Leichtigkeit.

Ich achte jeden, und das meine ich ernsthaft, aus tiefstem Herzen und aufrichtig, der glaubt und gläubig ist.
Habe ein ganz massives Problem mit Religionen im allgemeinen, weil diese eben nicht im Kern so sind, wie sie so oft dargestellt werden, sondern Menschenverachtend, Unmenschlich und Grausam.

Wenn es einen Gott gibt, der mich erschaffen hat, dann musst auch du ein Geschöpf Gottes sein. Es kann nicht sein, dass er mich erschaffen hat, dich aber nicht.
Und wenn dieser nun alle Menschen erschaffen hat, wie kann es sein, dass er nur dem Erlösung verheißt, der dies oder jenes glaubt?
Wie kann man sich anmaßen und behaupten, dass nur die Bindung an diese oder jene Religion Erlösung bringt?
Ist es da nicht besser, für sich, in seinem Inneren an eine allmächtige Kraft zu glauben, der jeden einzelnen gleich liebt?
Der Menschen nicht nach deren Überzeugung, sondern nach deren Taten und Handlungen beurteilt?

Alles andere ist nichts als den Menschen zum Werkzeug zu machen.
Und mit Werkzeug kann man viel machen. Man nutzt es, um etwas zu bauen.
Für sich, damit man es sich selbst gemütlich machen kann...

RE: Wie ich tatsächlich starb...
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf hobbyradler vom 15.01.2021, 14:56:37

Hallo Hobbyradler,

ich argumentiere oft mit Jesus, weil ich ihn als Wesen endlos bewundere.
Aber nicht als Christen, Sohn Gottes, als den Messias oder sonst wen, sondern als einen der weisesten Menschen, die jemals auf unserer Welt gelebt haben.

Ich kann Jesus komplett differenziert von der christlichen Kirche und der christlichen Religion betrachten und habe damit keinerlei Probleme.
Wenn ich an Jesus Christus als Menschen, und dabei ja, als einen ganz besonderen und unvorstellbar kostbaren Menschen denke, hätte ich auch kein Problem dabei, mich als einen seine überzeugtesten Anhänger zu sehen.


Liebe Grüße
Ünal

RE: Wie ich tatsächlich starb...
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf hobbyradler vom 15.01.2021, 15:09:06

Lieber Hobbyradler,

wenn wir unter uns wären, würden ich dir empfehlen, dich generell von jedem fern zu halten, der eine Religion benötigt, um im Leben zurechtzukommen.
Wenn jemand so etwas braucht, ob er Religion als Kraftquelle, Stütze oder was auch immer sieht, sollte sich klar darüber sein, dass er noch nicht dazu imstande ist, das Leben ohne solche "Hilfen" zu bewerkstelligen.
Das kann unter bestimmten Bedingungen wie schlechte politische Systeme, Überhand der religiösen Institutionen in den Gesellschaften etc. zu extremen Katastrophen führen.
Eben auch deshalb, weil man diese im Wesen guten, aber dennoch sehr leichtgläubigen Menschen sehr schnell täuschen und sie somit für seine Zwecke missbrauchen kann.

Da wir aber nicht unter uns sind... ;)
Man kann es handhaben, wie man es möchte.
Es steht jedem zu, so zu denken, wie man mag. Und das meine ich unabhängig von dem, was ich oben geschrieben habe und meine es auch tatsächlich so.
Problematisch wird es halt, sobald man sich in die Fänge der Religionen übergibt und darin ein Heil für alles im Leben sucht.
Dann mutiert man von einem sanftmütigen, guten Menschen zu einer Art Wesen ohne Verstand und Seele, der irgendwann auch zu allem bereit sein wird.

Es ist nämlich immer das gleiche Problem.
In jeder Religion steht so etwas wie: Dein Glaube dir, mein Glaube mir.
Aber sobald eine Religion die Gesellschaft beherrscht, ist es vorbei mit der Güte und dem Verständnis.
Dann ist man nur soviel wert, wie man sich seiner Religion "überlassen" hat.



Liebe Grüße
Ünal


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RE: Wie ich tatsächlich starb...
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 14.01.2021, 11:51:08

Lieben Dank an die vielen Herzchenspender.😉💛
Es grüßt euch
Jutta

jacare4
jacare4
Mitglied

RE: Wie ich tatsächlich starb...
geschrieben von jacare4
So ganz habe ich noch nicht verstanden, was Ünai denn nun von uns erwartet. In dem Video mit den eindrucksvollen, allerdings einseitig ausgewählten Bildern, das ich mir tatsächlich bis zum Ende angesehen und angehört habe, ist das Wort Bauchgefühl mehrfach gefallen und bei mir hängen geblieben. Bauchgefühl, auf das ich achten soll, und alles, was mir vorher beigebracht worden ist, soll ich ablegen, vergessen, soll mir total unwichtig werden. 

Ich habe dabei gedacht, mein Bauchgefühl sagt mir: alles, was da in dem Video in viel zurascher Folge, für mich "ohne Punkt und Komma", ohne Pausen zum Nachdenken, ohne Möglichkeit der Zwischenfragen, so daher geredet wird, auf mich einprasselt, ist wie eine Predigt, die bei mir am Ende ein Gefühl des Unwohlseins verursacht. 

Mein "normales" Bauchgefühl gibt mir ganz andere Empfindungen: Hunger, Schmerz, Lust, Völle, usw. aber auf keinen Fall das Gefühl von Empathie. Auf meinen Bauch kann ich mich kaum verlassen, wenn es um Nachdenken geht, um multiple choice Aufgaben, um Bewältigung des Alltags, um Vorsorge, um Familie, Umwelt,  usw. geht. 

Zu irgend etwas muss ja auch noch der Kopf gut sein. 

​​​​​​​jacaré4
Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Wie ich tatsächlich starb...
geschrieben von Mareike
als Antwort auf jacare4 vom 15.01.2021, 16:11:50


Zu irgend etwas muss ja auch noch der Kopf gut sein. 

​​​​​​​jacaré4
Das gefällt mir! 😄
LG
Mareike

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Edita
Edita
Mitglied

RE: Wie ich tatsächlich starb...
geschrieben von Edita
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.01.2021, 15:51:54

Aber sobald eine Religion die Gesellschaft beherrscht, ist es vorbei mit der Güte und dem Verständnis.
Dann ist man nur soviel wert, wie man sich seiner Religion "überlassen" hat.



Liebe Grüße
Ünal
Aber ...... gsd. trifft das nicht auf westliche europäische Gesellschaften zu, wenn es danach ginge, dann solltest du Dich mit dem Iran, Saudi-Arabien oder dem Jemen, oder in Polen, den USA oder sonst wo beschäftigen, die deutsche Bevölkerung ist jedenfalls nicht in großer Gefahr, religiös mißbraucht zu werden, in Deutschland ist Religion Privatsache und sowieso auf dem absteigenden Ast!
Die Traditionschristen, die regelmäßig in die Kirche gehen, sterben aus und der andere, immer größer werdende Teil der Bevölkerung gehört keiner Kirche mehr an, und viele, viele Menschen wissen heute schon nichts mehr über Lehre und Ritualien der zwei Religionen, und warum welche Feiertage existieren, religiöse Feiertage werden selbstverständlich begrüßt wenn sie unter der Woche stattfinden und bezahlt werden, mich wundert darum "Dein Ehrgeiz" ausgerechnet in Deutschland dagegen anzukämpfen!

Edita
margit
margit
Administrator

RE: Wie ich tatsächlich starb...
geschrieben von margit
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.01.2021, 15:38:14

Lieber @Ünal,

leider bist Du - zugegeben elegant und wortreich - nicht auf meinen Einwurf eingegangen, dass Dein Vergleich der Lage der Palästinenser im heutigen Israel mit dem der Juden im Nationalsozialismus unpassend ist.

Mit der Geschichte des Greises aus dem Altersheim führst Du gekonnt von meiner Kritik weg.

Zu Deinem Erlebnis mit dem alten unverbesserlichen Mann, der sich noch Jahrzehnte nach Kriegsende als Nazi bezeichnet: es mag durchaus sein, dass er Dich als kleinen, unwissenden Jungen zu beeindrucken vermochte. Unbelehrbare Menschen gab und gibt es leider immer. Schlimm ist nur, dass diese verbrecherische Ideologie heute immer noch Menschen in ihren Bann zieht.

Margit

 

schorsch
schorsch
Mitglied

RE: Wie ich tatsächlich starb...
geschrieben von schorsch
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 14.01.2021, 03:01:47

Danke für deinen Bericht.

Ich vermute, dass du all diese geschilderten Erlebnisse in nur wenigen Sekunden "durchlebt" hast.

Ich selber hatte mit 10 Jahren folgendes Nahtod-Erlebnis: Einige Wochen vorher wurde ich mit einem geplatzten Blinddarm in letzter Minute operiert. Die Narkose und die folgenden 3 Wochen Spital-Aufenthalt überlebte ich bestens. Als ich dann aber zuhause war, sah ich mich einmal in der Nacht aus meinem Leib steigen und nach oben zur Zimmerdecke schweben. Ich sah mich selber unter mir unbeweglich im Bett liegen und meinen Bruder nebenan tief schlafen und ruhig atmen. Als ich an die Zimmerdecke kam, sperrte ich mich mit aller Kraft dagegen, durch diese zu schweben. Langsam schwebte ich wieder nach unten in mich selber hinein - und erwachte. Alles an meinem Körper war in einem Zustand, wie man es erlebt, wenn z.B. ein Arm eingeschlafen war.....

Ich getraute mich nicht, dieses Erlebnis meiner Familie zu erzählen. und erst viel später, als ich ähnliche Berichte von Nahtod-Erlebnissen las, konnte ich mir einen Reim auf das damalige Erlebnis machen.

 

Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Wie ich tatsächlich starb...
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.01.2021, 15:38:14
 ein Mann, der in seinem Wesen alles andere als schlecht, sondern vielmehr ein Kind seiner Zeit war.

[...]

Er war nicht grausamer als andere, er trachtete niemanden aus niederen Beweggründen nach dem Leben. Es waren die Umstände, die Zeit und die politische Lage, die ihn zu dem gemacht hatten, was er war.

[...]

 

Guten Abend, Ünal,

da sind wir aber ganz und gar unterschiedlicher Meinung. Auch damals hatte jeder die Möglichkeit, NEIN zu sagen, es gibt zahllose Beispiele dafür. Ob ich so mutig gewesen wäre, weiß ich nicht; aber es gab sehr viele, die so mutig waren.

"Zeit" (ich meine damit nicht die physikalische Größe!)  und "Umstände" sind keine "Zustände an sich" und "aus sich heraus" entstehend, sondern sie sind von Menschen (!) gemacht, beeinflusst und verantwortet. Und jemanden zu töten, geschieht IMMER aus "niederen Beweggründen" heraus. Es sei denn aus Notwehr, die ich aber bei den Nazimördern nicht zu erkennen vermag.

Schönen Gruß und schönen Abend

Der Waldler
 

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